Keine „Lügenpresse“: Mutmaßliche Vergewaltiger auf Mallorca haben die deutsche Staatsbürgerschaft
In mehreren Artikeln wird behauptet, die vier Verdächtigen, die eine junge Frau auf Mallorca vergewaltigt haben sollen, seien keine Deutschen. Medien hätten „gelogen“, als sie diese so bezeichneten. Das ist falsch.
Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich auf einen Vorfall im Juli 2019.
Haben deutsche Medien bei der Nationalität der Verdächtigen, die auf Mallorca der Vergewaltigung beschuldigt werden, gelogen? Am Donnerstag, den 4. Juli 2019 waren vier junge Männer am Flughafen auf Mallorca festgenommen worden, nachdem eine 18-jährige Deutsche Anzeige erstattet hatte. Medienberichten vom Montag zufolge wurde für zwei Verdächtige Untersuchungshaft angeordnet, die anderen beiden seien wieder auf freiem Fuß. Die Tat soll sich in der Nacht auf Donnerstag in Cala Rajada ereignet haben. Zahlreiche deutsche Medien berichteten über den Fall und schrieben von „deutschen Urlaubern“, die festgenommen worden seien.
Wenig später kursierten Fotos der Verdächtigen in den sozialen Netzwerken, und die Behauptung, es handele sich bei den vier Männern nicht um Deutsche. „Lügenpresse macht aus türkischen Tätern ‘deutsche Urlauber’“, titeln die Webseiten PI-News und Anonymousnews. Und das Magazin Compact-Online veröffentlicht einen Artikel mit dem Titel: „Massenvergewaltigung auf Mallorca – Deutsche Presse jubelt: Es waren „DEUTSCHE“! Richtig ist: Es waren TÜRKEN!“ Der Artikel von Compact-Online wurde auf Facebook mehr als 1.500 Mal geteilt, der von PI-News mehr als 2000 Mal.
Rassistische Kommentare zu Fotos der Verdächtigen
Anonymousnews schreibt zudem im Artikel: „Was die Gesinnungspresse allerdings unterschlägt, weil sie entweder des Spanischen nicht mächtig ist oder vielmehr ihre Leser auf politisch korrektem Kurs zu halten sucht: Bei den Tätern handelt es sich um Türken, lediglich wohnhaft in Deutschland.“
Auf Facebook kursieren zudem zahlreiche, tausendfach geteilte Fotos der Verdächtigen, die unter anderem von der Bild veröffentlicht worden waren. Die Verbreiter in sozialen Netzwerken deuten an, es könne sich bei den Abgebildeten nicht um Deutsche handeln. Darunter kommentieren Nutzer zum Beispiel: „Also so sehen heute typisch Deutsche aus?“ oder „Wirft ein schlechtes Licht auf die wirklichen Deutschen“.
Fest steht: Wer einen deutschen Pass besitzt, ist Deutscher und wird auch in Medien- und Polizeiberichten so bezeichnet. Auch die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst Verdächtige oder Täter nach ihrer Nationalität. Ausländer, die lediglich in Deutschland wohnen, werden als Nichtdeutsche geführt.
CORRECTIV hat geprüft, ob es sich bei den Verdächtigen um deutsche Staatsbürger handelt.
Die erwähnten Medienberichte beziehen sich als Quelle auf die spanischen Medien Diario de Mallorca und Ultima Hora. Dort ist ebenfalls die Rede von deutschen Touristen, allerdings wird von türkischem Migrationshintergrund gesprochen. Diario de Mallorca schreibt: „Los sospechosos son alemanes de origen turco“ (auf Deutsch: Die Verdächtigen sind Deutsche mit türkischen Wurzeln), und Ultima Hora berichtet von „jóvenes turcoalemanes“ (junge Deutschtürken). In den Kommentaren unter dem Artikel fragen Leser, was dieser Begriff bedeuten solle; es handele sich doch um „Türken mit deutschem Pass“. Ein anderer schreibt: „Sie sind Türken. Keine Deutschen!“
Wir haben bei der spanischen Polizei Guardia Civil nachgefragt, welche Nationalität die vier festgenommenen Verdächtigen haben. Die Antwort der Pressestelle lautet: „Die vier Verhafteten in dem Fall, auf den Sie sich beziehen, haben die deutsche Nationalität, mit türkischen Wurzeln.“