Bürgermeisterwahl in Meißen: Betrugsvorwürfe sind haltlos
Bei der Bürgermeisterwahl in Meißen verlor der AfD-Kandidat. In Sozialen Netzwerken unterstellen Nutzer mit einer Grafik Wahlbetrug – doch ein Blick in die Daten zeigt, dass die Vorwürfe haltlos sind.

Faktensammlung
In der sächsischen Stadt Meißen gab es am 7. September 2025 eine Wahl für das Amt des Oberbürgermeisters. Gewonnen hat sie Markus Renner, der eine breite Unterstützung von vielen Parteien genoss – Stadträte von CDU, SPD, Linke, der Unabhängigen Liste Meißen und den Bürgern für Meißen sprachen sich vor der Wahl für ihn aus. Er gewann die Wahl mit 58,5 Prozent. Mit 30,4 Prozent der Stimmen kam René Jurisch, den die AfD aufgestellt hatte, auf den zweiten Platz.
Doch in Sozialen Netzwerken wittern Nutzerinnen und Nutzer Betrug. Sie teilen zwei Grafiken von der Auszählung am Wahlabend. Auf einer ist zu sehen, wie der AfD-Kandidat Jurisch mit rund 49,5 Prozent vor Renner (rund 43,8 Prozent) liegt. Laut der Grafik zeigen diese Ergebnisse den Stand um 18:22 Uhr an. Die zweite Grafik zeigt Ergebnisse von 18:28 Uhr – zu diesem Zeitpunkt liegt Jurisch nur noch bei 31,6 Prozent, Renner bei 58,9 Prozent der Stimmen.
„Wie geht sowas in wenigen Minuten“, schreibt etwa eine X-Nutzerin. Allein dieser Beitrag hat fast 250.000 Aufrufe. Ein weiterer Nutzer schreibt: „In fünf Minuten… niemals“. In den Kommentaren sprechen mehrere Personen von Wahlbetrug oder einer Fälschung der Ergebnisse.
Doch wie läuft die Auszählung bei einer solchen Wahl ab? Bei größeren Wahlen, etwa Bundestagswahlen oder Landtagswahlen, wird das Wahlgebiet in Wahlkreisen unterteilt – dabei wird darauf geachtet, dass ungefähr gleich viele Menschen darin wohnen. Die Wahlkreise wiederum werden in Wahlbezirke unterteilt, damit Menschen an gut gelegenen Orten ihre Stimme abgeben können.
In Meißen gab es für die OB-Wahl keine Wahlkreise, sondern 15 Wahlbezirke – in manchen von ihnen wohnen deutlich mehr Menschen als in anderen. Dazu kam die Briefwahl, die in sechs Bezirke unterteilt war. Die Stimmen werden in der Regel unmittelbar nach der Wahl gezählt und mit einer sogenannten „Schnellmeldung“ dem Wahlleiter mitgeteilt – so ist es in der sächsischen Landeswahlordnung festgelegt. Die Ergebnisse sowohl für die ganze Wahl als auch für die einzelnen Bezirke finden sich auf der Seite der Stadt Meißen. Im öffentlich verfügbaren Datensatz lassen sich die einzelnen Stimmen nachvollziehen.
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bundeswahlleiterin.de
revosax.sachsen.de
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Bei der Wahl in Meißen hat als erstes das Wahllokal 5 am Innovationszentrum Meißen die Ergebnisse gemeldet – und zwar um 18:22 Uhr. Das bestätigt uns auf Anfrage auch eine Sprecherin der Stadt Meißen. Im Wahllokal 5 haben 419 Menschen abgestimmt: 207 für AfD-Kandidat Jurisch, 183 für Renner. Jurisch hatte also nach der Auszählung dieses ersten Wahllokals tatsächlich die Nase vorn.
Das änderte sich jedoch mit den Ergebnissen aus den nächsten zwei Wahlbezirken. Im Wahllokal 7 an der Afra-Grundschule wählten 425 Menschen: 157 für Jurisch, 204 für Renner. Und auch im ersten Bezirk der Briefwahl lag Renner mit 472 Stimmen vorn, Jurisch bekam dort nur 97 Stimmen. Rechnet man diese drei Wahllokale zusammen, kommt man auf 461 Stimmen für Jurisch und 859 für Renner. Weitere 138 Stimmen holte FDP-Kandidat Martin Bahrmann. Damit kommt man genau auf die Prozentangaben aus der zweiten Grafik: 31,62 Prozent für Jurisch und 58,92 Prozent für Renner.
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Auf Anfrage bestätigt eine Sprecherin der Stadt die Ergebnisse und die Darstellung auf den Grafiken. „Wahllokal 007 und Briefwahl 01 hat der AfD-Kandidat nun mal deutlich verloren. Damit ist der deutliche Anstieg dann auch zu erklären“, schreibt sie uns per E-Mail. Der Gemeindewahlausschuss habe das Ergebnis am Tag nach der Wahl bestätigt, ergänzte sie. Es gebe keine Hinweise auf Wahlbetrug oder Manipulation. Die vielen städtischen Mitarbeiter, die sich als Wahlhelferinnen engagieren, seien „immer wieder neu schockiert von solchen Unterstellungen, die besonders in den letzten Jahren bei jeder Wahl gestreut werden.“
Kontext zum AfD-Kandidaten: Offiziell war René Jurisch als parteiloser Kandidat angetreten. Das liegt laut Medienberichten an seiner Vergangenheit: Er war bis Ende 2020 Teil der NPD-Führung in Meißen. Er darf deswegen kein AfD-Mitglied werden, weil die Partei einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der NPD hat. Schon bei der Kommunalwahl unterstützte ihn aber die AfD. Jurisch trägt auf seinem Oberarm als Tattoo eine Schwarze Sonne, ein in der Neonazi-Szene beliebtes Symbol.
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Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Viktor Marinov; Redigatur: Matthias Bau