Keine Belege für Verbrennungsöfen im US-Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“
Auf Tiktok wird das Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“ in den USA als „Auschwitz 2.0“ bezeichnet, weil dort angeblich Verbrennungsöfen installiert seien. Verschiedene Versionen des Gerüchts gehen viral, obwohl es dafür keine Belege gibt.

Inmitten der Sumpfgebiete des US-Bundesstaats Florida hat die US-Regierung innerhalb von acht Tagen ein neues Abschiebegefängnis mit bis zu 5.000 Betten gebaut. Grund ist, dass die Zahl der Festnahmen von „illegalen Migranten“ in den USA auf 3.000 pro Tag steigen soll. Mehrere Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA rund elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltspapiere leben – die meisten arbeiten.
US-Präsident Donald Trump nennt das Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“, da Alligatoren rund um den abgelegenen Ort leben. Trump hatte das Gelände am 1. Juli 2025 erstmals besucht – zwei Tage später zogen laut der Abteilung für Notfallmanagement von Florida die ersten Gefangenen ein. Ihnen wird laut Medienberichten das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verweigert. Etliche Probleme am Bau könnten zudem die Sicherheit der Menschen vor Ort gefährden.
Auf Tiktok kursiert indes ein noch schlimmerer Vorwurf: „Trump baut Auschwitz 2.0“, sagt ein Nutzer zu einem Beitrag, der mehrere Öfen zeigt, die angeblich in „Alligator Alcatraz“ stehen sollen. Der Nutzer sagt, „sowas ähnliches gabs auch in Auschwitz“ – eine Anspielung auf das größte deutsche Konzentrationslager, in dem das NS-Regime unter Adolf Hitler Millionen Menschen ermordet und verbrannt hatte. Doch dieser Vergleich ist haltlos.

CORRECTIV.Faktencheck hat das Video der Öfen geprüft – es zeigt Anlagen zur Müllverbrennung und hat mit dem Gefängnis in den USA nichts zu tun. Laut demokratischen Oppositionellen in Florida waren am 12. Juli keine solchen Öfen in der Anlage zu sehen. Die US-Regierung spricht von „Fake News“.
Verbrennungsöfen in „Alligator Alcatraz“? So verbreitete sich das Gerücht auf Tiktok
Das Gerücht setzte eine Tiktok-Nutzerin am 2. Juli 2025 in die Welt, die sich in ihren Videos mehrfach gegen die von Trump geführte US-Regierung ausgesprochen hat.
Die Nutzerin behauptete am 2. Juli: Ein Nachbar habe ihr vor ein paar Tagen erzählt, dass seinem Cousin ein Auftrag für die Errichtung von Verbrennungsöfen in „Alligator Alcatraz“ angeboten worden sei. Nachdem sie gehört hatte, was Trumps Pressesprecherin dazu sagte, sei die Erzählung für sie kein Gerücht mehr.
Pressesprecherin Karoline Leavitt hatte am Tag zuvor die „größte Massendeportationskampagne in der amerikanischen Geschichte“ angekündigt – und den Besuch von Trump im Abschiebegefängnis angekündigt.

Die Videos der Tiktok-Nutzerin sind inzwischen nicht mehr abrufbar. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck reagierte sie nicht. Für ihre Erzählung finden sich keine Belege und dennoch erreichte auch eine zweite Tiktok-Nutzerin mit dem gleichen Gerücht über fünf Millionen Aufrufe. Ihr Video, in dem sie sich korrigiert und sagt, es würden sich derzeit keine Verbrennungsöfen in „Alligator Alcatraz“ befinden, erhielt nur etwa 12.000 Aufrufe.
Dann erreichte das Gerücht Deutschland und mit ihm verbreitete sich das Video, das angeblich die Öfen vor Ort zeigen soll.
Unternehmen hinter den in Tiktok-Videos gezeigten Müll-Verbrennungsöfen dementiert die Behauptung
Um herauszufinden, woher das Video stammt, suchten wir nach „Incinerator“ (deutsch: Verbrennungsofen) auf Tiktok. Die Suche führte zum ursprünglichen Video aus März 2024. Der Sprecher darin sagt, die Öfen würden bei dem Unternehmen CT Sales in Dawson im US-Bundesstaat Minnesota stehen – das Tiktok-Profil gehört offenbar dem Besitzer des Unternehmens.
Ein Abgleich mit Google Maps bestätigt die Ortsangabe. Das ist an den Gebäuden und einem Mast in der Umgebung des Unternehmens CT Sales erkennbar. Das Video ist also nicht – wie behauptet – in „Alligator Alcatraz“ aufgenommen worden.

