Gesundheit

Nein, Grippe-Impfstoffe in Deutschland enthalten kein Quecksilber

Ein Artikel behauptet, Grippe-Impfungen enthielten Quecksilber in giftigen Mengen und führt damit in die Irre. In den USA wird teilweise eine Art Quecksilber als Konservierungsmittel eingesetzt, es gilt aber in so geringen Mengen als unbedenklich. In Deutschland enthalten normale Grippe-Impfstoffe kein Quecksilber.

von Alice Echtermann

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Impfstoffe in Deutschland enthalten nach Angaben des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts kein Quecksilber. (Symbolfoto: Hyttalo Souza / Unsplash)
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Größtenteils falsch. In Deutschland zugelassene, normale Grippe-Impfstoffe enthalten kein Quecksilber. Eine Ausnahme gibt es nur für Impfstoffe im Falle einer Pandemie. In den USA wird Quecksilber ebenfalls nur in Behältern für mehrere Impfungen hinzugefügt. Die Menge gilt als unbedenklich.

Die Seite Unsere Natur behauptet in einem Artikel vom 4. Oktober, in Grippe-Impfstoffen sei 25.000 Mal mehr Quecksilber enthalten, als im Trinkwasser erlaubt sei. Als angeblichen Beweis bezieht der Text sich auf einen Impfstoff in den USA namens FluLaval: „In Impfstoffampullen des britischen Pharmariesen GlaxoSmithKline fanden sich mehr als 51 Teile pro Million (ppm) Quecksilber, das ist 25.000 Mal mehr als die von der US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) für das Trinkwasser festgelegte Obergrenze.“

Unsere Natur behauptet weiter, dies sei zuvor nicht bekannt gewesen, da „Aufsichtsbehörden des Landes“ bisher selbst keine Sicherheitstests durchgeführt hätten. Somit würden sich weltweit jedes Jahr „Millionen Menschen“ unwissend „giftiges Metall“ spritzen lassen, „schwangere Frauen, kleine Kinder und ältere Menschen“ würden dazu sogar ermuntert. 

 

Der Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mindestens 7.000 Mal auf Facebook geteilt. CORRECTIV-Recherchen zeigen: Die Behauptungen sind größtenteils falsch. 

Eine Form von Quecksilber dient teilweise als Konservierungsmittel in Impfstoffen

Tatsächlich kann eine Form von Quecksilber in Grippe-Impfstoffen enthalten sein. Es handelt sich um den Stoff Thiomersal, der Ethyl-Quecksilber enthält. Er wird als Konservierungsmittel eingesetzt, um das Wachstum von Bakterien zu verhindern.

Die Food and Drug Administration (FDA), die Lebens- und Arzneimittelbehörde in den USA, hat den Beipackzettel des Grippe-Impfstoffes FluLaval veröffentlicht. Auf diesen verweist auch Unsere Natur. In dem Beipackzettel steht, dass Thiomersal (Englisch: thimerosal) nur in Behältern mit mehreren Dosen Impfstoff enthalten sei. Also in Flaschen, aus denen mehrere Personen geimpft werden. Im Gegensatz dazu enthielten die Einzel-Spritzen kein Quecksilber: „The prefilled syringe is formulated without preservatives and does not contain thimerosal. Each 0.5-mL dose from the multi-dose vial contains 50 mcg thimerosal (<25 mcg mercury) […].“ (Deutsch: Die vorgefüllte Spritze wird ohne Konservierungsmittel angemischt und enthält kein Thiomersal. Jede 0,5-ml-Dosis von der Multi-Dosis-Phiole enthält 50 Mikrogramm Thiomersal (< 25 Mikrogramm Quecksilber)). 

