ARD-Interview: Strack-Zimmermann hat nicht angedeutet, sie wolle deutsche Soldaten in die Ukraine schicken
FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wolle offenbar deutsche Soldaten in den Krieg in die Ukraine schicken, heißt es im Netz. Ein ARD-Interview soll das belegen. Doch das sagt die Politikerin darin nicht – auf Anfrage bezeichnet sie die Behauptung als „absurd“.
In einem Tiktok-Video vom 22. Januar behauptet ein Mann, dass die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann offenbar deutsche Soldaten in den Krieg schicken wolle. „Und eventuell wirst dann du, dein Vater oder dein Ehemann ebenfalls eingezogen und müssen dann gegen Russland kämpfen“, sagt er.
Unter dem Tiktok-Video ist eine längere Version des Videos auf Youtube verlinkt. Darin werden Ausschnitte eines ARD-Interviews mit Strack-Zimmermann gezeigt, der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Bundestags. Das Interview vom 16. Januar findet sich in der ARD-Mediathek. Strack-Zimmermann sagt darin jedoch nicht, dass sie deutsche Soldaten in die Ukraine schicken will und deutet es auch nicht an. Auf Anfrage dementiert die Politikerin, sich jemals so geäußert zu haben.
Strack-Zimmermann erklärte Anforderungen an den Posten des Verteidigungsministers, keine Einsatzpläne für Streitkräfte
Aus dem Beitrag in der Mediathek wird deutlich: Strack-Zimmermann beschreibt lediglich, welche Persönlichkeit ein Verteidigungsminister ihrer Meinung nach haben muss. Am Tag des Interviews legte Christine Lambrecht ihr Amt als Verteidigungsministerin nieder. Strack-Zimmermann sagt über die Nachfolge: „Es muss eine Persönlichkeit sein, die ein Herz für die Soldaten und Soldatinnen hat, sie versteht, und deren Brille trägt. Heißt: Entscheidungen trifft für die Personen, die am langen Ende für uns in den Krieg, in eine Schlacht ziehen müssen, um unsere Freiheit verteidigen, und das mit ihrem Leben“ (Minute 2:40 im ARD-Beitrag).
Dass diese Aussage nicht unbedingt etwas mit dem Krieg oder angeblichen Plänen Strack-Zimmermanns zu tun haben muss, relativiert der Sprecher in der längeren Youtube-Version seines Videos sogar selbst: „Natürlich könnte man jetzt sagen, das ist doch völlig normal – Soldaten sind doch zum Kämpfen da und jeder, der Soldat ist, weiß das, bevor er sich seinen Beruf aussucht.“
Der Sprecher im Video versucht anschließend dennoch, einen Zusammenhang zu konstruieren.
Dafür argumentiert er so: Statt den Krieg in der Ukraine zu deeskalieren, schicke „der Westen“ ständig neue Waffen und „als letzte Stufe dann unsere eigenen Soldaten“. Das wolle offenbar auch Strack-Zimmermann. Wie ernst sie das meine, so das Argument des Mannes weiter, zeige ein Tweet von Mitte November. Dabei habe die Politikerin einen Raketeneinschlag in Polen in einem Tweet Mitte November, explizit als Einschlag auf „Nato-Gebiet“ und nicht einfach als Einschlag in Polen oder als Einschlag auf polnischem Gebiet bezeichnet, was den sogenannten Bündnisfall der Nato auslösen könnte. Das hätte bedeutet, dass auch Deutschland „mit seinen Soldaten“ gegen den Angreifer hätte kämpfen müssen. Strack-Zimmermann habe damit beinahe den dritten Weltkrieg ausgelöst.
Den Tweet gab es wirklich, Strack-Zimmermann hat ihn jedoch nach einigen Stunden wieder gelöscht. Im ursprünglichen Beitrag vom 15. November hatte sie gefordert, dass sich der Kreml erklären müsse, nachdem „russische Raketen offenbar Polen und damit Nato-Gebiet getroffen“ hätten. Ob es sich um eine russische Rakete handelte oder um ein ukrainisches Abwehrgeschoss, war zu diesem Zeitpunkt Gegenstand von Ermittlungen. Am 16. November sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass es sich wahrscheinlich um eine ukrainische Flugabwehrrakete handele.
Strack-Zimmermann: „Behauptung ist absurd und von mir nicht getätigt worden“
Strack-Zimmermann hatte den Tweet einige Stunden später gelöscht, nachdem klar wurde, dass es sich nicht eindeutig um russische Raketen handelte: „Auch ich habe meinen Tweet hierzu gelöscht. Ich habe mich auf gestrige Informationen bezogen, die unklarer sind, als sie gestern bei der Übermittlung schienen“, schrieb sie am 16. November. Diesen Kontext lässt das Video mit der Behauptung jedoch aus – obwohl es erst im Januar erschien, mehrere Wochen nach der Löschung.
Wir haben Marie-Agnes Strack-Zimmermann per E-Mail zu ihrer angeblichen Aussage befragt. Sie schrieb uns: „Die Behauptung, ich möchte deutsche Soldaten in den Krieg schicken, [ist] absurd und von mir so nicht getätigt worden.“ Stattdessen habe sie immer betont: „Eine Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in der Ukraine ist ausgeschlossen.“
Eine entsprechende Google-Suche führt ebenfalls zu keinem Beleg dafür, dass sich Marie-Agnes Strack-Zimmermann je positiv zum Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine geäußert hätte. Auf eine Anfrage auf der Plattform Abgeordnetenwatch, warum die deutsche Regierung nach Leopard-Kampfpanzern denn keine Soldaten in die Ukraine schicke, antwortete die Politikerin am 9. Februar: „Weil es völkerrechtlich nicht geboten ist.“
Regierungssprecher: Aktuell keine Pläne für Bundeswehreinsatz in der Ukraine
Wir haben bei der Bundesregierung nachgefragt, ob es aktuell Pläne gibt, deutsche Soldaten in den Krieg in der Ukraine zu entsenden. Ein Regierungssprecher antwortete uns, dass das nicht der Fall sei. Das habe Olaf Scholz in einer Erklärung vor dem Bundestag am 8. Februar bekräftigt. Er sagte: „Wir treffen keine Entscheidungen, die die Nato zur Kriegspartei werden lassen.“
Einem Bundeswehreinsatz im Ausland muss immer der Bundestag zustimmen, wie auf der Webseite des Verteidigungsministeriums zu lesen ist. Strack-Zimmermann entscheidet als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses nicht über einen Kriegseinsatz. Deutschland unterstützt die Ukraine im Krieg gegen Russland aus Bundeswehrbeständen, aber nicht mit Streitkräften, sondern mit Ausrüstung und Waffen. So lieferte Deutschland etwa Wollmützen, Zelte, Gabelstapler, Luftabwehrpanzer und Ferngläser an die Ukraine. Außerdem versprach Verteidigungsminister Boris Pistorius 100 Leopard-1-Panzer für die Ukraine. Davon, dass Bundeswehrtruppen in den Einsatz geschickt werden sollen, sprach aber weder Strack-Zimmermann noch Pistorius.
Redigatur: Mathias Bau, Viktor Marinov