Wie CORRECTIV Spender überzeugt
Menschen nach Geld zu fragen, ist immer ein bisschen unangenehm. Aber wer ein unabhängiges Medium betreibt, muss da durch und sollte wissen, was er tut: In diesem Best-Practice lernst du, wie CORRECTIV versucht, Menschen von einer Spende zu überzeugen.
Früher war im Journalismus alles irgendwie einfacher: Menschen haben einem Verlag Geld gegeben und dafür eine Zeitung bekommen. Dass diese Zeit längst vorbei ist, ist nichts Neues. Wir müssen neue Gründe finden, aus denen Menschen bereit sind, Geld für Journalismus auszugeben.
Einfach nur ein journalistisches Produkt anzubieten, das Menschen dann kaufen, reicht nicht mehr. Egal, wie gut das Produkt ist: Es braucht eine ausgefeilte Strategie. Bei unserem letzten StartHub-Know-Lunch Mitte Juli war Luise Lange-Letellier zu Gast. Luise leitet das Community-Team bei CORRECTIV. Sie und ihr Team tun den ganzen Tag (fast) nichts anderes, als darüber nachzudenken, wie sie Menschen zu einer Spende an CORRECTIV bewegen können.
Was sie in den letzten neun Jahren bei CORRECTIV darüber gelernt hat, hat sie uns beim Know-Lunch erzählt. Bei Luises Arbeit geht es zwar immer um Spenden, aber vieles davon lässt sich auch auf Mitglieder- oder Abo-Modelle übertragen. Ich habe versucht, Luises Erkenntnisse in fünf Tipps zusammenzufassen:
- Definiert euren Audience-Funnel
- Behaltet mit Newslettern die Kontrolle
- Baut emotionale Bindungen auf
- Kennt die Motive eurer Community
- Sendet die richtigen Botschaften
Schauen wir uns das im Einzelnen an:
Tipp 1: Definiert euren Audience-Funnel
Wie CORRECTIV versucht, Spender zu überzeugen lässt sich gut anhand des Audience-Funnels zeigen. Der beschreibt den Weg eines Nutzers vom ersten Kontakt mit CORRECTIV bis zur Spende. Stelle dir einen großen Trichter vor, in den du oben viel einwerfen musst, damit unten ein bisschen was rauskommt. Auf dem Weg gibt es unterschiedliche Berührungspunkte. So sieht der Funnel bei CORRECTIV aus:
Es beginnt mit der ersten Aufmerksamkeit, also dem Zeitpunkt, an dem eine Person über die Inhalte von CORRECTIV stolpert, zum Beispiel in anderen Medien, durch einen Tweet oder eine Google-Suche. Dadurch entwickelt sich im besten Fall ein generelles Interesse an den Inhalten. Im nächsten Schritt tun Luise und ihr Team dann alles dafür, dass die Person zu einem CORRECTIV-Follower wird, z.B. bei Social Media oder durch ein Newsletter-Abo. (Warum Newsletter-Kontakte für CORRECTIV wesentlich wertvoller sind, steht weiter unten). Als Nächstes werden aus passiven Followern aktive Follower, indem sie mit CORRECTIV interagieren, zum Beispiel durch die Teilnahme an einer Umfrage oder einer Veranstaltung. Im Idealfall sind engagierte Follower dann bereit, CORRECTIV mit einer einmaligen, oder noch besser, regelmäßigen Spende zu unterstützen.
Ihr merkt: Die Metapher vom Trichter ist ein bisschen schief, schließlich fällt bei einem Trichter alles automatisch nach unten. Das ist hier leider nicht der Fall. Es ist eher so, als würde sich, was ihr reingeschüttet habt, dagegen wehren, einfach nach unten zu fallen. Ihr müsst dann hin und wieder einen kleinen Schubs geben oder auch mal kräftig rütteln. Und an manchen Stellen hat der Trichter sogar Löcher und was ihr oben reingeschüttet habt, fällt einfach an der Seite raus.
Der Audience-Funnel ist trotzdem ein hilfreiches Tool, weil er eine Sache besonders deutlich macht: Ihr werdet es nur in den seltensten Fällen schaffen, nur mit reiner Reichweite Spenderinnen und Spender zu überzeugen. Ihr müsst erst eine Beziehung aufbauen und das braucht Zeit und eine Strategie. „Wir erhöhen Schritt für Schritt die Bindung und das Commitment, bis am Ende eine Spende dabei rauskommt”, sagt Luise Lange-Letellier.
Dieses Fallbeispiel ist Teil des Angebots vom CORRECTIV.StartHub, der Anlaufstelle für Journalistinnen und Journalisten, die ihr eigenes Community-zentriertes Medienprojekt gründen wollen.
