Das System kollabiert leise, jeden Tag ein bisschen mehr. Noch läuft der Alltag, weil Erzieherinnen und Erzieher sich aufreiben, um die Lücken zu schließen. Aber in vielen Kitas reichen die Kräfte nicht mehr. Deutschlandweit meldeten Kitas den Jugendämtern im vergangenen Kita-Jahr tausendfach, dass sie die Betreuung nicht mehr gewährleisten konnten und früher oder zeitweise ganz schließen musste. Weil sie zu wenig Personal hatten.
„Nachdem ich mehrmals aus Personalmangel-Gründen meinen Urlaub verschoben habe, bin ich bei der Arbeit zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus “, schreibt eine Erzieherin aus Rheinland-Pfalz.
„Wir waren zu dritt und mussten 53 Kinder betreuen. Wir sind von Raum zu Raum gerannt. Konnten weder eine Pause machen noch einmal schnell auf die Toilette. Es war Horror“, schreibt eine Erzieherin aus Berlin.
„Dauerhaft mehr Kinder betreuen zu müssen als vorgesehen, ohne Kollegen, macht fertig. Es gibt Tage, wo ich nach Hause komme und einfach nur weine“, teilt eine Erzieherin aus Niedersachsen mit.
Tausende erzählen von den Folgen des Kitanotstands
Bei dieser Recherche hat CORRECTIV.Lokal Aussagen von mehreren Tausend Eltern und Kita-Beschäftigten aus ganz Deutschland erfasst und zeigt damit ein schleichendes Systemversagen auf. Dass in vielen Kitas Personalnot herrscht, ist bekannt. Was die CORRECTIV.Lokal-Recherche nun erstmals aufdeckt, ist ein umfassendes und detailliertes Bild der konkreten Folgen für Beschäftigte, Kinder und Eltern: Erzieherinnen müssen teilweise mehr als 20 Kleinkinder alleine betreuen. Vielen Kindern mit Behinderungen bleibt eine angemessene Förderung vorenthalten. Das Risiko von Gewalt steigt. Kinder leiden – und sind in Gefahr.
Wir haben mit dem CrowdNewsroom, einer von CORRECTIV entwickelten Online-Plattform, Kita-Mitarbeitende und Eltern befragt, welche Folgen der Personalmangel in Kitas für sie hat.
Insgesamt nahmen in der Zeit vom 6. Oktober bis zum 14. November 2023 mehr als 6.700 Personen teil. In der Umfrage wurden offene Fragen gestellt – die Teilnehmenden konnten somit von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Die Umfrage konnte anonym beantwortet werden. Teilnehmende konnten aber auch ihre Kontaktdaten für Rückfragen angeben.
Für diesen Artikel haben wir alle 2.005 Antworten von Kita-Mitarbeitenden, die bis zum 6. November 2023 an der Umfrage von CORRECTIV.Lokal teilgenommen haben, gelesen und inhaltlich ausgewertet. Die vollständige Auswertung der weiteren Antworten folgt in den kommenden Wochen.
Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Sie gibt aber einen tiefen Einblick, welche Folgen der Personalnotstand für Kita-Mitarbeitende und Eltern hat. CORRECTIV.Lokal führte zehn vertiefende Interviews mit Teilnehmenden der Umfrage und sichtete Dokumente wie Kita-Verträge.