Nein, Deutsche bekommen bei der Niddaer Tafel nicht nur Reste, die Asylbewerber nicht haben wollten
Ein Aushang aus einer Essensausgabe im hessischen Nidda wird jährlich wieder auf Facebook verbreitet. Er soll angeblich beweisen, dass Deutsche dort benachteiligt werden. Das ist ein Missverständnis. Die Regelung galt zudem nur für kurze Zeit im Jahr 2017.
Derzeit kursiert auf Facebook wieder ein altes Foto von 2017. Es zeigt einen Aushang der Schottener Tafel in Nidda, Hessen, auf dem steht, dass Asylbewerber zuerst bedient würden. Der Grund sei, dass so Lebensmittel, die diese „aus kulturellen oder persönlichen Gründen nicht annehmen können“, den übrigen Kunden zugutekommen könnten. Die „neuen Asyl-Kunden“ würden in der Zeit von 10.25 Uhr bis 10.45 Uhr vorrangig bedient. „Nur so können wir die zurückgereichten Waren Ihnen zur Verfügung stellen.“
Der Beitrag wurde mehr als 700 Mal auf Facebook geteilt. Über dem Foto steht, offenbar nachträglich hinzugefügt: „Das ist skandalös. Zuerst dürfen sich die staatlicherseits bestens versorgten Asylanten mit Lebensmitteln ihrer Wahl eindecken. Das, was die Luxus-Flüchtlinge übrig lassen, dürfen sich dann die bedürftigen Deutschen nehmen.“
Diese Darstellung ist nicht korrekt.
Die Faktenchecker von Mimikama und die Zeitung Merkur haben 2017 und 2018 bereits Artikel zu diesem Aushang veröffentlicht. Der Zettel hing demnach tatsächlich im Mai 2017 in der Niddaer Tafel aus. Er sei jedoch falsch interpretiert worden. Dadurch, dass Asylbewerber und Flüchtlinge vor den anderen Kunden bedient wurden, bekämen die anderen nicht weniger, erklärte Andreas Bill von der Tafel Mimikama.
Die zurückgegebenen Lebensmittel würden zusätzlich auf die Kisten der anderen Kunden verteilt, so dass es sogar von Vorteil wäre, später zu kommen, so Bill weiter.
Wir haben ebenfalls bei der Niddaer Tafel nachgefragt. „Der Aushang diente lediglich im Rahmen der ersten zahlenmäßig hohen Nutzung der Tafel durch Flüchtlinge dazu, […] Waren, die […] ihnen fremd oder ungewohnt waren und deshalb nicht von den Kunden übernommen wurden, an die übrigen Kunden weitergeben zu können“, schreibt uns Konrad Kaufmann per E-Mail.
Der Fall sei eine „alte Kamelle“ und eine „bewusst geführte Fehlinterpretation“. Die Tafel habe dieses Vorgehen außerdem schon zwei Monate nach dem Aushang wieder eingestellt, weil sich alles eingespielt hatte. Die Zeit-Regelung habe dazu gedient „um nicht Lebensmittel, die uns für die Kunden anvertraut wurden, in den Müll geben zu müssen“.
Es war also so: Die Asylbewerber konnten sich ihre Lebensmittel nicht aussuchen, sondern bekamen wie alle anderen eine fertig gepackte Kiste. Sie sollten zuerst drankommen, damit die von ihnen zurückgegebenen Lebensmittel nicht weggeschmissen werden. Diese wurden auf die Kisten der anderen Kunden verteilt. Die anderen bekamen durch die Regelung also nicht nur die Reste, wie in dem Facebook-Beitrag suggeriert wird, sondern unter Umständen sogar mehr als ursprünglich vorgesehen.