Nein, der Wissenschaftler Harald Lesch hat 2001 nicht den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel bezweifelt
Der Astrophysiker Harald Lesch informiert öffentlich über den menschengemachten Klimawandel. In einem Youtube-Video wurde nun seine alte TV-Sendung so geschnitten, dass es wirkt, als sei er damals anderer Meinung gewesen. Das Video ist irreführend.
Ein Video mit der Überschrift „Harald Lesch vor 20 Jahren! Klimawandel nicht menschengemacht?“ wurde am 16. Januar auf dem Youtube-Kanal „AfD Community“ veröffentlicht und bisher mehr als 2.100 Mal aufgerufen. Der Account ist kein offizieller Kanal der AfD und hat sich inzwischen umbenannt in „Einfach Freiheit“. In dem Video wird eine Episode der Sendung alpha-Centauri von 2001 irreführend zusammengeschnitten.
Harald Lesch ist Astrophysiker und tritt seit Jahren im deutschen Fernsehen auf. Erst kürzlich veröffentlichte das ZDF eine Dokumentation über den Klimawandel mit ihm als Moderator. Er spricht darin von einer „menschengemachten Katastrophe“. Von 1998 bis 2007 moderierte Lesch die Wissenschaftssendung alpha-Centauri im Bayerischen Rundfunk.
Das geschnittene Video von „AfD Community“ legt nahe, er habe damals in Bezug auf den Klimawandel ganz andere Positionen als heute vertreten. Das Original-Video zeigt jedoch, dass es dafür keine Anhaltspunkte gibt.
Worum ging es in der Sendung von 2001?
In dem Original-Beitrag von 2001, der in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zu finden ist, erklärte Lesch, wie Eiszeiten entstehen, und dass wir aktuell in einer Warmzeit innerhalb einer Eiszeit leben (im Original-Video ab Minute 10:00). In reinen Warmzeiten sei die Erde viel wärmer als heute gewesen, und in diesem Klima hätten sich zum Beispiel die Dinosaurier entwickeln können (ab Minute 5:46).
Die Gründe für die Entstehung von Eiszeiten seien tektonische Plattenverschiebungen und Veränderungen von Meeres- und Luftströmungen. Auch die Neigung der Erdachse könne einen gewissen Anteil haben, diesen bezeichnete Lesch allerdings als gering (ab Minute 11:28).
Er erwähnte auch, dass es in den letzten drei oder vier Millionen Jahren immer wieder starke Sprünge innerhalb von zehn Jahren in der Durchschnittstemperatur von bis zu 14 Grad gegeben habe. „Das Wetter scheint in den Eiszeiten wesentlich instabiler zu sein, als in den Warmzeiten.“ (ab Minute 8:50)
Sätze werden aus dem Kontext gerissen
Vor allem auf diese letzten Aussagen fokussiert sich das geschnittene Video von „AfD Community“ und reißt das, was Lesch sagt, aus dem Kontext. Besonders hervorgehoben wird der Satz: „Man muss erstmal wissen, wovon man spricht, bevor man anfängt, vorzuschlagen, was können wir mit dem Wetter in Zukunft tun, beziehungsweise, wovor müssen wir uns schützen.“ (Im Original bei Minute 1:29)
Im Youtube-Video von „AfD Community“ wird dieser Satz direkt nach andere Aussagen gesetzt, so dass er wie Kritik an denjenigen wirkt, die einen menschlichen Einfluss auf das Klima prognostizieren (ab Minute 1:30): Zur Zeit der Dinosaurier sei es viel wärmer als heute gewesen, „[…] also es war sehr, sehr warm. Es war sehr, sehr schwül. [Schnitt] Wir leben in einer Eiszeit. Meine Damen und Herren, jetzt ist Eiszeit. [Schnitt] Wir sind zwar jetzt in einer Eiszeit, aber wir sind in einer Warmzeit einer Eiszeit. [Schnitt] Aber der größte Teil der Erdgeschichte war völlig eisfrei. [Schnitt] Man muss erstmal wissen, wovon man spricht, bevor man anfängt, vorzuschlagen, was können wir mit dem Wetter in Zukunft tun, beziehungsweise, wovor müssen wir uns schützen.“
