Hass und Angriffe sind Alltag. Aber sie halten uns nicht auf.
In unserer Demokratie ist die Pressefreiheit im Grundgesetz fest verankert. Während Journalistinnen und Journalisten in vielen Ländern Repressionen ausgesetzt sind, Gefängnis- und Todesstrafen fürchten müssen, garantiert der Staat hierzulande das Recht auf freie Presse. Und doch müssen wir uns als Gesellschaft jeden Tag bewusst machen, dass freie Berichterstattung nicht selbstverständlich ist. Auch in Deutschland nehmen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten zu. Eine Gefahr für unsere Pressefreiheit.
Zum internationalen Tag der Pressefreiheit geben wir Ihnen einen Einblick in unseren Arbeitsalltag.
Dazu gehören nicht nur Sicherheitstrainings für Angestellte, Vandalismus an unseren Büros oder Pöbeleien von ungebetenen Gästen. Sondern auch psychischer Druck, Beleidigungen und Drohungen in Hass-Nachrichten an uns.
Wenige Wochen nach Veröffentlichung der „Geheimplan gegen Deutschland“-Recherche standen ein Nazi, ein Querdenker und ein Typ mit Kamera vor unserem Büro. Was wie der Anfang von einem Kinderwitz klingt, war dann doch bitterer Ernst. Angeblich wollten sie ein Interview mit unserem Chefredakteur. Als sie das nicht bekamen, bedrängten sie andere Mitarbeitende.
Einen ganzen Tag belagerten die drei Männer unser Büro und beobachteten uns. Es war nicht das erste Mal, dass Nazis mit Kameras aufgekreuzt sind.
Erfahrungsbericht Berliner Büro
In unserer Demokratie ist die Pressefreiheit im Grundgesetz fest verankert. Während Journalistinnen und Journalisten in vielen Ländern Repressionen ausgesetzt sind, Gefängnis- und Todesstrafen fürchten müssen, garantiert der Staat hierzulande das Recht auf freie Presse. Und doch müssen wir uns als Gesellschaft jeden Tag bewusst machen, dass freie Berichterstattung nicht selbstverständlich ist. Auch in Deutschland nehmen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten zu. Eine Gefahr für unsere Pressefreiheit.
Zum internationalen Tag der Pressefreiheit geben wir Ihnen einen Einblick in unseren Arbeitsalltag.
Dazu gehören nicht nur Sicherheitstrainings für Angestellte, Vandalismus an unseren Büros oder Pöbeleien von ungebetenen Gästen. Sondern auch psychischer Druck, Beleidigungen und Drohungen in Hass-Nachrichten an uns.
…Eure Adresse in Essen ist wohlbekannt! Wir bieten Euch hiermit an irgendwann zu Euch zu kommen und Eure Dummköpfe und Drecksfinger so lange mit der vor Euch vorhandene Tischplatte in Kontakt zu bringen…
E-Mail vom 10.03.2021
Natürlich ist unsere Adresse bekannt. Sie steht auf unserer Webseite. Aber genau solche Nachrichten sind es, die uns bei der Arbeit einschüchtern und einschränken sollen. Viele greifen uns an, weil sie Journalistinnen und Journalisten als Feinde ihres Weltbildes sehen. Das traurige Mittel, um ihre Meinung durchzusetzen, sind Einschüchterungsversuche. Es soll dazu führen, dass Journalistinnen und Journalisten über gewisse Themen aus Angst nicht mehr berichten. Hass wirkt – wenn wir ihn lassen.
Wer berichtet, wird angegriffen
Unsere Türen sind offen für neugierige Gäste. Wir machen unsere Arbeit transparent, um Menschen zu zeigen, wie Journalismus funktioniert. Wir stehen für den Schutz der Pressefreiheit ein, für demokratische Debatten, für Offenheit und Fakten als Basis unseres Miteinanders. Das passt vielen nicht.
Vor allem unsere Faktencheck-Redaktion erlebt Attacken und Beleidigungen. Weniger bekannt ist, dass besonders viele Hassmails an weibliche Journalistinnen und Reporterinnen adressiert sind und eine ganz andere Qualität haben.
Normalerweise öffne ich E-Mails mit der Betreffzeile „wuahahahahahahahaha“ nicht. Anfang Februar war das anders. „Glauben Sie dummes hetzendes Stück Schweinescheiße […] Blöde Dummfotze … Küsschen“, schrieb da ein Mensch. Er verteidigte eine rechte Youtuberin, deren Thesen ich in einem Faktencheck entkräftet hatte.
Ich zuckte mit den Schultern und schob die E-Mail ich in den Ordner „Leserbriefe“. Danach vergaß ich sie – für Wochen. Erst als wir in der Redaktion über Hass-Nachrichten sprachen, fiel sie mir wieder in die Hände. Da wurde mir klar: Nach zehn Jahren im Journalismus habe ich mich so sehr an diesen Ton gewöhnt, dass ich ihn für normal empfand.