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Am besten malt ihr euch euren eigenen Audience-Funnel auf ein großes Plakat und überlegt euch, was bei euch die Schritte vom ersten Kontakt bis zur Spende oder zum Abschluss einer Mitgliedschaft oder eines Abos sind. Einmal definiert, könnt ihr immer wieder darauf zurückkommen und einfacher erkennen, an welcher Stelle im Funnel es hapert:
Fällt zu wenig oben rein? Dann müsst ihr Wege finden, eure Reichweite zu vergrößern. Habt ihr viele Leserinnen, aber wenig engagierte Follower? Dann bietet ihr vielleicht zu wenig Möglichkeiten zur Beteiligung. Oder habt ihr zwar viele einmalige Unterstützer, aber zu wenige Menschen, die regelmäßig spenden? Dann habt ihr vielleicht nicht klar genug formuliert, warum eine regelmäßige Unterstützung wertvoller ist, als eine einmalige.
Tipp 2: Behaltet mit Newslettern die Kontrolle
Fast überall, wo ihr CORRECTIV findet, findet ihr irgendwo auch eine Möglichkeit, einen Newsletter zu abonnieren. Newsletter-Kontakte sind deshalb so wertvoll, weil nichts zwischen euch und eurer Community steht. „In sozialen Netzwerken steuern Algorithmen, wie unsere Inhalte angezeigt werden”, sagt Luise, „Newsletter sind die einzige Plattform, bei der wir die Kontrolle haben.” Bei Newslettern habt ihr einen direkten Kontakt, den ihr anschreiben könnt, wann ihr wollt. Ihr könnt außerdem die Ansprache persönlicher gestalten und so eure Botschaften viel besser und zielgenauer platzieren.
Mit Newslettern ist es auch leichter, Gewohnheiten zu erzeugen. Gewohnheiten führen zu einer höheren Bindung, womit wir wieder beim Audience-Funnel wären.
Tipp 3: Baut emotionale Bindungen auf
CORRECTIV baut Bindung nicht nur durch Newsletter auf, sondern auch durch Beteiligung. „Wir wollen verstehen, wer die Menschen sind, die uns lesen und nach Möglichkeit auch eine emotionale Beziehung zu ihnen aufbauen”, sagt Luise.
Einiges lässt sich durch Daten analysieren, viel konkreter wird es aber, wenn man die Leute einfach fragt. CORRECTIV hat deshalb schon vor langer Zeit damit begonnen, Umfragen unter Newsletterabonnenten und Spendern zu machen.
Tipp 4: Kennt die Motive eurer Community
Die erste simple Frage, die ihr euch stellen solltet: Warum sollten Menschen ausgerechnet euch Geld geben? Darauf solltet ihr eine konkrete Antwort haben. Die Motive, euch Geld zu geben, können durchaus unterschiedlich sein.
CORRECTIV hat über die Jahre herausgefunden, dass hinter einer einmaligen Spende häufig ein konkreter Mehrwert steckt, zum Beispiel nach dem Schema: „Diesen Faktencheck konnte ich nutzen, um meine Mutter von einer Impfung zu überzeugen.”
Bei regelmäßigen Spenden ist die Motivation meistens, dass die Person die Vision von CORRECTIV teilt, also den Einsatz für Demokratie und eine aktive, informierte Gesellschaft. „Mit einer Dauerspende ein Teil der Umsetzung dieser Vision zu sein, ist für viele der Hauptgrund”, sagt Luise.
Was laut Luise wenig bis gar keinen Einfluss auf die Spendenbereitschaft hat, ist ein materieller Gegenwert, also zum Beispiel eine Kaffeetasse oder ein T-Shirt als Belohnung für eine getätigte Spende. Solche Geschenke mögen zwar die Bindung erhöhen, motivieren allein aber so gut wie nie alleine zu einer Spende.
Tipp 5: Sendet die richtigen Botschaften
Genauso wichtig wie die Motivation von Spenderinnen und Spendern zu kennen, ist, die richtigen Botschaften zu formulieren.
CORRECTIV hat gute Erfahrungen damit gemacht, die Perspektive von potentiellen Spendern einzunehmen. „Früher haben wir meistens erzählt, was wir alles tolles machen und können, wie wir unsere Vision umsetzen”, sagt Luise, „irgendwann haben wir angefangen, das umzudrehen und haben dadurch Erfolge gesehen.” Also statt „Wir decken Missstände auf” lieber sagen: „Sie wissen, wo es Missstände gibt”. Durch den Perspektivwechsel wird der Mehrwert für das Publikum automatisch klarer und klarer Mehrwert heißt: mehr Spenden.
Botschaften formulieren Luise und ihr Team häufig so, dass sie Emotionen wecken. „Es geht immer darum, kleine Bewegungen zu starten”, sagt Luise, „Fakten zählen dabei leider nicht so sehr. Erzählt lieber Geschichten, wie eure Arbeit wirkt.”
Meistens ist es auch hilfreich, in den Botschaften eine gewisse Dringlichkeit zu erzeugen. Also zu erklären, warum Menschen genau jetzt Spenden sollten. Wichtig ist aber, das nicht zu überreizen: Wer zum Beispiel ständig erzählt, dass ohne eine Spende bald das Ende droht, wird irgendwann unglaubwürdig.