Faktencheck

Nein, das ZDF hat nicht über das Wetter vor dem Ski-Weltcup 2023 in Sölden gelogen

Beiträge im Netz unterstellen dem ZDF, „Fake News“ über das Wetter vor dem Ski-Weltcup in Sölden verbreitet zu haben. Das ZDF habe behauptet, es gebe nicht ausreichend Schnee für den Wettkampf, Webcams zeigten aber, dass es dort geschneit habe. Tatsächlich schneite es einen Tag vor dem Event, aber für die Austragung war das nicht ausreichend. Die Veranstalter hatten die Piste über Wochen präpariert.

von Paulina Thom

schnee-zdf-ski-weltcup
Einen Tag vor dem Ski-Weltcup in Sölden am 28. Oktober 2023 hat es geschneit. Anders als online behauptet war der Schnee für die Austragung des Events nicht ausreichend. (Quelle: Picture Alliance/ EXPA / APA/ picturedesk.com)
Behauptung
Eine Live-Webcam-Aufnahme belege, dass das ZDF über fehlenden Schnee beim Ski-Weltcup in Sölden gelogen habe und „Klima-Hysterie“ verbreite. Zum Zeitpunkt der ZDF-Berichterstattung habe es „ausreichenden Neuschnee pünktlich zum Saisonauftakt“ gegeben.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Es stimmt, dass es am 27. Oktober 2023, einen Tag vor dem Weltcup, in Sölden geschneit hat. Allerdings wäre der Schnee nicht ausreichend für die Austragung des Events gewesen, weshalb Schnee aus Schneedepots und Schneekanonen eingesetzt wurde.

„In Sölden beginnt der Winter bereits im Oktober“, heißt es auf der Webseite des österreichischen Ortes. Seit 30 Jahren findet dort am Rettenbachgletscher der Weltcup-Auftakt des alpinen Skirennlaufs statt – so auch dieses Jahr am 28. Oktober. Zuvor gab es Protest von Umweltaktivistinnen, Athleten forderten den Auftakt zu verschieben. Einer der Gründe: Es fehlte der Schnee. 

Darüber berichtete auch das ZDF-Mittagsmagazin (ab Minute 27) einen Tag vor dem Sportevent. Beiträge auf Telegram und X unterstellten dem Sender daraufhin, „immer dreister Fake-News“ und „Klima-Hysterie“ zu verbreiten. Als Beleg für ihren Vorwurf führten sie Aufnahmen einer Webcam vom Rettenbachgletscher an, auf denen Schnee zu sehen ist. Auch der österreichische Blog Exxpress schrieb, es habe zum Zeitpunkt der ZDF-Berichterstattung bereits „herrlichen und ausreichenden Neuschnee pünktlich zum Saisonauftakt“ gegeben. Das ist falsch. 

Zwar schneite es einen Tag vor dem Weltcup in Sölden, aber der Schnee hätte für die Austragung des Events nicht ausgereicht. Die Veranstalter verteilten über Wochen konservierten Altschnee auf der Piste und erzeugten technischen Schnee durch Schneekanonen.

Screenshot eines Beitrages auf Telegram und X
In Beiträgen wie diesen stellen Nutzerinnen und Nutzer den Aussagen der ZDF-Moderatorin Aufnahmen einer Live-Webcam vom Rettenbachgletscher in Sölden gegenüber (Quelle: Telegram / X; Screenshots und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Laut Wetterdienst fielen am 27. Oktober 2023 zwischen 10 und 15 Zentimeter Neuschnee 

Die ZDF-Moderatorin Mirjam Meinhardt sagte im Mittagsmagazin (Minute 27): „Am Wochenende geht die Ski-Saison los, also der Weltcup-Auftakt in Tirol in Sölden. Das Problem ist nur: Es fehlt der Schnee und es sieht auch nicht so aus, als würde der auf natürlichem Wege bis zum Wettkampf noch fallen.“ An diesem Punkt endet der Beitrag in Sozialen Netzwerken, es folgt eine Aufnahme einer Live-Webcam vom Rettenbachgletscher.

Die Beiträge verlinken auf die Webseite Bergfex. Dort finden sich Aufnahmen der Piste im Archiv. Ein Vergleich der Tage vor dem Weltcup zeigt, dass es am 27. Oktober geschneit hat. Die Umgebung um die Piste ist dünn von Schnee bedeckt, teilweise sind Geröll und Felsen noch erkennbar. Thomas Wostal von der Geosphere Austria, dem österreichischen Wetterdienst, schreibt uns auf Anfrage, dass kurz vor dem Weltcup etwa 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee gefallen seien. 