Doch müssen wir das wirklich hinnehmen? Ich will jedenfalls nicht, dass meine Kinder in einer Gesellschaft aufwachsen, in der ein so menschenfeindlicher Ton herrscht. Eigentlich hätte ich antworten sollen: „Wir werden Anzeige erstatten. Küsschen.“
Erfahrungsbericht aus der Faktencheck-Redaktion
Beschimpfungen erreichen uns beinahe jeden Tag: Wir führen eine Liste, in der wir die Nachrichten sammeln. Es beginnt mit „einfachen“ Einschüchterungsversuchen und steigert sich zu massiven Drohungen mit Vergewaltigung und Mord. Nach manchen Veröffentlichungen – etwa zu Klima, Rechtsextremen oder Corona – sind es so viele, dass wir nur strafrechtlich relevante Nachrichten dokumentieren. Bei „normalen“ Beleidigungen scrollen wir dann einfach weiter. In unseren Posteingängen finden sich Nachrichten wie:
Leise kommt der Tod geschlichen auf allen Fingerspitzen , pass auf du kleiner Wicht so löschen wir dich AUS ganz fix
E-Mail vom 16.12.2024
Das Nürnberger Tribunal 2.0 ist euch sicher.
E-Mail vom 14.11.2022
Screen-Shots von euren Visagen auf der Homepage sind gemacht und wenn dieses ganze verbrecherische System kippt, dann werden wir euch an eure Gesichtern erkennen. Auch ihr werden dann nicht mehr die Strasse hinunter gehen können, ohne erkannt und verachtet zu werden.
E-Mail vom 23.02.2021
Der Ton ist immer aggressiver geworden. Menschen, die Journalistinnen und Journalisten als Problem oder gar als „Gegner“ betrachten, scheinen sich immer sicherer zu fühlen. Ein AfD Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg antwortete auf eine Presseanfrage von uns: „Ich verspreche Ihnen eins: Wenn die AfD an die Regierung kommt, werden wir als erstes Ihnen und ihrem Verein den Geldhahn zudrehen und einer geregelten Arbeit zuführen.“ Auch die AfD-Politikerin Beatrix von Storch twitterte nach der Potsdam-Recherche öffentlichkeitswirksam unsere Büro-Adresse. Kolleginnen und Kollegen aus Staaten mit autoritärer Regierung warnen uns, dass sie solche Entwicklungen aus ihrer Heimat kennen.
Populistische Stimmungsmache wirkt
Wir merken, wie Falschbehauptungen über Journalisten auch in die Mitte der Gesellschaft wandern und zu Misstrauen führen. Inzwischen reicht gute Arbeit allein nicht mehr aus: Journalistinnen und Journalisten müssen sich immer häufiger rechtfertigen. Uns wird eine Agenda vorgeworfen und es wird versucht, unsere Glaubwürdigkeit in Zweifel zuziehen. Besonders aggressiv sind die juristischen Angriffe. Seit der Veröffentlichung unserer „Geheimplan“-Recherche sehen wir uns mit einer neuen Form des Drucks konfrontiert: Anwälte, die nicht in erster Linie ein Urteil erreichen wollen, sondern die öffentliche Deutung unserer Arbeit angreifen. Das Prinzip dahinter: Gegen Nebensächlichkeiten Klage einzureichen, um danach zu behaupten, unsere Recherchen stünden wegen mangelnder Faktentreue vor Gericht. Dabei geht es nicht um den Kern der Recherche. Dieses Vorgehen, auch „Litigation-PR“ genannt, soll Zweifel säen, uns als unglaubwürdig darstellen, Misstrauen streuen. Es geht darum, wer die Glaubwürdigkeit definieren darf.
Seit einiger Zeit ist zudem die Finanzierung ins Visier vieler gerückt. Man zweifelt an unserer Gemeinnützigkeit – und damit an allen, die uns aus Überzeugung mit Spenden unterstützen. Andere Medien stehen finanziell vor dem Aus, weil ihnen die Unterstützung entzogen wird. Anfang 2025 verabschiedet sich Meta-CEO Mark Zuckerberg mit den Worten „we’re gonna get rid of fact checkers“ („Wir werden Faktenchecker loswerden“) von Faktencheck-Organisationen. Was der mächtige Facebook-Chef sagt, steht exemplarisch für die Stimmung, die sich gegenüber faktenbasierter Arbeit und Journalisten aufgebaut hat.
Angriffe auf uns alle
Es ist für uns wichtig zu zeigen: Angriffe auf freie Berichterstattung in Deutschland sind mehr als die Hand vor die Kameralinse zu halten. Die Angriffe richten sich gegen Medien und Journalisten als Erstes – aber sie treffen alle, die für Pressefreiheit, Demokratie und ein offenes Miteinander stehen. Wenn Journalistinnen und Journalisten eingeschüchtert, Redaktionen bedroht und Fakten gezielt angegriffen werden, darf nicht zugeschaut werden. Nicht nur Gesetze schützen Journalistinnen und Journalisten, sondern auch alle, die uns und unabhängigen Journalismus unterstützen.
Journalistinnen und Journalisten brauchen mehr denn je Rückhalt. Was uns stets hilft weiterzumachen, ist der beständige Zuspruch und die Solidarität von außen. Was es heute braucht ist Haltung. Und Unterstützung. Jede Spende macht dabei einen Unterschied. Sie schützt kritische Recherchen. Sie stärkt Fakten gegen Falschbehauptungen. Sie gibt Journalistinnen und Journalisten den Rückhalt, den sie brauchen – und sendet ein Zeichen: Wir lassen uns nicht einschüchtern. Stärken Sie Journalismus für die Demokratie!
Hass und Angriffe sind Alltag. Aber sie halten uns nicht auf. Sie zeigen uns, wofür wir einstehen müssen. Freie Berichterstattung ist unersetzlich. Damit jeder Mensch eine informierte Entscheidung treffen kann. Dank Ihnen machen wir damit weiter – und wachsen. Hier unterstützen!