Wie Trump den rechten Verschwörungsmythos vom „Genozid an Weißen“ in Südafrika befeuert
Als Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa zu Besuch im Weißen Haus war, legte ihm US-Präsident Donald Trump angebliche Belege für einen „Genozid an weißen Farmern“ in Südafrika vor. Wir haben einige davon geprüft und uns das Verschwörungsnarrativ genauer angeschaut.

Als der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa im Mai bei US-Präsident Donald Trump im Oval Office zu Gast war, sprachen Medien von einem Eklat und diplomatischem Hinterhalt. Trump warf Ramaphosa vor, in Südafrika geschehe ein Genozid an der weißen Minderheit im Land. Der US-Präsident zeigte mehrere gedruckte Artikel und Fotos sowie mehrere Videos, die Gewalt, Mordaufrufe sowie Morde an weißen Farmern belegen sollen.
Eine Konfrontation zwischen den beiden Präsidenten hatte sich abgezeichnet. Im Februar hatte Trump unter anderem mit Hinweis auf den angeblichen Genozid angewiesen, jegliche Hilfen für das Land einzustellen. Mitte Mai kamen die ersten weißen Südafrikaner in die USA – Trump hatte für sie eine Ausnahme seiner restriktiven Flüchtlingspolitik angekündigt, die sonst sogar Menschen aus Kriegsgebieten Asyl verwehrt.
Wir haben uns Trumps Vorwürfe und angebliche Belege genauer angeschaut und recherchiert, woher die Theorie des weißen Genozids in Südafrika kommt.
Elon Musk und das Enteignungsgesetz in Südafrika: Neuer Aufwind für ein altes Narrativ
Die Behauptung von Trump ist nicht neu. 2018 schrieb der US-Präsident in einem Tweet, er habe den damaligen Außenminister angewiesen, „die Beschlagnahmungen und Enteignungen von Land und Farmen in Südafrika sowie die massenhafte Tötung von Bauern genau zu untersuchen“. Neuen Aufschwung bekam die Behauptung im Weißen Haus dann durch Elon Musk, selbst gebürtiger Südafrikaner und ebenfalls Anhänger des Verschwörungsglaubens eines „Weißen Genozids“, den er regelmäßig auf seiner Plattform X verbreitet.

Angeheizt wurde das Narrativ zudem von einem Enteignungsgesetz, das Ramaphosa im Januar 2025 unterzeichnete. Es soll ein altes Enteignungsgesetz von 1975 ersetzen, ist aber noch nicht in Kraft: Es würde dem Staat erlauben, Land „für einen öffentlichen Zweck oder im öffentlichen Interesse“ zu enteignen – beides ist so bereits in in der südafrikanischen Verfassung von 1996 als Teil einer Landreform festgeschrieben. Allerdings dürfen die Enteignungen nicht willkürlich erfolgen – wie vielfach unter anderem von Trump behauptet – sondern der Staat muss laut Gesetz in den allermeisten Fällen eine Entschädigung zahlen und Betroffene können Entscheidungen vor Gericht anfechten.
Worum geht es bei dem Enteignungsgesetz?
Bei dem Enteignungsgesetz geht es einerseits um Land, das für den Ausbau von Straßen oder Staudämmen benötigt wird. Auch in der US-Verfassung und dem deutschen Grundgesetz gibt es solche Regelungen zur Enteignung. Andererseits geht es in Südafrika zusätzlich darum, eine gerechte Verteilung von Landbesitz – eine Landreform – durchzusetzen. In der Verfassung stehen beide Möglichkeiten zur Enteignung seit fast 30 Jahren – es wird mit dem neuen Gesetz lediglich in eine aktuelle rechtliche Form gegossen. Streit sowie verfassungsrechtliche Bedenken gibt es aber hinsichtlich der Frage, ob der Staat Landbesitzer, wenn auch nur in Ausnahmefällen, ohne eine Entschädigung enteignen dürfte.
