Klimaerwärmung in Deutschland und Europa: ZDF-Beitrag auf Instagram ist manipuliert

Auf Instagram, X und Facebook kursiert aktuell ein Ausschnitt aus dem ZDF-„Heute Journal“. Die Moderatorin sagt darin, die Durchschnittstemperatur in Deutschland habe sich seit 1881 um 1,7 Grad Celsius erhöht, im Rest der Welt hingegen um 1,2 Grad. In dem Beitrag in Sozialen Netzwerken wird hinter der Moderatorin eine Karte eingeblendet. Darauf sind für Deutschland +1,7 Grad verzeichnet, für einige Länder in der Nähe, etwa Schweden, Frankreich, Polen und Ungarn, +1,2 Grad.

Sticht Deutschland tatsächlich gegenüber seinen Nachbarn so hervor? Zumindest glauben das einige Nutzerinnen und Nutzer in den Kommentaren. Sie schreiben etwa: „Ja, selbst in der Klimaerwärmung geht Deutschland eigene Wege“, oder „Nur noch Verarsche“. Rund 12.000 Menschen drückten bei dem Video auf Instagram auf „Gefällt mir“.

Doch es ist manipuliert. Die Sendung gab es zwar, doch die irreführende Karte wurde dabei nicht eingeblendet – sondern nachträglich hinzugefügt.

Karte mit Länderdaten zur Klimaerwärmung wurde nachträglich in den ZDF-Beitrag eingefügt

Die Originalsendung wurde am 28. November 2023 ausgestrahlt und ist auf der Seite des ZDF abrufbar. Bei Minute 13:37 beginnt der entsprechende Ausschnitt, die Tonspur ist identisch mit jener auf Instagram. Doch im Hintergrund ist nicht die Karte mit den Temperaturunterschieden eingeblendet, sondern das Bild einer Weizenähre.

In dem Beitrag geht es um einen Klima-Monitoringbericht des Umweltbundesamts, der die Situation in Deutschland mit der globalen in Bezug setzt. Bundesumweltministerin Steffi Lemke präsentierte ihn am 28. November 2023. Phoenix veröffentlichte ein Video der Pressekonferenz auf Youtube. Lemke sagt darin: Der Temperaturanstieg in Deutschland sei mit 1,7 Grad höher als im globalen Maßstab, da stünde man bei 1,2 Grad. Sie zitiert allerdings falsch aus dem Monitoringbericht, dort steht, die Erde habe sich von 1881 bis 2022 im Schnitt um 1,1 Grad erhitzt. Im Bericht geht es um sogenannte Anomalien der Lufttemperatur, also um Abweichungen von den Temperaturen in einem bestimmten Referenzzeitraum – in dem Fall 1961 bis 1990.

Auf der Karte, die in den ZDF-Beitrag montiert wurde, werden diese Tatsachen falsch dargestellt: Weder im Bericht noch in der Sendung wurde die Erwärmung in Deutschland mit konkreten anderen (europäischen) Ländern verglichen – sondern mit einem globalen Durchschnittswert.

Der älteste Beitrag mit dem manipulierten Video, den wir finden konnten, stammt von einem Instagram-Account namens „Ampel_Abschalten“, der Name ist auch als Wasserzeichen im Video zu sehen. Der Account veröffentlichte das Video auch auf Tiktok, dort ist es mittlerweile gelöscht. Auf Instagram war es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes noch verfügbar. Auf Bitte von CORRECTIV.Faktencheck um Stellungnahme reagierte der Account nicht.

Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt

Doch wie sind die Unterschiede in der Erwärmung in Europa? Daten zu einzelnen Ländern sind schwer vergleichbar, weil sie sich teils auf andere Beobachtungs- und Referenzzeiträume beziehen. 

Die Klimaforschung betrachtet meist die sogenannte „mean surface air temperature“ (durchschnittliche Lufttemperatur an der Oberfläche). Damit ist die Temperatur der Luft nahe der Oberfläche gemeint, die etwa 1,2 bis 2 Meter über dem Grund (Land, Meer oder Meereseis) gemessen wird.

Globale Messungen zeigen dabei keine gravierenden Unterschiede zwischen Deutschland und den Ländern in seiner Umgebung. Das Nasa Earth Observatory veröffentlichte einen Überblick für die Jahre 1880 bis 2022, der sich auf einen ähnlichen Referenzzeitraum (1951 bis 1980) bezieht wie der deutsche Monitoringbericht (1961 bis 1990). Auf einer Karte sind die Anomalien der mittleren Lufttemperatur auf der ganzen Welt farblich markiert. Europa ist orange bis dunkelorange eingefärbt und hat sich demnach stärker erwärmt als einige andere Kontinente, wie beispielsweise Nordamerika oder Australien. Deutschland sticht innerhalb Europas aber nicht hervor.

Laut einem Bericht der Weltwetterorganisation (WMO) von Juni 2023 hat sich die Lufttemperatur in Europa seit den 1980er Jahren mit einem Plus von 0,5 Grad pro Jahrzehnt mehr als doppelt so schnell erwärmt wie im weltweiten Durchschnitt. 2022 lag die Durchschnittstemperatur in Europa laut WMO 1,83 Grad über dem Durchschnitt von 1961 bis 1990.

Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

• ZDF-„Heute Journal“l vom 28. November 2023: Link (archiviert)
• Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, Umweltbundesamt, November 2023: Link (archiviert)
• World of Change: Global Temperatures, Nasa Earth Observatory, abgerufen am 19. Dezember 2023: Link (archiviert, Englisch)
• State of the Climate in Europe 2022, Weltwetterorganisation, 2023: Link (archiviert, Englisch)