Staatsanwaltschaft: Sexueller Übergriff in Bayern im September 2019 war keine „versuchte Vergewaltigung“
Die Seite Truth24 verbreitet eine Meldung über einen sexuellen Übergriff auf eine junge Rollstuhlfahrerin, der sich im September in Bayern ereignete. In der Überschrift des Artikels wird fälschlicherweise von einer versuchten Vergewaltigung berichtet.
Die Überschrift des Artikels, den die Webseite Truth24 am 22. September veröffentlichte, lautet: „München: Senegalese versucht behinderte Rollstuhfahrerin (17) zu vergewaltigen“. Dies suggeriert etwas ganz anderes, als im Text zu lesen ist: Darin heißt es, ein Mann aus dem Senegal habe eine junge Frau im Rollstuhl sexuell bedrängt und angefasst, bis er durch zwei Zeuginnen vertrieben wurde. Der Artikel wurde auf Facebook laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 5.300 Mal geteilt.
Den Vorfall gab es, es handelte sich jedoch nicht um eine versuchte Vergewaltigung, wie die zuständige Staatsanwaltschaft bestätigte.
Truth24 verlinkt unten im Text auf eine Pressemitteilung der Bundespolizeidirektion München vom 22. September. Darin steht: „Am Samstagmittag (21. September) soll ein alkoholisierter 26-Jähriger am S-Bahnhaltepunkt Ismaning sowie ein weiteres Mal am Bahnsteig in Englschalking eine 17-jährige, behinderte Rollstuhlfahrerin sexuell belästigt haben.“ Er habe sie gegen ihren Willen angefasst. Es habe sich um einen Senegalesen gehandelt, der seit 2015 in Deutschland sei und eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitze.
In Englschalking sei der Mann durch zwei Zeuginnen vertrieben worden. Er sei kurz darauf festgenommen worden. In der Pressemitteilung der Bundespolizei steht außerdem: „Über die Staatsanwaltschaft München I wurde eine Blutentnahme des 26-Jährigen sowie vom Amtsgericht München die Vorführung vor dem Haftrichter wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i StGB angeordnet.“
Der Text von Truth24 übernimmt die Schilderung des Bundespolizei fast wörtlich, setzt jedoch als Überschrift „versuchte Vergewaltigung“ darüber.
Staatsanwältin: Es war keine versuchte Vergewaltigung
CORRECTIV hat bei der Staatsanwaltschaft München I nachgefragt, wie der Vorfall rechtlich einzuordnen ist. Oberstaatsanwältin Anne Leiding teilte uns per E-Mail mit: „Die Bezeichnung des mutmaßlichen Tathergangs auf www.truth24.net als versuchte Vergewaltigung ist falsch. Die Meldung der Bundespolizei vom 21.09.19 schildert einen Vorfall, der nach vorläufiger rechtlicher Prüfung als sexueller Übergriff einzuordnen ist.“
Leiding erklärt: Ein sexueller Übergriff liege vor, wenn jemand an einer Person gegen ihren Willen eine sexuelle Handlung vornehme, sie zum Beispiel an der Brust anfasse. „Eine solche Handlung wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren verfolgt.“ Eine Vergewaltigung sei dagegen ein besonder schwerer sexueller Übergriff und „mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 2 Jahren (bis zu 15 Jahren) strafbar“. Als Vergewaltigung bezeichne man Geschlechtsverkehr gegen den Willen des Opfers oder das Eindringen in den Körper des Opfers. Von versuchter Vergewaltigung spreche man, wenn zu einer solchen Tat „unmittelbar angesetzt wird“.