Um zu verstehen, warum die Verfassung Südafrikas eine Landreform verlangt, muss man den historischen Kontext kennen: Mit dem sogenannten „Natives Land Act“ von 1913 beraubte die weiße Minderheit in Südafrika die indigene Schwarze Bevölkerung ihrer wirtschaftlichen Grundlage. Sie wurde vertrieben, umgesiedelt und durfte ab diesem Zeitpunkt nur noch sieben Prozent des Landes nutzen. Die südafrikanische Regierung bezeichnet den „Natives Land Act“ als „Ursünde der Apartheid“, die dem „seit der Kolonialzeit andauernden Enteignungsprozess eine gesetzliche Form verlieh“. Die weiße Minderheit im Land macht laut den aktuellsten verfügbaren Daten von 2022 nur etwa sieben Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Trotzdem besitzt sie laut offiziellen Daten von 2017 72 Prozent der landwirtschaftlich von Einzelbesitzern genutzten Fläche.
Was bedeutet Apartheid?
Hinweis: In diesem Abschnitt geht es um das rassistische Apartheidsregime in Südafrika. Dabei werden teilweise historische rassistische Begriffe in Anführungszeichen verwendet.
Als Apartheid wird das nach jahrhundertlanger Kolonialisierung eingeführte politische System der „Rassentrennung“ in Südafrika bezeichnet. Der Begriff „Rasse“ ist selbst rassistisch, es gibt keine menschlichen „Rassen“.
Burische Nationalisten – hauptsächlich Nachfahren niederländischer Kolonisten – führten die Trennung ab 1948 ein, Grundlagen der Apartheid entstanden aber bereits davor unter britischer Herrschaft. Die weiße Minderheit im Land bestimmte in 148 Gesetzen, wo nicht-weiße Menschen – die sie neben der weißen in verschiedene „Rassen“ aufteilten – leben und arbeiten, was sie besitzen, wen sie heiraten und wo sie sich bewegen durften. Die weiße Minderheit bekam die besten Grundstücke, Millionen Menschen wurden zwischen 1960 und 1980 vertrieben und zwangsumgesiedelt. Apartheid als politisches System endete 1994 nach langem Widerstand mit den ersten freien Wahlen, an denen alle Südafrikaner teilnehmen durften. Die Folgen der Apartheid halten aber mit sozialen, wirtschaftlichen und räumlichen Ungleichheiten bis heute an.
Die Zahlen: Es gibt keinen Genozid an der weißen Minderheit in Südafrika
Trump behauptet, die weiße Minderheit in Südafrika sei einem Genozid ausgesetzt. Ein Genozid ist laut den Vereinten Nationen durch die Absicht gekennzeichnet, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen“. Bei Völkermorden in der Vergangenheit, wie etwa dem an den Ovaherero und Nama in Namibia durch deutsche Kolonialtruppen (1904 bis 1908) oder der jüdischen Bevölkerung Europas während des Holocausts durch die Nationalsozialisten (1941 bis 1945), wurden zehntausende bis mehrere Millionen Menschen ermordet.
In Südafrika leben laut den aktuellsten Zahlen von 2022 (Seite 18) etwa 4,5 Millionen weiße Menschen. Zwar gibt es keine Zahlen ausschließlich zu Morden an weißen Farmern, doch schon die Mordzahlen an allen Farmern widersprechen seiner These: Laut der Kriminalstatistik der südafrikanischen Polizei (SAPS) gab es zwischen 2017 und einschließlich Frühjahr 2022 (hier, hier und hier) durchschnittlich etwa 55 Mordopfer auf Farmen pro Jahr, darunter auch Schwarze. Demgegenüber gab es in dem Zeitraum durchschnittlich pro Jahr mehr als 21.500 Morde im ganzen Land (hier), der Anteil an ermordeten Farmern ist verglichen damit also sehr gering.
Südafrikanisches Gericht bezeichnet „Weißen Genozid“ als „offensichtlich eingebildet“
Die Zahlen der Polizei weichen nicht stark von denen von „Afriforum“ ab, einem rechtsextremen Verein, der die Interessen der Buren international vertritt und seit Jahren vor einem „weißen Genozid“ warnt. Buren (niederländisch für „Bauern“) heißen die europäischstämmigen weißen Südafrikaner. Für die Jahre 2019 bis 2022 geht Afriforum in einem Bericht von etwas mehr als 200 Morden auf Farmen aus, durchschnittlich also etwa 53 pro Jahr – auch in diesen Zahlen sind nicht nur weiße Farmer enthalten. Die Daten wurden laut „Afriforum“ im Austausch mit der Polizei, privaten Sicherheitsfirmen, Opfern und Medien zusammengetragen.