Ein Standbild aus dem Video verrät zudem, dass die Öfen vom US-Unternehmen Riverside Industries (RSI) stammen. Wir haben das Unternehmen kontaktiert. Jerome Waldner, der Assistent der Geschäftsführung, teilte uns mit, dass die Behauptung falsch sei. „Wir bauen Anlagen, um Müll zu verbrennen. Wir haben keine Verträge mit Alligator Alcatraz“, so Waldner.

Unternehmen, deren Beteiligung am Bau von „Alligator Alcatraz“ bekannt ist, produzieren keine Verbrennungsöfen
Auch sonst gibt es für die Behauptung nirgends Belege: Wie die US-Tageszeitung Miami Herald berichtet, gibt es mindestens neun staatliche Auftragnehmer, die am Bau des Abschiebegefängnisses beteiligt waren. Keiner von ihnen steht laut Eigenangaben in Verbindung mit dem Bau oder dem Vertrieb von Verbrennungsöfen.
Auf Fotos und Videos von „Alligator Alcatraz“ der Nachrichtenagenturen Associated Press (AP), Reuters und DPA sind keine Verbrennungsöfen sichtbar. Seitens der US-Regierung heißt es auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: „Das sind offensichtlich Fake News.“
Weder demokratische noch republikanische Abgeordnete berichten nach Besuch der Anlage von Verbrennungsöfen
Hinter dem amtierenden Präsidenten Donald Trump stehen die Republikaner, Demokraten bilden aktuell die Opposition in den USA. Demokratischen Abgeordneten wurden Besuche im Abschiebegefängnis zunächst verweigert. Erst am 12. Juli durften Vertreter beider Parteien an einem Rundgang teilnehmen. Telefone und Kameras mussten außerhalb der Einrichtung bleiben, wie AP schreibt. Journalisten wurde der Einlass verwehrt.

Die Republikaner lobten das Gefängnis anschließend, sie berichteten von Sauberkeit und guten Matratzen. Demokraten erzählten dagegen von „Käfigeinheiten mit je 32 Männern“, die sich drei kombinierte Toiletten-Waschbecken-Kombinationen teilten. Im medizinischen Aufnahmebereich herrschten Temperaturen von 29 Grad Celsius. Rufe wie „Ich bin ein amerikanischer Staatsbürger“ und „Libertad“ seien zu hören gewesen, es habe von Heuschrecken und anderen Insekten gewimmelt.
Keine der beiden Parteien erwähnte jedoch Verbrennungsöfen. Anna Eskamani, Abgeordnete der Demokraten im Repräsentantenhaus Floridas, schreibt über ihren Besuch im Abschiebegefängnis an CORRECTIV.Faktencheck: „Ich habe diese Verbrennungsöfen nicht gesehen, aber es war eine sehr strukturierte Tour, die vom Staat Florida durchgeführt wurde.“ Die Haftbedingungen seien Eskamani zufolge „beunruhigend“.
Wie sind die Haftbedingungen in „Alligator Alcatraz“?
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mobilisiert in den USA inzwischen mit einem Aufruf gegen „Alligator Alcatraz“: Es gebe „schockierende Berichte über Mückenschwärme, Lebensmittel mit Maden, fehlende Duschen und extreme Temperaturen“. Das sei erschreckend und inakzeptabel. „Und es ist ein Zeichen dafür, was uns bevorsteht, wenn wir nicht sofort aktiv werden, um dem ein Ende zu setzen.“
Laut AP schilderte ein ehemaliger Häftling die Haftbedingungen in „Alligator Alcatraz“ als „unmenschlich“. Eine Einwanderungsanwältin habe von ihrem Klienten erfahren, dass die medizinische Versorgung mangelhaft sei und gleich mehrere Anwälte sagten der Nachrichtenagentur gegenüber, dass Häftlingen „unter anderem das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verweigert werde und dass ihnen dadurch zahlreiche verfassungsmäßige Schutzrechte verwehrt würden“.
Dem Miami Herald zufolge sollen mehr als 250 der etwa 700 Häftlinge gegen Einwanderungsgesetze verstoßen haben, seien aber in den USA weder strafrechtlich verurteilt noch sei Anklage gegen sie erhoben worden (Stand: 13. Juli 2025).
Redigatur: Sarah Thust, Paulina Thom