Politik

Sommerinterview mit Markus Söder: Aussagen zu Bürgergeld und Flucht im Faktencheck

Am 3. August war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ZDF-Sommerinterview. Manche seiner Aussagen waren so nicht korrekt, andere unbelegt.

von Johannes Gille , Sara Pichireddu , Gabriele Scherndl , Paulina Thom

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Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und Parteivorsitzender der CSU bei einem Pressetermin Ende Juli 2025 (Foto: Matthias Balk / DPA / Picture Alliance)

Aktuell laufen die traditionellen Sommerinterviews von ZDF und ARD mit deutschen Spitzenpolitikerinnen und -politikern. Am 3. August 2025 war im ZDF der CSU-Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Gast

Im Gespräch mit Moderator Wulf Schmiese ging es unter anderem um die Wahlergebnisse der Union und den Umgang mit Geflüchteten in Bayern. Nicht alle Antworten von Söder waren so korrekt, für andere fehlen Belege. CORRECTIV.Faktencheck ordnet sie ein.

Schlechte Beleglage für Söders Behauptung, Hamas verhindere Zugang zu Hilfslieferungen in Gaza

„Die Hamas verhindert tatsächlich den Zugang – auch so offenkundig in den letzten Tagen vermittelt worden – zu Hilfsgütern.“

Bewertung: Unbelegt

Vor Beginn des Sommerinterviews befragte ZDF-Journalist Wulf Schmiese Söder zu seiner Haltung zu Israel. Söder erklärte, Deutschland sei engster Partner von Israel. Israel sei angegriffen worden und die Hamas halte bis heute Geiseln. Die Hamas veröffentlichte Propagandavideos mehrerer Geiseln in einem ausgehungerten Zustand. Die Terrororganisation verhindere in Gaza auch den Zugang zu Hilfsgütern, sagte Söder im Interview weiter.

Was genau Söder damit meint oder was seine Belege sind, bleibt unklar. Auf Nachfrage antworteten bis zur Veröffentlichung weder Söder, noch die CSU-Pressestelle. In den jüngsten Tagen berichtete etwa das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, über „Informationen“, wonach große Mengen an Hilfsgütern von der Hamas und kriminellen Organisationen zurückgehalten würden und erklärte gleichzeitig, dass Israel in der Pflicht stünde, die Versorgung im Gazastreifen sicherzustellen. Die DPA schreibt laut Tagesschau unter Berufung auf anonyme Experten, dass 50 bis 100 Prozent der Hilfsgüter, die in den Gazastreifen gelangen, von der Hamas oder anderen kriminellen Organisationen „abgezweigt“ würden. 

Die Quellenlage dazu ist jedoch unübersichtlich, die Beleglage schlecht. Denn es gibt auch gegenteilige Berichte. Bekannt ist: Zwischen Anfang März und Mitte Mai blockierte die israelische Regierung völkerrechtswidrig Hilfslieferungen nach Gaza vollständig. Seitdem kommt zwar wieder Nahrung durch die Vereinten Nationen und die von Israel und den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) in die Region, diese ist aber nicht ausreichend. Israel hatte der umstrittenen privaten Hilfsorganisation GHF im Mai die Ausgabe von Hilfslieferungen übertragen. In der Nähe ihrer Verteilzentren wurden in den letzten Monaten laut Medienberichten und UN-Angaben hunderte Palästinenserinnen und Palestinenser getötet.

Eine Begründung für den Einsatz der GHF war der angebliche systematische Diebstahl von UN-Hilfsgütern durch die Hamas. Die israelische Regierung lieferte dafür jedoch bislang keine ausreichenden Belege. Ende Juli gaben zwei hochrangige israelische Militärvertreter und zwei weitere anonyme Quellen gegenüber der New York Times an, die Hamas habe zwar kleinere Hilfsorganisationen bestohlen, das Militär habe aber nie Beweise für einen systematischen Diebstahl der UN-Hilfslieferungen durch die Hamas gefunden. Auch eine interne Analyse der US-Regierung, konkreter der US-Hilfsagentur USAID, über die Reuters Ende Juli berichtete, fand keine Belege für den von der israelischen Regierung behaupteten systematischen Diebstahl von Hilfsgütern durch die Hamas. Die UN hat die Behauptungen in der Vergangenheit immer wieder zurückgewiesen

CSU hatte zwar in Bayern das beste Wahlergebnis aller Parteien, nicht aber deutschlandweit

„Die CSU hat das beste Wahlergebnis erzielt aller Parteien in Deutschland […].“

Bewertung: Teilweise falsch

Vom Moderator auf ein „mieses“ Bundestagswahlergebnis angesprochen, widerspricht Söder: Die CSU habe „das beste Wahlergebnis aller Parteien in Deutschland“ erzielt. Das stimmt so nicht. Gewonnen hat die CSU in Bayern – das ist das einzige Bundesland, in dem die Partei antritt. Dort war sie mit rund 3,27 Millionen Erststimmen (41,2 Prozent) und rund 2,96 Millionen Zweitstimmen (37,2 Prozent) stärkste Kraft. So ein hoher Stimmenanteil in einem Bundesland war bei der Bundestagswahl 2025 nicht einmalig: In Sachsen und Thüringen erreichte die AfD im Vergleich mehr Stimmenanteile unter den Zweitstimmen, nämlich 37,3 und 38,6 Prozent.