Für die Zeit nach März 2022 sind Daten zu Morden auf Farmen nur noch vereinzelt in vierteljährlichen Polizeistatistiken zu finden. Aus den vorhandenen Berichten lässt sich aber grundsätzlich kein steigender Trend erkennen. Von April 2024 bis März 2025 etwa gab es insgesamt 42 Morde auf Farmen – dazu zählen neben den Farmern auch Morde unter anderem an Landarbeitern und Angestellten (hier, hier, hier und hier). Zur Einordnung: Als Reaktion auf Trumps Behauptungen erklärte der südafrikanische Polizeiminister, 16 der 18 getöteten Menschen auf Farmen zwischen Oktober 2024 und März 2025 seien Schwarze gewesen.
Auch wenn man weiter in die Vergangenheit zurückgeht, ergibt sich kein Bild eines Genozids. Zahlen ab 1990 zu Farmmorden hat die Transvaal Agricultural Union (TLU/TAU) gesammelt, eine Gewerkschaft hauptsächlich für weiße Farmer – die für ihre Statistiken seit 2015 mit Afriforum zusammenarbeitet. In einer eigenen Analyse, die die Faktencheck-Redaktion von AFP veröffentlichte, kommt die Gewerkschaft auf rund 64 Morde auf Farmen pro Jahr seit 1990.
Im Februar 2025 hatte ein südafrikanisches Gericht den Vorwurf eines „Weißen Genozids“ als „offensichtlich eingebildet“ und „nicht real“ zurückgewiesen.
Ein alter Anti-Apartheidssong, ein Video von „Grabstätten“ und ein Foto von Leichensäcken – die vermeintlichen Belege im Oval Office
Bei Ramaphosas Besuch im Weißen Haus legte Trump mehrere angebliche Beweise für den Genozid in Südafrika vor.
In dem ersten Teil des Videos, das Trump vorführte, ist Julius Malema zu sehen, der Kopf der Economic Freedom Fighters, eine linksradikale Partei in Südafrika. Malema ist eine kontroverse Persönlichkeit, 2012 wurde er aus der größten Partei, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC), ausgeschlossen. Seine eigene Partei ist aktuell die drittgrößte Oppositionspartei.

Im Video ist unter anderem zu hören, wie Malema das Anti-Apartheidslied „Kill the Boer“ („Tötet den Buren“) singt. Malema singt das Lied regelmäßig und wies die Anschuldigung zurück, er habe mit dem Lied zum Mord an weißen Farmern aufgerufen. Der Begriff Buren stünde nicht für Individuen, sondern ein „System der Unterdrückung“, erklärte er. 2022 sagte er gegenüber dem Obersten Gerichtshof, das Lied sei nicht wörtlich zu nehmen. Der Gerichtshof stützte diese Interpretation damals und erneut im März 2025, als es gegen ein Verbot des Liedes entschied.
Das Lied ist in Südafrika dennoch umstritten – sowohl Vertreter der ANC als auch der zweitgrößten Partei, der Demokratischen Allianz, kritisieren seine Verwendung und gehen dagegen vor – die ANC verpflichtete sich bereits 2012, das Lied nicht mehr zu singen. Darauf weist auch Ramaphosa beim Besuch im Weißen Haus hin: Er sagte, die bei Malemas Auftritt verwendete Phrase sei – anders als Trump es suggerierte – keine Regierungspolitik.
Trump zeigt Video von inoffizieller Gedenkstätte für weiße Bauern, nicht „Grabstätte“
„Das sind Grabstätten für mehr als tausend weiße Farmer“, sagte Trump anschließend zum zweiten Teil des Videos. Zu sehen seien mehr als „tausend weiße Kreuze“ an einer Straße, erklärte Trump, jedes davon stehe für einen Mord an einem weißen Farmer und seiner Familie. Ramaphosa fragte nach dem konkreten Ort des Videos, weil er es noch nie gesehen habe.

