Nein, ukrainische Geflüchtete erhalten keinen 250-Euro-Bonus vom Jobcenter
Ein Nutzer auf Tiktok behauptet, die Jobcenter in ganz Deutschland würden für einen Tag schließen, damit ukrainische Geflüchtete sich dort eine Bonuszahlung von 250 Euro pro Person abholen könnten. Mehr als eine Million Menschen sahen das Video, viele reagierten empört. Doch die Behauptung ist frei erfunden. Der ursprüngliche Beitrag soll vermeintlich Satire sein, ist als solcher aber nur schwer zu erkennen.
Mehr als eine Million Menschen haben auf Tiktok einen Beitrag gesehen, in dem am Karfreitag behauptet wurde, die Jobcenter seien am „kommenden Dienstag“, also am 11. April, geschlossen. Grund dafür sei, dass geflüchtete Menschen aus der Ukraine sich „eine einmalige Bonuszahlung in Höhe von 250 Euro pro Person vom Jobcenter abholen“ dürften. Es würden lange Schlangen erwartet, daher seien „alle anderen Anliegen von Arbeitslosen zweitrangig“. Zu sehen sind in dem Video Außenaufnahmen einer Agentur für Arbeit und eine Schlange von Menschen vor einem anderen Gebäude.
Viele Nutzerinnen und Nutzer sind aufgebracht: „Was soll das? Und Rentner? Oder andere Bedürftige?“, fragt einer. Viele finden den Beitrag „unfassbar“ und „unglaublich“, einige zweifeln seine Echtheit an – zurecht, denn die Behauptung ist frei erfunden, wie uns sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schreiben. Der Tiktok-Beitrag ist zwar versteckt als Satire gekennzeichnet, verbreitete sich aber auch ohne den Hinweis.
Es gibt laut Bundesagentur für Arbeit keine Bonuszahlung von 250 Euro an ukrainische Geflüchtete
Eine Google-Suche mit entsprechenden Stichworten („Bonusgeld Arbeitsamt Jobcenter Arbeitsagentur ukrainische Geflüchtete 250 Euro“) liefert keine Hinweise. Christian Ludwig, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit, teilt uns auf Nachfrage mit: „Es gab und gibt keine Bonuszahlungen abhängig von der Staatsangehörigkeit.“ Im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, das die Regelungen zum Bürgergeld und der Grundsicherung für Arbeitssuchende enthält, hätten alle Leistungsbeziehenden die gleichen Rechte und Pflichten, schreibt Ludwig. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schreibt auf Nachfrage, dass es keine Bonuszahlungen für ukrainische Geflüchtete gegeben habe oder gebe.
Laut Ludwig stimmt es nicht, dass alle Jobcenter am Dienstag, den 11. April geschlossen gewesen seien. Zwar könne er nicht für die Jobcenter der kommunalen Träger sprechen, aber alle Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung – also diejenigen, die gemeinsam von den Kommunen und der Bundesagentur betrieben werden – „hatten am 11.4.2023 wie üblich geöffnet“, so Ludwig.
Auch die im Video gezeigte Menschenschlange vor einem Gebäude hat nichts mit einem Jobcenter zu tun. Es handelt sich um eine Aufnahme einer Warteschlange für eine Wohnungsbesichtigung in Berlin Anfang April 2023, über die auch Medien berichteten. Hier wird also Bildmaterial, das eigentlich in einem ganz anderen Zusammenhang steht, benutzt, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen – ein klassisches und wirksames Mittel von Desinformation.
Tiktok-Beitrag war als Satire gekennzeichnet, aber schwer erkennbar
Der ursprüngliche Tiktok-Beitrag enthält einen Satire-Hinweis: Dieser versteckt sich unter vielen anderen Hashtags, wie „Edelflüchtlinge“ oder „Jobcenter“. Er ist nur sichtbar, wenn der gesamte Text neben oder unter dem Video ausgeklappt wird. Dass viele Menschen den Satire-Hinweis übersehen haben, zeigt sich an den empörten Kommentaren. Zudem haben viele Accounts das Video als sogenanntes Duett auf der Plattform ohne den Satire-Hinweis weiterverbreitet.
Der Urheber des Videos, ein Account namens „Fettbär“, verbreitet immer wieder Beiträge, die nur schwer als Satire erkennbar sind. Auffällig ist: Sie richten sich häufig gegen ukrainische Geflüchtete. So behauptete er in der Vergangenheit, ukrainische Geflüchtete bekämen in Deutschland 500 Euro Begrüßungsgeld oder würden in Hotels auf Mallorca untergebracht, die mit deutschen Steuergeldern umgebaut würden. Beides stimmte nicht.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Uschi Jonas, Steffen Kutzner