Die Polizei Berlin fahndet nach einem Unbekannten – die Seite „Truth24“ macht aus ihm einen muslimischen Asylbewerber
In einem Artikel von Truth24 wird behauptet, die Polizei habe ein halbes Jahr eine Vergewaltigung durch einen muslimischen Asylbewerber vertuscht. Das ist falsch. Über den Täter ist nichts bekannt – und gesucht wird er wegen sexueller Nötigung. Die Polizei begründet, weshalb sie mit dem Fall spät an die Öffentlichkeit ging.
Die Polizei Berlin fahndet seit dem 17. September nach einem Mann, der am 24. Februar eine Frau in einem Hausflur angegriffen und sexuell genötigt haben soll. Die Webseite Truth24 behauptet in einem Artikel vom 18. September, die Polizei habe die Tat ein halbes Jahr lang „vertuscht“. Der Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle mehr als 3.200 Mal auf Facebook geteilt.
Der Text enthält falsche und unbelegte Behauptungen.
Die Fahndung ist noch aktuell. Der Grund, weshalb sie erst Monate nach dem mutmaßlichen Vorfall veröffentlicht wurde, ist laut Polizeisprecher Martin Halweg, dass eine Öffentlichkeitsfahndung mit Fotos oder Videos „das letzte Mittel“ sei. Dafür brauche die Polizei einen richterlichen Beschluss, sagt er uns am Telefon. Sie werde erst eingesetzt, wenn die anderen Ermittlungen nicht zum Erfolg führten. In einem Artikel der WAZ wird erklärt, dass es so explizit in der Strafprozessordnung steht.
Zu dem Fall sei zudem im Februar keine Polizeimeldung geschrieben worden, weil dies bei Sexualdelikten nicht üblich sei. Es gehe dabei um den Schutz der Betroffenen, die durch öffentliche Berichterstattung nicht noch einmal traumatisiert werden sollten, erklärt Halweg.
Keine Belege, dass der Täter Ausländer oder Muslim ist
Dass der Mann die Frau „brutal vergewaltigt“ habe, wie im Truth24-Artikel steht, ist unbelegt. Laut dem Fahndungsaufruf wird der Mann wegen sexueller Nötigung gesucht – für eine schwerere Straftat gebe es bisher keine Hinweise, sagt Halweg.
Truth24 behauptet zudem, die Polizei suche nach einem „tatverdächtigen Armutsasylanten“ und der Gesuchte sei Muslim. Die einzige Grundlage dafür ist offenbar ein von Truth24 interpretiertes „arabisch-orientalisches Aussehen“ des Mannes. Es gibt keine Belege für die Behauptungen.
Die Identität des Mannes ist unbekannt, also auch seine Religion, Nationalität oder sein Aufenthaltsstatus. Die Öffentlichkeitsfahndung enthält nichts außer Aufnahmen einer Überwachungskamera in einem U-Bahnhof und einer groben Beschreibung des Tatverdächtigen. Auch der Polizei liege über die Täterbeschreibung hinaus nichts über diese Person vor, so Halweg.