Migration

Bei 83 getöteten Deutschen 2017 waren Ausländer tatverdächtig – aber nicht nur Flüchtlinge

In einem Artikel von „Volksbetrug“ wird behauptet, jeden vierten Tag werde ein Deutscher durch einen Ausländer getötet. Es handelt sich bei der Zahl allerdings um Tatverdächtige, außerdem nicht überwiegend um Asylbewerber oder Flüchtlinge.

von Alice Echtermann

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Zur Kriminalität von Ausländern kursiert ein irreführender Artikel auf Facebook. (Foto: Bild von cocoparisienne / Pixabay)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Die Zahl ist korrekt: Bei 83 getöteten Deutschen 2017 waren Ausländer tatverdächtig. Allerdings deutet der Artikel fälschlicherweise an, die Tatverdächtigen seien Flüchtlinge. Wesentlicher Kontext wird weggelassen.

Der Artikel von Volksbetrug stammt von September 2018 und wurde massiv in den sozialen Netzwerken geteilt. Seit Anfang Juni wird er wieder auf Facebook verbreitet, zum Beispiel von der Seite „Ich bin Christ“. Den Beitrag teilten Nutzer erneut mehr als 2.000 Mal. Auch die Facebookseite „Was Mainstream-Medien z.T. verschweigen“ teilte den Link zum Text.

Beitrag auf der Facebookseite „Ich bin Christ“ vom 5. Juni 2019. (Screenshot: CORRECTIV)

Der Volksbetrug-Artikel erschien im Kontext der Proteste in Chemnitz im vergangenen Jahr. Die waren ausgelöst durch den Totschlag eines Mannes, eines Deutschen, der mutmaßlich von einem Syrer verübt worden war.

Der Artikel beruft sich auf einen Bericht der Welt vom 2. September 2018. Darin werden die Zahlen genannt: In 83 Fällen sei 2017 das Opfer deutsch gewesen, und es sei mindestens ein Ausländer als Tatverdächtiger ermittelt worden. Das würde auf 365 Tage im Jahr gerechnet tatsächlich ungefähr alle vier Tage ein Todesopfer bedeuten. Allerdings betreffen die Zahlen nicht nur Tötungsdelikte an Deutschen durch Flüchtlinge, sondern durch alle Ausländer, also auch zum Beispiel von Franzosen oder Engländern. Insgesamt seien im Jahr 2017 in Deutschland 731 Menschen einem Mord oder Totschlag zum Opfer gefallen, berichtet die Welt weiter. Als Quelle für die Zahlen wird das Bundeskriminalamt (BKA) genannt.

Eine Pressesprecherin des BKA, Britta Schmitz, bestätigt auf Anfrage von CORRECTIV per E-Mail, die Zahlen seien korrekt. Die Welt habe sie selbst durch eine Presseanfrage erhalten; in den Berichten zur Polizeilichen Kriminalstatistik tauchen sie so nicht auf. Bei den 83 Fällen seien Personen tatverdächtig gewesen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen. Welche Staatsbürgerschaft sie hatten, wird nicht erfasst.

Antwort der Pressestelle des BKA auf die Anfrage von CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Korrekte Zahlen, falscher Bezug

Der Bericht von Volksbetrug enthält also korrekte Zahlen. Allerdings verschweigen die Autoren, dass die Statistik stets nur Tatverdächtige aufzeigt, nicht verurteilte Straftäter. Zudem vermischen sie die Zahl der 83 Toten mit Aussagen, die nahelegen, dass Flüchtlinge dafür verantwortlich gewesen seien. So heißt es in dem Text am Anfang: „Allein für 2017 hätten die Demonstranten beim Schweigemarsch in Chemnitz gestern 83 Plakate für von Ausländern getötete Deutsche zeigen können. Denn das ist offizielle Zahl, die jetzt das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichte.“ In dem Fall in Chemnitz, auf den sich diese Aussage bezieht, war einer der Tatverdächtigen ein syrischer Asylbewerber. Am Schluss des Artikels wird zudem angemerkt, die Fälle getöteter Deutscher seien seit 2015 gestiegen: „Zufälliger Weise (sic!) ist das genau der Zeitraum seit Beginn der ‘Flüchtlings’-Welle.“

Diese Aussagen sind irreführend. In den 83 Tötungsdelikten sind zwar auch solche enthalten, bei denen Asylbewerber oder Flüchtlinge tatverdächtig waren, wie BKA-Sprecherin Schmitz auf unsere Nachfrage telefonisch noch einmal bestätigte. Diese Taten machen aber nur einen kleinen Teil aus. „Ausländer“ sind eben nicht nur Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern alle Personen ohne deutschen Pass, also zum Beispiel auch Europäer.

Bei 13 Todesopfern waren Zuwanderer tatverdächtig

Als Zuwanderer werden Asylbewerber und -berechtigte, Flüchtlinge, Ausländer mit Duldungsstatus sowie Menschen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, gezählt. Im BKA-Bericht „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung 2017“ ist aufgeführt, bei wie vielen vollendeten Tötungsdelikten an Deutschen Zuwanderer tatverdächtig waren. Im Jahr 2017 waren es 13.

Auszug aus dem BKA-Bericht „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung 2017“ (Screenshot: CORRECTIV)

Eine weitere irreführende Aussage im Volksbetrug-Artikel ist diese: „Schon vorher war bekannt geworden, dass Flüchtlinge in den 90 Tagen des ersten Quartals 2018 genau 89 Tötungsdelikte begangen hatten – also statistisch gesehen fast jeden Tag eines. Allerdings hatten die meisten Opfer – wenn teils auch schwer verletzt – überlebt.“

Auch hier wird zunächst eine reale Zahl der BKA genannt. Wie die Zeit berichtete, verübten Zuwanderer im ersten Quartal 2018 insgesamt 89 Straftaten gegen das Leben, von denen die meisten versuchte Tötungsdelikte waren. Doch diese Taten richteten sich nicht alle gegen Deutsche. Im Gegenteil. Die Zeit schreibt: „Die Opfer von Straftaten, die von Migranten begangen werden, sind meist andere Zuwanderer. Im ersten Quartal 2018 sind zehn von elf Todesopfern einer solchen Straftat Zuwanderer gewesen.“ Diesen Kontext verschweigen die Autoren von Volksbetrug.

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