Covid-19: Nein, japanischer Pharmakonzern hat keine antivirale Wirksamkeit von Ivermectin beim Menschen nachgewiesen
Der japanische Pharmakonzern Kowa forscht am Einsatz des Mittels Ivermectin zur Behandlung von Covid-19. Nach einer Pressemitteilung des Unternehmens Ende Januar verbreiteten sich falsche Behauptungen über die angeblich nachgewiesene Wirksamkeit des Medikaments beim Menschen.
Seit Monaten verbreitet sich immer wieder die Behauptung, das Entwurmungsmittel Ivermectin sei ein wirksames Medikament zur Behandlung von Covid-19. Zu irreführenden Behauptungen darüber haben wir im September und November 2021 Faktenchecks veröffentlicht. Jetzt sorgt eine missverstandene Pressemitteilung des japanischen Pharmakonzerns Kowa erneut für Aufregung um das Arzneimittel.
Ivermectin ist eigentlich ein Entwurmungsmittel, das vor allem bei Pferden oder Kühen eingesetzt wird. In bestimmten Dosierungen (zum Beispiel in Tablettenform) ist es in Deutschland und in den USA auch zur Anwendung gegen Parasiten bei Menschen zugelassen. Hohe Dosen von Ivermectin können für Menschen jedoch giftig sein und zur Behandlung gegen Covid-19 ist es nicht zugelassen.
Nachrichtenagentur Reuters verbreitete zunächst falsche Behauptung über Pressemitteilung aus Japan
Am 31. Januar 2022 teilte das Pharmaunternehmen Kowa mit, dass Ivermectin gegen Omikron und andere Virusvarianten in einer nicht-klinischen Studie „antivirale Wirkung gezeigt“ habe und dass man mit der Kitasato Universität Tokyo eine klinische Phase-3-Studie durchführe. Die Mitteilung vom 31. Januar 2022 ist nur auf Japanisch verfügbar, wir haben sie mit einem Onlinetool übersetzt und mit anderen Medienberichten darüber verglichen.
Was bedeutet das? Eine nicht-klinische Untersuchung ist eine Phase der Arzneimittelforschung in der Versuche an Tiere, Zellen oder Gewebe durchgeführt werden. In dieser Phase erfolgt noch keine Prüfung eines Medikaments am Menschen. Erst in der Phase der klinischen Studien wird die Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels am Menschen untersucht.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zunächst falsch über die Pressemitteilung von Kowa berichtet. In der Meldung vom 31. Januar hieß es ursprünglich „Das japanische Unternehmen Kowa bestätigt die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Omicron in einer Phase-III-Studie“. Das hätte bedeutet, Kowa hätte die Wirksamkeit des Mittels beim Menschen nachgewiesen, was jedoch nicht der Fall ist.
Blogs verbreiten falsche Behauptung über angeblich nachgewiesene Wirksamkeit von Ivermectin beim Menschen
Reuters korrigierte diesen Fehler, wie die Nachrichtenagentur selbst und auch die Faktencheck-Redaktionen von Newswise und Health Feedback berichteten.
Über archivierte Versionen des Reuters-Artikels lässt sich nachvollziehen, dass die Überschrift des ursprünglichen Artikels am 31. Januar um 9.26 Uhr mitteleuropäischer Zeit (8.26 Uhr UCT) noch falsch war; spätestens um 12.16 Uhr (11.16 UCT) war sie richtiggestellt. Spätestens um 14.14 Uhr (13.14 UCT) war auch im Text die Aussage zu lesen, dass die antivirale Wirkung von Ivermectin in nicht-klinischen Untersuchungen nachgewiesen wurde.
Im deutschsprachigen Raum verbreiteten der Wochenblick und TKP die falsche Behauptung weiter. Beim Wochenblick heißt es: „Der japanische Pharmakonzern Kowa bestätigte nun die antivirale Wirkung von Ivermectin bei Omikron, in einer klinische Phase III [sic].“ Der Artikel wurde laut Angaben auf der Webseite erst am 1. Februar veröffentlicht, also nachdem der Reuters-Artikel bereits korrigiert war. TKP schreibt: „Das japanische Pharmaunternehmen Kowa Co Ltd sagte am Montag, dass sich Ivermectin in der Phase III-Studie wirksam gegen Omicron erwiesen habe [sic].“ Eine Richtigstellung hat bisher keine der Webseiten veröffentlicht (Stand: 16. Februar).
Beim Wochenblick wird zudem behauptet, in Japan werde Ivermectin „off label“ zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt, sprich ohne eine offizielle Zulassung. Ein Beleg für diese Behauptung wird nicht genannt. Offiziell eingesetzt wird Ivermectin in Japan nicht.Die Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte (PMDA) überwacht die Regulierung von Arzneimitteln in Japan. Auf der Webseite wird Ivermectin nicht als zugelassenes Medikament zur Behandlung von Covid-19 aufgeführt (Stand 15. Februar 2022).
Behörden warnen vor unkontrollierter Einnahme von Ivermectin
Behörden auf der ganzen Welt, wie die US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) warnen davor, Ivermectin gegen Covid-19 einzunehmen, da Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin zur Behandlung von Covid-19 nicht ausreichend untersucht seien.
Das Robert-Koch-Institut veröffentlichte zuletzt im Januar Hinweise zu Medikamenten, deren Wirksamkeit gegen Covid-19 untersucht wird. Zu Ivermectin heißt es dort, bisher vorliegende Studien hätten keine Hinweise geliefert, dass das Mittel für die Behandlung von Covid-19 effektiv sei. Das Medikament solle nur im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien verabreicht werden. Es bestehe das Risiko einer „schwerwiegenden Toxizität bei unkontrollierter Anwendung“.
Redigatur: Steffen Kutzner, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Pressemitteilung des japanischen Pharmakonzerns Kowa vom 31. Januar 2022: Link (Japanisch)
- Korrigierter Artikel der Nachrichtenagentur Reuters über die Mitteilung des japanischen Pharmakonzerns Kowa zur antiviralen Wirksamkeit von Ivermectin: Link (Englisch)
- Hinweise des Robert-Koch-Instituts zum Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von Covid-19: Link