Höcke-Urteil: Frühzeitiger FAZ-Artikel belegt nicht, dass das Urteil schon vorher feststand
Noch bevor AfD-Politiker Björn Höcke wegen des Verwendens einer verbotenen NS-Parole verurteilt wurde, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung über das Urteil. Anders als behauptet, belegt das aber nicht, dass das Urteil schon vorher feststand. Die Zeitung spricht von einem Versehen.
Es war kurz nach 19 Uhr, als am 14. Mai das Urteil gegen Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen, ausgesprochen wurde: Er soll wissentlich eine verbotene NS-Parole verwendet haben und muss deswegen 13.000 Euro Geldstrafe zahlen – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil stand angeblich aber schon zehn Stunden vor der Verkündung fest — so heißt es in Beiträgen auf Facebook und X und so lautet auch die Interpretation des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron. Der Journalist Boris Reitschuster spricht auf seinem Blog von einem „Verdachtsmoment“.
Grund ist ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der an dem Morgen um 8:52 Uhr veröffentlicht wurde. Von einer konkreten Höhe der Geldstrafe ist zwar keine Rede, doch der Titel lautet: „AfD-Politiker Höcke zu Geldstrafe verurteilt.“
Was war passiert?
FAZ spricht von einem Fehler, vorbereiteter Text sei unabsichtlich veröffentlicht worden
Paula Eckert, Pressesprecherin der FAZ, erklärt auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: „Am Morgen (14. Mai 2024) hatte die FAZ aus Versehen eine für den Fall einer Verurteilung vorbereitete Meldung veröffentlicht.“
Texte vorzubereiten ist in Medienhäusern kein unübliches Vorgehen – öfter liegen eine oder mehrere Versionen eines Textes bereit, von denen dann eine veröffentlicht wird, sobald die entsprechende Situation eingetreten ist. Diese Texte werden oft bereits im Redaktionssystem angelegt und landen unfertig und zu früh in der Öffentlichkeit, wenn jemand sie unabsichtlich publiziert. Ähnlich ist das auch bei Nachrufen, viele davon liegen in Medienhäusern für den Fall des Todes einer prominenten Person in der Schublade – auch diese landen manchmal zu früh im Internet.
Ein solcher Fehler sei sehr ärgerlich, wird FAZ.net-Ressortleiter Cai Tore Philippsen von T-Online zitiert. Mittlerweile liegt hinter der Web-Adresse ein Artikel von Montagabend. Darin wird ebenfalls auf den Fehler hingewiesen.
Landgericht Halle: Es hat zu der Zeit noch kein Urteil gegeben
Es könne auch gar kein Urteil frühzeitig herausgegeben worden sein, weil es um diese Zeit schlicht noch kein Urteil gab, heißt es vom Landgericht Halle (Saale), an dem der Fall verhandelt wurde.
Adina Kessler-Jensch, Richterin und Pressesprecherin des Gerichts, erklärt CORRECTIV.Faktencheck: Am Montag, dem letzten Verhandlungstag im Höcke-Prozess, sei nach der Beweisaufnahme und nach dem letzten Wort des Angeklagten um etwa 17:45 Uhr die Verhandlung unterbrochen worden. Die Kammer – zwei Berufsrichter und zwei Schöffen, also Laienrichter – hätte sich dann zur Beratung zurückgezogen, also sich überhaupt erst entschieden, wie das Urteil lauten wird. Um kurz nach 19 Uhr sei es dann verkündet worden.
Der Vorsitzende Richter Jan Stengel thematisierte die frühzeitige FAZ-Meldung laut Kessler-Jensch sogar selbst am Vormittag der Verhandlung – der Focus berichtete. In einer Pause habe er von dem Artikel erfahren und dann gegenüber den Verteidigern und dem Angeklagten betont: Die Kammer habe noch keine Entscheidung getroffen.
Doch wie kann es sein, dass die FAZ schon am Morgen wusste, dass Höcke wahrscheinlich zu einer Geldstrafe verurteilt würde? Dass das Urteil an diesem Tag gefällt würde, war zu erwarten, denn die Verhandlungstermine waren im Voraus bekannt. Zudem teilte der Vorsitzende Richter Stengel laut Angaben der DPA am vorangegangenen Verhandlungstag mit, dass das Urteil am letzten Prozesstermin verkündet werden könne. Und schon am zweiten Prozesstag, am 23. April, hat das Gericht laut Tagesspiegel erklärt, dass es im Falle eines Schuldspruchs auf eine Geldstrafe hinauslaufen würde.
Der X-Beitrag des AfD-Bundestagsabgeordneten Bystron war zu Redaktionsschluss weiterhin online. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete er nicht.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sophie Timmermann