Faktencheck

Führt ein Marderbiss zu einem Totalschaden bei E-Autos? Dieser Behauptung fehlt Kontext

Auf Facebook verbreitet sich die Behauptung, ein Marderbiss könne bei Elektroautos schnell zu einem Totalschaden führen. Es stimmt zwar, dass ein Marderbiss am Hochvoltkabel zu einem Totalschaden führen kann – dies betrifft aber vorrangig alte E-Autos. Auch bei Verbrennern können die Tiere teure Schäden verursachen.

von Paulina Thom

Marderbiss E-Auto
Ein Marderbiss kann sowohl bei E-Autos als auch bei Verbrennern teure Reparaturen zur Folge haben (Symbolbild: LubosHouska / Pixabay)
Behauptung
Ein Marderbiss könne bei E-Autos schnell für einen Totalschaden sorgen.
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Ein Marderbiss führt nicht zu einem technischen, aber kann zu einem wirtschaftlichen Totalschaden bei einem E-Auto führen, wenn das Hochvoltkabel beschädigt wird. Das ist aber vor allem bei älteren Modellen der Fall, weil hier eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich wäre. Es gibt jedoch Möglichkeiten, das Hochvoltkabel zu schützen und die Reparaturkosten dadurch deutlich zu senken. Zudem kann ein Marderbiss auch bei Verbrennern zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen.

Auf Facebook kursiert die Behauptung, ein Marderbiss könne bei E-Autos „schnell zu einem Totalschaden führen“. Eine Quelle für die Behauptung nennt der Beitrag nicht, allerdings findet sie sich in ähnlicher Form in einigen Medienberichten wieder (hier, hier und hier). Doch der Behauptung fehlt Kontext. 

Die Medienberichte zitieren eine Pressemitteilung der Versicherung Allianz vom 21. September 2021, in der das Allianz Zentrum für Technik (AZT) über die Ergebnisse einer Untersuchung zu Schäden von und an E-Autos berichtet. Zwar könne ein Marderbiss einen wirtschaftlichen Totalschaden bei einem E-Auto zur Folge haben, jedoch keinen technischen, so ein Ergebnis der Studie. Mit bestimmten Sicherheitsvorkehrungen ließen sich die Kosten im Schadensfall zudem um 97 Prozent verringern. Laut Experten können vor allem ältere Modelle von einem wirtschaftlichen Totalschaden betroffen sein.

Sreenshot des geteilten Beitrages auf Facebook
Auf Facebook haben Hunderte die Behauptung geteilt, ein Marderbiss könne bei E-Autos schnell für einen Totalschaden sorgen. Das hängt aber von den Reparaturkosten und dem Fahrzeugwert ab (Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Risiko für einen wirtschaftlichen Totalschaden beim E-Auto: das Hochvoltkabel

Für den Antrieb von E-Autos werden Hochvoltkabel benötigt, unter anderem verbinden sie den Akku des E-Autos mit dem Ladeanschluss. Aus Sicherheitsgründen sind sie orangefarben isoliert. 

Beschädigt ein Marder das Hochvoltkabel eines E-Autos, dann besteht das Risiko eines wirtschaftlichen Totalschadens. Denn das Kabel lässt sich derzeit nicht reparieren, sondern muss komplett ausgetauscht werden. Dies kann laut AZT bis zu 7.000 Euro kosten. „Ein Marderbiss kann zu einem Totalschaden am Elektrofahrzeug führen, weil die nötigen Ersatzteile derart teuer sein können, dass eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich ist“, schrieb uns Carsten Reinkemeyer, Leiter der Sicherheitsforschung im AZT, auf Anfrage.

 

Technische Zeichnung eines E-Autos mit Blick in den Innenraum und die Hochvoltverkabelung
Die orangefarbenen Hochvoltkabel verbinden unter anderem den Akku mit dem Ladeanschluss eines E-Autos (Quelle: Volkswagen)

Das bestätigte uns auch Matthias Vogt, E-Auto Experte beim ADAC: „Die defekte Hochvolt-Leitung, beziehungsweise der zusammenhängende Hochvoltkabelsatz kann nicht repariert werden und ist gesamtheitlich zu tauschen, was durchaus teuer werden kann.“

Wirtschaftlicher Totalschaden nur bei älteren E-Auto-Modellen

Von einem wirtschaftlichen Totalschaden spricht man dann, wenn die Reparaturkosten höher sind als die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert eines Fahrzeugs. Vogt schrieb uns hierzu: „Je älter ein Fahrzeug, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Reparaturkosten den Fahrzeugwert übersteigen könnten. Die meisten E-Autos sind jedoch noch relativ neu und entsprechend werthaltig, so dass bisher die Gefahr eines wirtschaftlichen Totalschadens überschaubar ist, beziehungsweise die Fahrzeuge noch eine Kaskoversicherung haben.“ Auch laut Reinkemeyer betrifft das Problem primär ältere und nicht neue E-Autos.

E-Autos sind meist besser geschützt als Verbrenner

Laut der AZT-Auswertung gibt es zudem Möglichkeiten, das Hochvoltkabel eines E-Autos zu schützen: „Einige Automobilfirmen verwenden Schutzummantelungen, die getauscht werden können. Die Reparaturkosten lassen sich dadurch um bis zu 97 Prozent reduzieren.Demnach würden die oben erwähnten Reparaturkosten von 7.000 Euro auf bis zu 210 Euro sinken. Zum Vergleich: Die Kosten für die Reparatur eines angebissenen Zündkabels bei einem Verbrenner liegen laut Allianz bei 150 bis 300 Euro. 

„Grundsätzlich sind die Hochvolt-Leitungen bereits vom Hersteller gut geschützt“, schrieb uns Matthias Vogt vom ADAC. „Wer möchte, kann gegebenenfalls mit Kunststoff-Schutzhüllen nachrüsten lassen.“ Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor seien häufiger von Marderbiss betroffen als E-Autos, heißt es auf der Webseite des ADAC. E-Autos seien „am Unterboden und im Motorraum meist vollflächig verkleidet“. 

Marderbiss kann auch beim Verbrenner zum wirtschaftlichen Totalschaden führen

Ein Verbrenner kann nach einem Marderbiss ebenfalls von einem wirtschaftlichen Totalschaden betroffen sein, so Vogt. „Beispielsweise wenn ein Kühlwasserschlauch durchbissen wird und infolgedessen aufgrund unbemerktem Kühlwasserverlusts durch Überhitzung ein Motorschaden entsteht.“ Kommt es zu Folgeschäden am Motor und kann ein Motoraustausch notwendig werden, kann das laut der Allianz mehrere Tausend Euro kosten. Auch Reinkemeyer schrieb uns dazu, dass ein Marderbiss gerade bei älteren Verbrennern in ungünstigen Fällen zu hohen Reparaturkosten und einem wirtschaftlichen Totalschaden führen könne.

Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressemitteilung der Allianz Deutschland AG, 21.September 2021: Link
  • Information des ADAC zu Marderbiss, 21. März 2022: Link