Diese Stimmen bringen auf Bundesebene ein Ergebnis von 6,6 (Erststimmen) beziehungsweise 6,0 Prozent (Zweitstimmen) für die CSU. Auf Bundesebene ist die CSU in einer Fraktionsgemeinschaft mit der CDU, gemeinsam erreichten die Unionsparteien 28,6 Prozent der Zweitstimmen und damit die höchsten Stimmenanteile. Das ist das zweitschlechteste Wahlergebnis der Union seit 1949.

Bürgergeld hat kaum Einfluss auf die Beschäftigungsquote von ukrainischen Geflüchteten in Deutschland

„Es muss zum Beispiel auch bei den Ukrainern dafür gesorgt werden, dass Ukrainer nicht mehr im Bürgergeld sind. Und zwar am besten nicht nur für die, die in der Zukunft kommen, sondern für alle, weil [Deutschland] das einzige Land der Welt ist, [wo] das so stattfindet. Deswegen sind bei uns auch so wenige Menschen aus der Ukraine in Arbeit, obwohl sie eine gute Ausbildung haben.“

Bewertung: Größtenteils falsch

Etwas mehr als 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind im März 2025 in Deutschland unter den Bürgergeldbeziehenden. Das geht aus dem aktuellen „Migrationsmonitor“ der Bundesagentur für Arbeit hervor, einem monatlichen Bericht. Geflüchtete aus der Ukraine können unter den gleichen Voraussetzungen wie Deutsche Bürgergeld beziehen – eine Sonderregelung, die die aktuelle Regierung für neu ankommende Geflüchtete abschaffen will. Legt man die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 31. Dezember 2024 zu Grunde, dann bedeutet das, dass von rund 1,1 Millionen ukrainischen Menschen 64,6 Prozent Bürgergeld beziehen. Narrative, die mit dieser oder ähnlichen Zahlen Stimmung gegen Geflüchtete machen wollen, gibt es immer wieder. Wie wir bereits in diesem Faktencheck zeigten, ist die Quote aber kein Hinweis auf Arbeitsverweigerung oder gescheiterte Integration. 

Auf die Frage, auf welche Zahlen sich Söder hier konkret bezieht, erhielten wir bis Veröffentlichung keine Antwort. In einer im November 2024 veröffentlichten Studie untersuchte die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Situation ukrainischer Geflüchteter im europäischen Vergleich. Demnach lag Deutschland mit einer Beschäftigungsquote von etwa 27 Prozent im ersten Quartal 2024 unter Ukrainerinnen und Ukrainern „im europäischen Mittelfeld“. Seit 2022 stieg die Quote laut der Bundesagentur für Arbeit. Im Mai 2025 hatten demnach knapp 35 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer eine Arbeit. Der Großteil von ihnen war sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Grafische Darstellung der Bundesagentur für Arbeit.
Im Mai 2025 waren knapp 35 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer beschäftigt (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Deutschland ist außerdem nicht das einzige Land, das die Unterstützung für Ukrainerinnen und Ukrainer mit einer Sonderregelung sichert: In fast allen EU-Staaten haben ukrainische Geflüchtete einen besonderen Schutzstatus, in manchen erleichtert ihnen das den Zugang zum Arbeitsmarkt. In Belgien erhalten sie darüber hinaus beispielsweise staatliche Sozialhilfe. 

Wie steht es aber um Söders Behauptung, das Bürgergeld halte Ukrainerinnen und Ukrainer von der Arbeit ab? Dafür gibt es laut der Studie des IAB keine Belege. Vielmehr spielen demnach vor allem die Kinderbetreuung, soziale Netzwerke und auch gute Englischkenntnisse eine zentrale Rolle für die Integration in den Arbeitsmarkt. Darüber berichteten wir bereits im August 2023 und zuletzt im Juli 2025.

Anders als von Söder behauptet, stellen die Forschenden in ihrer Studie fest, dass sich zwischen sozialen Transferleistungen, also Unterstützung wie das Bürgergeld, und der Beschäftigungsquote, nur ein „statistisch nicht signifikanter“ Zusammenhang ergab. Sie betonen, Deutschland habe gute Chancen, die Beschäftigungsquoten unter ukrainischen Geflüchteten weiter zu erhöhen: mit langfristig angelegten Integrationsstrategien. 

Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier, hier und hier.

Korrektur, 5. August 2025: Wir haben Titelbild und Bildunterschrift getauscht.

Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard

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