Die Grenze für Quecksilber im Trinkwasser in den USA bezieht sich auf „inorganic mercury“ (anorganisches Quecksilber) und liegt laut der US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency bei 0,002 Milligramm pro Liter. Also zwei Mikrogramm pro Liter. So kommt der angeblich 25.000 Mal höhere Wert für Impfstoffe zustande, den der Artikel von Unsere Natur nennt: Ein Liter des Impfstoffes FluLaval enthält laut dem Beipackzettel theoretisch 50.000 Mikrogramm Quecksilber; das ist 25.000 Mal mehr als der Grenzwert für Trinkwasser in den USA. 

Allerdings ist dieser Bezug stark irreführend, denn bei den Wasser-Grenzwerten ist anorganisches Quecksilber gemeint – eine ganz andere Form, als die, die in Impfstoffen enthalten sein kann. Bei Impfstoffen wird organisches Quecksilber eingesetzt, genauer gesagt Ethyl-Quecksilber. (PDF, Seite 1 und 2). 

Was ist der Unterschied der Quecksilber-Arten?

Thiomersal oder Ethyl-Quecksilber ist laut dem Paul-Ehrlich-Institut, das für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig ist, und dem Robert-Koch-Institut in geringen Dosen unbedenklich. Es sei jahrelang als Konservierungsmittel in Impfstoffen eingesetzt worden. Ethyl-Quecksilber wird laut WHO vom Körper wesentlich schneller abgebaut als Methyl-Quecksilber. 

Vor Methyl-Quecksilber warnen unter anderem die US-Umweltbehörde EPA und das deutsche Umweltbundesamt. Es gelange vor allem über Fische in die Nahrungskette. Es entsteht aus anorganischem Quecksilber, das im Wasser durch Mikroorganismen in organisches Methyl-Quecksilber umgewandelt wird. 

Die US-amerikanische Food and Drug Administration schreibt, Ethyl-Quecksilber müsse von Methyl-Quecksilber unterschieden werden. „Methyl-Quecksilber ist die Art von Quecksilber, die in bestimmten Fischarten gefunden wird. Bei hoher Konzentration kann es für Menschen giftig sein. In den Vereinigten Staaten halten staatlichen Richtlinien Methyl-Quecksilber so weit es geht aus Umwelt und Nahrungsmitteln heraus, aber innerhalb eines Lebens ist jeder einer gewissen Menge ausgesetzt.“

Die Menge von 25 Mikrogramm Ethyl-Quecksilber, die in Grippe-Impfstoffen in den USA enthalten sein kann, entspricht laut FDA ungefähr der Menge Quecksilber, die in einer Dose mit etwa 85 Gramm Thunfisch enthalten sein könne. 

Impfstoffe in Deutschland enthalten kein Quecksilber 

Das Robert-Koch-Institut schreibt auf seiner Webseite, Pharmahersteller hätten auf die Debatte um Quecksilber in Impfstoffen reagiert: „Für alle generell empfohlenen Schutzimpfungen sind inzwischen quecksilberfreie Impfstoffe verfügbar.“ 

Aktuell seien alle in Deutschland zugelassenen Impfstoffe frei von Thiomersal, teilte uns auch eine Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts, Susanne Stöcker, per E-Mail mit. Eine Ausnahme gebe es nur für Grippe-Impfstoffe in Mehrdosenbehältnissen, die aber nur im Falle einer Grippe-Pandemie eingesetzt würden und nicht bei den normalen Impfungen. Die normalen Impfungen würden mit Fertigspritzen durchgeführt, die eine einzige Dosis Impfstoff enthalten und somit nur einmal verwendet werden.  

Auszug aus der E-Mail der Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts. (Screenshot: CORRECTIV)

FluLaval sei weder in Deutschland noch zentral von der EU zugelassen, so Stöcker. In einer Liste der aktuellen saisonalen Grippe-Impfstoffe des Paul-Ehrlich-Instituts wird FluLaval nicht genannt. Von der Firma GlaxoSmithKline sind nur zwei Impfstoffe dabei: Influsplit Tetra und Fluarix. In den offiziellen Dokumenten dazu, die jeweils auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts verlinkt werden, findet sich kein Hinweis auf Thiomersal.