Faktencheck

Nein, Schläge auf die Innenseite des Ellbogens helfen nicht bei einem Herzinfarkt

Ein Video zeigt, wie zwei Männer einer anscheinend bewusstlosen Person auf die Innenseite des Ellbogens schlagen. Angeblich sei das eine Erste-Hilfe-Maßnahme bei Herzinfarkt. Doch es hilft laut medizinischen Fachleuten überhaupt nicht. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte man sofort den Notruf unter der Nummer 112 wählen.

von Kimberly Nicolaus

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Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte man sofort den Notruf 112 wählen und bei Herzstillstand eine Herzdruckmassage durchführen (Symbolbild: Martin Schutt / DPA-Zentralbild / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Video zeige, dass Schläge auf die Innenseite des Ellbogens als Erste-Hilfe-Maßnahme bei einem Herzinfarkt helfen.
Bewertung
Falsch. Laut medizinischen Fachleuten ist das Schlagen auf die Innenseite des Ellbogens bei Herzinfarkt unter keinen Umständen eine angemessene Erste-Hilfe-Maßnahme. Es koste sogar Zeit und könne lebensgefährlich sein. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sollte man sofort den Notruf unter der Nummer 112 wählen. Ob das Video einen Herzinfarkt-Betroffenen zeigt, ist unklar.

„Dieses Video zeigt, wie Sie in Notfallsituationen handeln müssen, um Patienten mit Herzinfarkten […] Erste Hilfe zu leisten“, heißt es zu einem Video auf Telegram und Facebook. Im Video sieht man eine anscheinend bewusstlose Person in einem Sessel. Links und rechts von ihm halten zwei Menschen seine Arme und schlagen immer wieder auf die Innenseite seines linken Ellbogens. Nach einiger Zeit reagiert die Person und richtet sich auf. Diese Szene soll sich laut den Beiträgen in einem Theater abgespielt haben. Ärzte und Krankenschwestern hätten dem Patienten das Leben gerettet. 

Fachleute aus dem Bereich Kardiologie, die sich mit Herzerkrankungen befassen, betonen: Einer Person, die einen Herzinfarkt erleidet, auf die Innenseite des Ellbogens zu schlagen, ist keine Erste-Hilfe-Maßnahme. Ersthelferinnen und -helfer sollten sofort den Notruf unter der Nummer 112 wählen.

Zu diesem Video verbreitet sich in Sozialen Netzwerken die Behauptung, auf die Innenseite des Ellbogens zu schlagen, sei eine Erste-Hilfe-Maßnahme bei einem Herzinfarkt – Fachleute widersprechen (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Schläge auf die Innenseite des Ellbogens helfen nicht bei einem Herzinfarkt

Wie eine Bilderrückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video zeigt, wurde es schon am 3. Juli 2019 auf Youtube hochgeladen. Der englische Titel lautet übersetzt: „Plötzlicher Herzinfarkt im Theater. Der chinesische Arzt und Helfer klopfen mit ihren Händen auf den Patienten.“ Dasselbe Video, veröffentlicht am 26. Februar 2022, trägt den Titel: „Ein plötzlicher Herzinfarkt in einem Theater in Singapur – dieses Video gibt Ratschläge für Notfallsituationen.“ Ob das Video tatsächlich in einem Theater in Singapur aufgenommen wurde, konnten wir nicht abschließend feststellen.

Wir haben Ärztinnen und Ärzte gefragt, ob die Maßnahme plausibel ist. Das Schlagen auf die Innenseite des Ellbogens sei „unter keinen Umständen“ eine Erste-Hilfe-Maßnahme, erklärt Christian Maier, Kommunikationsleiter des Deutschen Herzzentrums der Charité. „Ein Herzinfarkt entsteht durch den Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Diese Gefäße versorgen den Herzmuskel mit sauerstoffreichem Blut. Ist das Gefäß verschlossen, stirbt das durch dieses Gefäß versorgte Herzmuskelareal ab. Das geschlossene Gefäß kann nur in einem qualifizierten Krankenhaus wieder geöffnet werden“, betont Maier. „Die genannten Empfehlungen beruhen auf keinerlei wissenschaftlich gesicherter Erkenntnis.“

Vermeintliche Hilfsmaßnahme laut Kardiologin lebensgefährlich 

„Die beschriebene Maßnahme ist Quatsch“, schreibt Stefan Frantz, Klinikdirektor und Kardiologe am Uniklinikum Würzburg. „Selbst wenn die Maßnahme zur Steigerung des Blutflusses führen würde, würde das ja den Gefäßverschluss nicht beseitigen“, so Frantz. „Eine direkte Erste-Hilfe-Maßnahme gibt es nicht, außer möglichst schnell den Notarzt zu rufen, der medikamentös helfen kann und in ein spezialisiertes Zentrum fährt.“  

Ähnlich äußert sich Christiane Tiefenbacher, Chefärztin der Klinik für Kardiologie am Marien-Hospital Wesel und Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung gegenüber AFP: „Das Video und die damit verknüpfte Handlungsanweisung zur Ersten Hilfe bei Verdacht auf einen Herzinfarkt ist lebensgefährlich und entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Evidenz. Es ist gefährlich, bei Verdacht auf akuten Herzinfarkt Zeit zu verlieren, indem man die im Video gezeigte Klatschtechnik auf den Ellbogen anwendet.“

Was sind typische Symptome bei einem Herzinfarkt?

Laut dem Malteser Hilfedienst sind das: 

  • Starker Druck beziehungsweise ein einschnürendes Gefühl des Brustkorbs
  • Starker Schmerz hinter dem Brustbein, typischerweise einhergehend mit Ausstrahlung in Arme, Schulterblätter, Nacken, Hals, Kiefer, Oberbauch oder Rücken 
  • Ein Angstgefühl, das bis hin zur Todesangst mit Schweißausbrüchen führen kann
  • Blasse Haut, Atemnot, Übelkeit und Schwäche

Erste Hilfe bei einem Herzinfarkt: Notrufnummer 112 wählen

Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt ist laut Christian Maier vom Deutschen Herzzentrum der Charité höchste Eile geboten. Für Ersthelferinnen und -helfer gelte: Sofort den Notruf unter der Nummer 112 anrufen und in keinem Fall eine Besserung der Beschwerden abwarten. Helfende sollten die betroffene Person bequem und mit erhobenem Oberkörper lagern. Sie sollten beengende Kleidungsstücke öffnen, um die Atmung zu erleichtern. Die Deutsche Herzstiftung rät dazu, ruhig zu bleiben und die betroffene Person nicht allein zu lassen. Sollte der Herzinfarkt zu einem Herzstillstand führen, schreibt Klinikdirektor Frantz, sollte eine Herzdruckmassage durchgeführt werden. Wie man diese richtig ausführt, erklärt die Deutsche Herzstiftung in diesem Video (ab Minute 1:10).

Das Schlagen auf die Innenseite des Ellbogens ist nicht die einzige sinnlose Erste-Hilfe-Maßnahme bei einem Herzinfarkt, die sich in Sozialen Netzwerken verbreitet. Laut einem Kettenbrief soll angeblich starkes Husten helfen. Doch auch das ist bei einem Herzinfarkt nicht wirksam. Unter Umständen ist es sogar gefährlich, wie wir in unserem Faktencheck erklären.

Redigatur: Viktor Marinov, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Empfehlungen zur Ersten Hilfe bei einem Herzinfarkt, Deutsche Herzstiftung: Link
  • Erste Hilfe bei Herzinfarkt, Malteser Hilfsdienst: Link