Screenshot von zwei Webcam-Aufnahmen vor und nach dem Neuschnee
Vergleich der Aufnahmen des Rettenbachgletschers am 26. und 27. Oktober. Es gab 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee. (Quelle: Bergfex; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Neuschnee in Sölden war nicht ausreichend für den Ski-Weltcup

Anders als online behauptet, reichte dieser auf natürliche Weise gefallene Schnee jedoch nicht für den Ski-Weltcup. Wostal schreibt uns hierzu: „Der kurz vor dem Weltcup gefallene Schnee brachte einen schönen ‚kosmetischen‘ Nutzen für die Umgebung, aber war für die Rennstrecke ohne Relevanz.“ Die Rennstrecke sei nur durch das Aufbringen von Schnee aus Depots aus dem Vorjahr und mittels Schneekanonen möglich geworden. 

Das bestätigt uns auch der internationale Ski-Verband (FIS), der eine Schneekontrolle vor Ort durchgeführt hat. Der Ski-Weltcup habe nur durch eine Kombination aus Snow Farming, Schneekanonen und Neuschnee stattfinden können. Beim Snow Farming wird technisch erzeugter und natürlicher Schnee aus der Vorsaison über den Sommer konserviert und zu Beginn der nächsten Ski-Saison wieder auf der Piste verteilt. Anders als bei Schneekanonen ist man hierbei nicht auf Temperaturen unter dem Gefrierpunkt angewiesen. 

Die Pistenpräparierung lässt sich an Archivaufnahmen der Webcam von Bergfex nachvollziehen. Am 1. Oktober ist lediglich ein Schneehaufen zu sehen, in den Folgewochen verteilten Maschinen den Schnee. Ab etwa Mitte Oktober sind zusätzlich Schneekanonen zu sehen. Laut Medienberichten verteilten die Veranstalter zwischen 45.000 und 60.000 Kubikmeter Schnee über die 1,2 Kilometer lange Strecke. Um den Schnee zu schützen, konnten die alpinen Sportlerinnen und Sportler vor dem Weltcup keine Trainings auf der Piste absolvieren

Screenshots von der Wabcam, die belegen, dass die Piste über Wochen präpariert wurde
Aufnahmen des Rettenbachgletschers belegen, dass die Piste für den Weltcup über Wochen mittels Altschnee und Schneekanonen präpariert wurde (Quelle: Bergfex; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

ZDF berichtete über Pistenpräparierung in Sölden 

Über die Pistenpräparierung berichtete auch das ZDF-Mittagsmagazin. Die Aufnahmen, die man verwendet habe, seien vom 26. Oktober, also einen Tag vor dem Neuschnee in Sölden, teilt uns das ZDF auf Anfrage mit. 

Gleich zu Beginn des Berichts bringt ein Helikopter eine Schneekanone zur Piste und Pistenraupen verteilen den Altschnee. „Man muss schon einen gehörigen Aufwand betreiben, wenn man kurz nach dem gefühlten Spätsommer Ski-Weltcup-Rennen veranstalten will“, heißt es im Bericht (Minute 27:30). Dieser Kontext fehlt allerdings in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken, die dem ZDF Manipulation vorwerfen. 

Viertwärmster jemals gemessener Oktober in den österreichischen Bergen

Wie verändert sich der Schnee in den österreichischen Alpen? Thomas Wostal vom Wetterdienst schreibt uns, es gebe in Höhenlagen, wie der des Rettenbachgletschers, kein eindeutiges Signal, dass es später Winter werde. „Im Gegenteil: In Höhenlagen oberhalb von 3000 Meter hat die Oktober-Schneemenge im Vergleich der Mittel 1961-1990 und 1991-2020 sogar etwas zugenommen.” Das gelte nicht für Lagen unter 2.000 Metern: Dort beginne der Winter immer später und ende immer früher.

Grundsätzlich werde es in allen Höhenlagen in den Bergen immer wärmer, schreibt Wostal. Der Oktober 2023 lag laut Wetterdienst auf Platz 4 der wärmsten Oktober seit Beginn der Messungen vor 173 Jahren. Im Tiefland war es sogar der wärmste jemals gemessene Oktober in Österreich. Und das habe wiederum Auswirkungen auf die Gletscher, schreibt Wostal: „Je wärmer die Sommer sind, desto öfter gibt es in der Höhe Regen statt Schnee, wodurch das Schmelzen beschleunigt wird.“ Im März berichtete der österreichische Alpenverein von dem größten Gletscherschwund seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1891. 

Für die einzigartige hohe Geschwindigkeit und das Ausmaß der Gletscherschmelze ist – darüber berichteten wir in einem Faktencheck – laut Forschenden hauptsächlich der menschengemachte Klimawandel mit Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. 

Fazit: Es stimmt, dass es einen Tag vor dem Ski-Weltcup 2023 in Sölden geschneit hat. Allerdings hätte der Schnee für die Austragung des Events nicht ausgereicht, das bestätigen der Ski-Weltverband und der österreichische Wetterdienst. Dafür musste die Piste über Wochen präpariert werden. Das stößt auf Kritik von Umweltaktivisten und Sportlerinnen. Über diesen Kontext berichtete auch das ZDF.

Redigatur: Matthias Bau, Steffen Kutzner