Der Satz stammt jedoch aus einem ganz anderen Kontext und steht ganz am Anfang des Original-Videos. Lesch kündigt an, es werde um Eiszeiten gehen, und sagt dann: „Natürlich höre ich schon einige, die sagen: ‘Jetzt kommt der mir mit Eiszeiten. Wir sind doch in der Zeit des Global Warming.’ […] Am Ende der Sendung werden wir schon noch dahin kommen, aber wenn man versteht, wie Eiszeiten entstehen, […] dann versteht man mehr über das Wetter. Und wenn man mehr über das globale Wetter versteht, dann versteht man vielleicht auch, wie es zum Global Warming kommt, ob wir Menschen darauf einen erheblichen Einfluss darauf haben, oder ob es sich um rein natürliche Phänome… Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich will hier niemandem das Wort reden, jetzt in Zukunft weiter Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen. Aber man muss erstmal wissen, wovon man spricht, bevor man anfängt, vorzuschlagen, was können wir mit dem Wetter in Zukunft tun, beziehungsweise, wovor müssen wir uns schützen.“
Am Ende des Original-Videos kommt Lesch noch einmal auf den Klimawandel zurück (ab Minute 12:57): „Das Wetter ist eine unglaublich instabile Angelegenheit. Gerade diese Sprünge, die innerhalb von zehn Jahren solche Temperaturänderung von bis zu 14, 15 Grad bedeuten – das wäre eine absolute Katastrophe, wenn uns das heute passieren würde. Und wir müssen sagen, um wieder auf das Global Warming zurückzukommen: Wir müssen aufpassen. Oder, um es so zu sagen: Der Homo Sapiens erkennt das Richtige, tut aber manchmal das Falsche.“
Es wird also klar, dass Lesch mit dem Video nicht vorhatte, den Einfluss von Treibhausgasen auf das Klima zu bestreiten. Er betonte aber, dass es wichtig sei, auch andere Faktoren, die das Klima verändern, zu kennen.
Lesch: „Durch den Einfluss des Menschen wird die Eiszeit verschoben“
Auf Anfrage von CORRECTIV schreibt Lesch per E-Mail: „Die Eiszeiten sind eine Erscheinung des Klimas. Die Temperatursprünge, von denen ich im Rahmen eines Videos spreche, heißen Dansgaard-Oeschger-Ereignisse und sind verursacht durch Zusammenbrüche von Meeresströmungen, wie dem Golfstrom […]. Die Eiszeiten haben ihren Ursprung durch astronomische Faktoren (Milanković-Zyklen), die werden aber durch den vom Menschen verursachten Klimawandel inzwischen ausgeschaltet.“
Am Telefon ergänzt Lesch, er habe in keinem seiner früheren Videos gesagt, dass das Klima nicht vom Menschen beeinflusst werde. Aber Ehrlichkeit sei ihm wichtig: Es sollte nicht verschwiegen werden, dass es auch natürliche Einflüsse auf das Klima gebe. „Niemand bestreitet, dass das Klima natürliche Schwankungen hat, aber der menschliche Einfluss ist die Spritze direkt in die Vene des Klimasystems.“
Lesch verweist auch auf einen Wissenschaftsartikel des Tagesspiegel von Mai 2018, in dem es ebenfalls heißt, die nächste Eiszeit könnte ausfallen: „Unsere Emissionen von Kohlendioxid haben uns auf eine rasante Reise in ein Heißzeit-Klima geschickt, wie es keiner unserer fernsten Vorfahren je erlebte. Es könnte demjenigen gleichen, das auf der Erde herrschte, ehe das aktuelle Eiszeitalter anbrach.“