Nein, dieses Video zeigt keine Zuwanderung von „1000 Afrikanern“, sondern Menschen auf dem Weg zur Arbeit
Ein Video vom Bahnhof Ashausen wird massiv im Internet verbreitet. Darauf zu sehen ist eine sehr große Gruppe Menschen, die gemeinsam aus dem Zug steigt. Unsere Recherchen zeigen: Sie sind auf dem Weg zur Arbeit.
Ein Video zeigt, wie am kleinen Bahnhof in Ashausen in Niedersachsen eine große Gruppe Menschen aus dem Zug steigt, einem Metronom, und dann gemeinsam weitergeht. Darunter sind viele schwarze Menschen. Eine unbekannte weibliche Person hat das mit dem Handy gefilmt und ins Internet gestellt. Sie kommentiert dabei im Hintergrund: „Das ist unglaublich. (…) Das kann einem nur noch Angst machen. (…) Die ganzen Fachkräfte (…)“.
Auf Youtube wurde das Video zuerst am 9. Juli hochgeladen, mit dem Titel „Invasion von Afrikanern in Ashausen bei Winsen/Luhe“. Diese Version wurde jedoch am 12. Juli von Youtube gelöscht. Begründung: Hassrede.
Eine zweite Version, am 11. Juli auf Youtube veröffentlicht von dem Account „SatireUNfreiesD“, existierte am 12. Juli bis mittags noch und wurde dann ebenfalls entfernt. Zeitgleich tauchte es auf dem Youtube-Kanal von „ZGI – Zusammen Gegen Intoleranz“ auf, wo es bis Redaktionsschluss noch abrufbar war.
Auf Facebook lud der bekannte rechte Influencer Henryk Stöckl das Video am 11. Juli auf seiner Seite hoch. Der Beitrag wurde bereits mehr als 4.200 Mal geteilt. Stöckl schrieb dazu: „Ein Zug mit knapp 1.000 (EINTAUSEND) Schwarzafrikanern fuhr gestern in #Ashausen ohne Wissen der Bevölkerung ein! (…) In den Medien liest man darüber kein einziges Wort. Auch die Behörden hielten es nicht für notwendig, die Bevölkerung darüber zu informieren!“
Auch die Webseite Journalistenwatch verbreitete das Video in einem Artikel vom 11. Juli und schreibt dazu, es zeige, dass die „Zuwanderung ungebremst weitergehe“. Und Politikstube schreibt: „Glückwunsch, Ashausen bekommt 1000 neue Bürger geschenkt!“
Somit wird unter anderem behauptet, es handele sich bei den Menschen in dem Video um neu angekommene Flüchtlinge. CORRECTIV hat den Hintergrund des Videos geprüft.
Polizei twittert Richtigstellung
Polizeisprecher Jan Krüger von der Polizeiinspektion Harburg sagte uns am Telefon, man wisse von diesem Video und ermittle derzeit, ob es einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz darstelle, weil die Personen ungefragt gefilmt wurden. „Wir gehen davon aus, dass es sich um den Bahnhof Ashausen handelt.“
Die Ansicht des Bahnhofs in der Satellitenkarte von Google Maps zeigt, dass die Örtlichkeiten mit denen im Video übereinstimmen. Zu sehen ist der Weg, der an einem Fahrradstellplatz vorbeiführt. Die Menschen gehen offenbar zu einer Unterführung unter den Gleisen hindurch, die zu einem Parkplatz führt.
Es kann sich aber nicht um 1.000 Menschen handeln, da sie alle mit einem Metronom-Zug ankamen, und ein solcher Zug hat nur zwischen 570 und 810 Plätze.
Polizeisprecher Krüger sagte weiter, nach ersten Erkenntnissen handele es sich bei den Menschen um Mitarbeiter „eines großen Unternehmens“, die am Bahnhof regelmäßig mit Shuttlebussen am Bahnhof abgeholt und zur Arbeit gebracht würden. Welches Unternehmen es ist, wollte Krüger nicht sagen. Die Polizei Harburg twitterte auch aktuell dazu: Dass eine große Anzahl Flüchtlinge „plötzlich und ohne Wissen der Bevölkerung“ mit dem Zug in Ashausen angekommen sei, sei falsch.
Arbeitgeber möchte Mitarbeiter schützen
CORRECTIV hat den Arbeitgeber der Menschen ausfindig gemacht und steht mit dem Unternehmen in Kontakt. Dort arbeiten auch Geflüchtete, wie mehrere Quellen belegen. Die Firma möchte nicht genannt werden, um ihre Mitarbeiter zu schützen.
Henryk Stöckl schreibt auf Facebook: „Niedersachsens Innenminister Pistorius (SPD) bekräftigte vor wenigen Tagen noch, dass man bereit sei, jederzeit Flüchtlinge aufzunehmen.“ Damit deutet er an, die gefilmten Menschen seien neu angekommene Flüchtlinge, die in Ashausen untergebracht würden. Journalistenwatch und Politikstube implizieren dasselbe.
Das ist jedoch alles falsch. Die gefilmten Menschen waren auf dem Weg zur Arbeit. Die Öffentlichkeit wurde über ihre Ankunft nicht informiert, weil diese ein normales Ereignis darstellt.
Update (19. Juli 2019): Am 15. Juli veröffentlichte auch die Gemeinde Stelle eine Stellungnahme zu diesem Fall auf ihrer Webseite. Darin heißt es, die Menschen im Video würden täglich am Bahnhof Ashausen ankommen. „Wenn die Mitarbeiter auf der Südseite des Bahnhofes (aus Hamburg kommend) aussteigen, gehen sie durch die Unterführung auf die Nordseite, weil die Busse dort an der Bushaltestelle warten. Diese ‚Wanderung‘ war auf dem Video zu sehen.“ Wegen der „fremdenfeindlichen und rassistischen Äußerungen“ im Video habe sich die Gemeinde an die Polizei gewandt; die Ermittlungen seien eingeleitet worden.