Ja, Deutschland ist der größte Nettozahler der EU – aber nicht das Land mit dem geringsten Vermögen
Oft wird bei Kritik an der EU betont, Deutschland zahle mehr in den Haushalt ein als es zurück erhalte. Auf der Webseite „Fimico“ wird den EU-Beiträgen das Median-Vermögen der Deutschen gegenübergestellt. Dabei haben die beiden Zahlen nichts miteinander zu tun.
Auf der Webseite Fimico wird in einem Artikel vom 19. Mai behauptet, Deutschland zahle am meisten an die EU, während die Bürger immer ärmer würden. Im Text heißt es: „Der Median des Vermögens in der ganzen EU liegt bei zirka 109.000 €, der deutsche Median liegt mit etwas mehr als 51.000 € pro Kopf unter der Hälfte dieses Wertes – und trotzdem ist es Deutschland, was den höchsten Netto-Betrag (Überweisung an die EU – Transferzahlungen von der EU) an die Union überweist.“
CORRECTIV hat diese Aussage überprüft.
Korrekt ist: Deutschland ist das Land, das am meisten an die EU zahlt. Die neuesten Daten der Europäischen Kommission sind von 2017. Für das Jahr wird für Deutschland eine Bilanz von minus 10,7 Milliarden angegeben. Damit ist Deutschland der größte Nettozahler der EU.
Deutschlands Zahlungen entsprachen 0,32 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts. Damit liegt es laut Bundeszentrale für politische Bildung auf dem ersten Platz im Ländervergleich.
Berücksichtigt werden sollte bei einem solchen Vergleich, dass Deutschland auch das EU-Land mit dem größten nominalen Bruttoinlandsprodukt 2018 ist.
Es gibt verschiedene Zahlen, die als Beleg für den Wohlstand oder die Armut einer Gesellschaft herangezogen werden können. In dem Fimico-Artikel wird das Median-Vermögen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern genannt. Der Median ist nicht der Durchschnitt sondern teilt die Daten in zwei Hälften. Als Quellen werden der „Global Wealth Report“ der Credit Suisse Bank und eine Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) genannt. Beide sammeln Daten auf unterschiedliche Weisen, daher unterschieden sich die Werte.
Vermögen in Deutschland ungleich verteilt
Die aktuellste Version der EZB-Umfrage ist von 2016, sie bezieht sich größtenteils auf Daten aus dem Jahr 2014. Auf Seite 120 steht, wie das Median-Vermögen der Länder im Vergleich ist, eine anschauliche Grafik auf Seite 46 zeigt den Median im Verhältnis zur Vermögensspanne. Der von Deutschland ist im Vergleich gering, ist aber nicht nicht der geringste: fünf Länder liegen darunter, zum Beispiel Polen, Estland oder die Slowakei.
In der Studie wird auch erklärt, die Unterschiede in der Vermögensverteilung der Länder seien durch verschiedene Faktoren bedingt, die schwer zu quantifizieren seien. Ein wichtiger Faktor ist der Immobilienbesitz, also der Anteil der Hausbesitzer zu dem der Mieter in einem Land. Deutschland sei historisch bedingt ein Mieter-Land, wird bereits in der EZB-Umfrage von 2013 klargestellt. Und auch für die Version von 2016 heißt es: „Länder mit einem höheren Anteil von Mietern, so wie Deutschland und Österreich, haben tendenziell eine ungleichere Verteilung von Vermögen (unter allen Haushalten).“
Betrachtet man die Vermögensverteilung nach Mietern und Hausbesitzern in den EU-Ländern, ist Deutschland im Mittelfeld angesiedelt.
Das Vermögen in Deutschland ist ungleich verteilt. Laut dem „Global Wealth Report“ der Credit Suisse 2018 liegt Deutschland weltweit beim durchschnittlichen Vermögen auf Platz 4. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen lag 2018 bei 214.893 Dollar. Das Median-Vermögen pro Erwachsener dagegen nur bei 35.169 Dollar. Die Zahlen finden sich im „Global Wealth Databook 2018“, das man auf der Webseite von Credit Suisse herunterladen kann. Es gibt EU-Länder, in denen dieser Wert deutlich höher ist, wie Frankreich (106.827 Dollar pro Erwachsener). Aber auch Länder mit deutlich niedrigerem Median-Vermögen, wie Ungarn (15.026 Dollar pro Erwachsener). Wirklich vergleichbar sind diese Zahlen nicht, da auch die Lebenskosten in den Ländern verschieden sind.
Wird Deutschland immer ärmer?
Zudem ist die Aussage, Deutschland werde immer ärmer, falsch – sowohl beim Median-Vermögen als auch beim durchschnittlichen Vermögen pro Erwachsener. Ein Vergleich der Daten des „Global Wealth Reports“ seit 2000 zeigt, dass das Median-Vermögen in Deutschland zwar Schwankungen unterliegt, aber über die Zeit kontinuierlich angestiegen ist. 2000 lag es bei 13.793 Dollar pro Kopf, also mehr als 20.000 Dollar unter dem aktuellsten Wert. Und das Durchschnittsvermögen stieg in Deutschland von etwa 100.000 Dollar auf mehr als 200.000 Dollar.
Artikel nutzt alte Zahlen
Der Fimico-Artikel verweist als Quelle auf einen Welt-Artikel aus dem Jahr 2013. Darin geht es um die erste Haushaltsbefragung im Euroraum zu Finanzen und Konsum durch die EZB. Sie wurde 2013 veröffentlicht, die Umfrage wurde jedoch größtenteils 2010 durchgeführt. Deutschland belegte damals beim Median-Vermögen den letzten Platz in der EU. 51.400 Euro betrage das Median-Vermögen der Haushalte in Deutschland, während der Schnitt der EU bei 109.000 Euro liege, heißt es in dem Bericht der EZB.