Wir haben das Video schon mal gesehen: Vor knapp zwei Jahren kursierte es bereits in Sozialen Medien, auf Deutsch und international. Damals hieß es: „Ein Kreuz für jeden weißen Bauern, der zwischen 2018 und 2022 in Südafrika getötet wurde.“

Damals wie heute: Die Interpretation des Videos ist falsch. Es gab in diesen Jahren keine tausende Morde an weißen Farmern. Zu sehen sind in dem Video auch keine Grabstätten, sondern eine inoffizielle Gedenkstätte. Das Video ist von 2020 und bei einer Gedenkveranstaltung an einer Straße in der Nähe der südafrikanischen Stadt Newcastle aufgenommen worden – das fand die New York Times heraus. Zuvor war in der Gegend ein weißes Farmerpaar ermordet worden, wie Medien und Polizei berichteten. Inzwischen wurden die Täter verurteilt. Dass das Video dort aufgenommen wurde und die Kreuze mittlerweile entfernt seien, bestätigten Anwohner und Organisatoren der Gedenkveranstaltung der BBC.
Solche Gedenkstätten sind nicht unüblich – 2003 wurden an einem Highway in Centurion 1.500 weiße Kreuze aufgebaut, wie die südafrikanische Medienwissenschaftlerin Nechama Brodie in einem Buch über Farmmorde schreibt. Die Anzahl der Kreuze war damals laut Brodie mehr als doppelt so hoch wie die Mordzahl an Farmern insgesamt.
Foto von Leichensäcken zeigt keine weißen Bauern in Südafrika, sondern stammt aus dem Kongo
Zuletzt zeigt Trump Ramaphosa mehrere angebliche Medienberichte über Todesfälle „der letzten Tage“ in Südafrika. Manche der Artikel sind nicht deutlich genug zu erkennen, um sie zu prüfen. Doch einige sind offensichtlich keine Belege: So zeigt Trump beispielsweise einen Artikel von Februar 2025 der britischen Zeitung Daily Mail, der sich mit den Motiven weißer Südafrikaner beschäftigt, die in die USA fliehen wollen. Anschließend zeigt er einen weiteren Artikel und sagt: „Hier sind überall Grabstätten, alles sind weiße Bauern, die begraben werden.“

Das stimmt nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters erklärte, das Foto sei ein Screenshot aus einem Videobericht über die Demokratische Republik Kongo. Es sei von Reuters am 3. Februar 2025 veröffentlicht worden und zeige humanitäre Helfer beim Heben von Leichensäcken in der Stadt Goma nach tödlichen Kämpfen mit Rebellen.
Welche Interessen Trumps und Musks hinter dem erfundenen Narrativ stecken könnten
Es ist unklar, warum Donald Trump das erfundene Narrativ des „Weißen Genozids“ seit Jahren immer wieder befeuert. Manche vermuten eine Einflussnahme durch Elon Musk, der in Südafrika seinen Internet-Satellitendienst Starlink betreiben will, aber die gesetzlichen Vorgaben ablehnt, wonach mindestens 30 Prozent des Unternehmens im Besitz historisch benachteiligter Gruppen sein müssen. Laut einem Bericht des Guardian setzt sich Afriforum für Musk ein, indem es behauptet, Starlink werde daran gehindert, in Südafrika Geschäfte zu machen, weil es „zu weiß“ sei und „strengen rassistischen Kriterien“ unterliege.
Andere sehen Südafrikas Außenpolitik als eigentliches Ziel: Das Land ist Teil der BRICS-Vereinigung, zu der auch Russland, China und der Iran gehören und die eine engere, insbesondere wirtschaftliche Zusammenarbeit planen. Südafrika unterhält zudem diplomatische Beziehungen zum Iran und gilt als Kritiker Israels. Ende 2023 hat Südafrika Klage gegen Israel wegen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof eingereicht.
Redigatur: Max Bernhard, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Enteignungsgesetz, 24. Januar 2024: Link (PDF, archiviert, Englisch)
- Südafrikanische Verfassung: Link (archiviert, Englisch)
- Zensus Südafrika 2022: Link (PDF, archiviert, Englisch)
- Kriminalstatistiken südafrikanische Polizei unterschiedlicher Jahre: Link, Link, Link, Link, Link, Link, Link und Link ( alle PDF, Englisch, archiviert)