Gesellschaft

Gebetsruf auf Weihnachtsmarkt? Nein, Video hat anderen Kontext

Ein Video, das einen islamischen Gebetsruf auf einem Weihnachtsmarkt zeigen soll, sorgt online für anti-muslimische Hetze. Doch die Aufnahme ist nicht nur alt, sie ist auch nicht auf einem Weihnachtsmarkt entstanden.

von Paulina Thom

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Mit falschen Behauptungen rund um Weihnachtsmärkte wird aktuell vermehrt Stimmung gegen muslimische Menschen gemacht (Symbolbild: Roha-Fotothek Fürmann / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Video zeige einen deutschen Weihnachtsmarkt, auf dem der islamische Gebetsruf zu hören sei.
Bewertung
Falsch. Das Video ist mehrere Jahre alt und nicht auf einem Weihnachtsmarkt, sondern auf einem Markt rund um einen verkaufsoffenen Sonntag in Bayern entstanden.

„Auf deutschen Weihnachtsmärkten ertönt aus Lautsprechern der islamische Gebetsruf“, heißt es online zu einem Video auf X. Zu sehen ist ein Marktplatz mit mehreren Ständen. Vor einer Bühne mit einem singenden Iman stehen mehrere Zuschauende, zwischendurch schwenkt die Kamera auf einen Weihnachtsbaum. Aus dem Off heißt es: „Sehr weihnachtlich“.

Verbreitet wird das Video unter anderem vom englischsprachigen Account „Radio Genoa“, der regelmäßig gegen Geflüchtete und muslimische Menschen hetzt und dabei immer wieder wegen Desinformation auffällt. Der Account war für eine Anfrage nicht zu erreichen.

Post von X
Dieses Video soll laut Radio Genoa auf einem Weihnachtsmarkt entstanden sein – das stimmt nicht, zudem ist es Jahre alt (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Islamischer Gebetsruf war Teil des Veranstaltungsprogramms des Andreasmarktes

Eine Bilder-Rückwärtssuche zeigt: Das Video ist nicht aktuell, sondern kursierte schon 2023. Auf der Bühne im Video ist auf einem Banner der Name „Andreasmarkt“ zu erkennen. Eine Google-Suche führt zu Medienberichten von Dezember 2023. Demnach ist das Video nicht auf einem Weihnachtsmarkt, sondern auf einem Markt rund um einen verkaufsoffenen Sonntag Ende November in Karlstadt in Bayern entstanden. Das Unternehmen hinter dem Andreasmarkt, die Karlsberg Stadt Marketing GmbH, und der Bürgermeister der Stadt, Michael Hombach (CSU), stellten das auf einer Pressekonferenz klar, nachdem das Video in rechtspopulistischen Kreisen viral gegangen war.

Der Weihnachtsmarkt findet in Karlstadt am 6. und 7. Dezember statt, erklärte Hombach zudem der Mainpost. Das ist auch dieses Jahr so.

Laut der Mainpost ist in dem Video ein Vertreter der Karlstadter Diyanet-Ditib-Moschee beim Gebetsruf zu sehen – die Moschee sei auch mit einem Sketch, Tänzen und einem Kinderchor aufgetreten. Für das Bühnenprogramm beim Andreasmarkt gehe die Stadt jedes Jahr auf Vereine und Glaubensgemeinschaften zu und bitte um Mitwirkung, so die Zeitung. 2023 hätten sich ausschließlich die beiden muslimischen Gemeinden gemeldet. Das Motto des Marktes war 2023 daher „Orient trifft Okzident“.

Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau

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