Wirkungstreffer bei Gazprom
Westliche Sanktionen in Folge der Invasion in die Ukraine bedrohen die Wirtschaftlichkeit von Russlands politischstem Staatskonzern Gazprom.
Wie aus einem internen Bericht an den Gazprom-Vorstand hervorgeht, wird es mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sich Gazprom von den Folgen der Ukraine-Invasion erholen wird. Das berichtet aktuell die Financial Times. Der russische Staatskonzern macht demnach Milliarden-Verluste, kann seine Maschinen nicht ersetzen und verliert weitreichend Märkte – eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht.
Dabei ist die Wirtschaftlichkeit von Gazprom für den russischen Staat von besonderer Bedeutung. Das Unternehmen wird von einem engen Freund von Staatspräsident Wladimir Putin aus Petersburger Tagen geleitet, Alexei Miller. Es gilt als größter russischer Konzern. Und über Gazprom versuchte Putin, Deutschland in Energieabhängigkeit zu bringen.
Von den Plänen ist nicht viel geblieben. Deutschland ist mittlerweile von Gazprom frei. Lediglich Österreich, Ungarn und die Slowakei sind in Europa noch nennenswert im Geschäft mit Gazprom.
Das führt zu Problemen in Russland. Im Mai musste Gazprom zum ersten Mal seit über 20 Jahren einen Milliarden-Verlust ausweisen. Das Geschäftsjahr 2023 schloss der Staatskonzern mit einem Minus in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro ab, zitiert Reuters die offiziellen Mitteilungen von Gazprom.
Die Folgen für die russische Gaswirtschaft sind erheblich. Es fehlen Werkzeuge und Maschinen, um die Gasvorkommen auszubeuten und Standorte zu erhalten. Die Exporte in den Westen brechen weiter zusammen, die politisch angestrebten Exporte in Richtung China kommen nicht in Gang und sind zudem nicht wirtschaftlich. Vor wenigen Tagen verurteilte dann auch noch ein internationales Schiedsgericht Gazprom zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 13 Milliarden Euro an den Düsseldorfer Energieversorger Uniper, weil der russische Staatskonzern seine Verträge nicht eingehalten hatte. Eben diese Verträge standen aber seit den 1970er-Jahren für die deutsch-russische Energiepartnerschaft, die als besonders verlässlich galt. All das ist in der Folge der russischen Invasion in die Ukraine pulverisiert worden.
Schatulle des Kreml-Herrschers
Allerdings dürfen die Schäden für die russische Volkswirtschaft trotz der Probleme bei Gazprom nicht überschätzt werden. Die Gaswirtschaft erwirtschaftet nur etwas unter sieben Prozent der russischen Staatseinnahmen.
Gleichwohl ist Gazprom politisch hoch relevant. Das Unternehmen führt eine eigene Privatarmee und unterhält nach Recherchen der russischen Investigativ-Journalisten des ermordeten russischen Oppositionsführer Alexej Navalny ein weitreichendes Korruptionsnetz, das von Putin persönlich kontrolliert wird. Gazprom gilt als Schatulle des Kremlherrschers, die er zu seinem Machterhalt freigiebig nutzt.
Gerade deswegen hat der interne Bericht an den Gazprom Vorstand, den die Financial Times einsehen konnte, besonderes Gewicht. Die Probleme von Gazprom zeigen Wirkung im Zentrum der russischen Macht.
Den Angaben zufolge treffen die Sanktionen Gazprom härter als bislang bekannt. Die Exporte in den Westen werden bis 2035 im Schnitt nur maximal 75 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr erreichen. Das ist nur in etwa ein Drittel der Menge aus der Zeit vor der Invasion in die Ukraine. Erst danach könnte das Exportniveau wieder auf den Stand vor dem Krieg steigen, heißt es. Gazprom mangelt es an Turbinen, Ersatzteile und Expertise für Reparaturen. Auf Anordnung des russischen Energieministeriums sollten zwar alle Technologien in Zukunft in Russland gebaut werden. Doch das ist bis auf weiteres laut Bericht nicht zu schaffen. Derzeit stammen 75 Prozent der Technologie aus dem Westen. Und die russische Produktion von Turbinen etwa ist nicht auf dem Stand der Technik.
Pipeline-Ausbau stockt
Auch der geplante Bau einer neuen Pipeline nach China kommt nicht in die Gänge. Die chinesischen Staatsführer wollen nicht die Preise zahlen, die im Westen gezahlt werden. Selbst wenn stockende Projekte wie die Pipeline „Kraft Sibiriens 2“ umgesetzt würden, hätte diese nur eine Kapazität von 50 Milliarden Kubikmeter im Jahr, schreiben die Autoren des Gazprom-Reports laut Financial Times. Zum Vergleich, in den Westen wurden zuletzt weit über 200 Milliarden Kubikmeter im Jahr exportiert. Zitat: „Die wichtigste Konsequenz der Sanktionen gegen Gazprom und die Energie-Industrie ist das Abschmelzen der Exporte, die erst nach 2035 wieder das Niveau von 2020 erreichen können.”
Lediglich beim Export von Flüssiggas (LNG) sei mit Wachstum zu rechnen, da dies aus Pazifik-Häfen auf weitere Märkte geschleust werden könne. Jedoch würde davon eher der russische LNG-Produzent Novatek profitieren und nicht Gazprom.
Laut Financial Times wurde der 151-Seiten Report vom Gazprom-Management in Auftrag gegeben und Ende vergangenen Jahres verfasst. Es ist eines der deutlichsten Dokumente, dass die Sanktionen gegen Russland wirken.
Gleichzeitig kommt Gazprom aber auch wegen seiner Vertragsuntreue in Schwierigkeiten. So hatte ein Schiedsgericht dem Düsseldorfer Gasversorger Uniper vor wenigen Tagen 13 Milliarden Euro Schadenersatz zugesprochen, weil Gazprom seit 2022 seine Lieferungen erst reduziert und dann ganz eingestellt hat. Uniper geriet aus diesem Grund in finanzielle Schwierigkeiten und musste vom Bund gestützt werden. Schließlich wurde Uniper verstaatlicht. Wie Uniper weiter mitteilte, wurde dem Unternehmen vom Gericht erlaubt, die Gaslieferverträge mit Gazprom zu kündigen. Damit konnten die langfristigen Gasbeziehungen zwischen Russland und Deutschland nun auch rechtlich bindend beendet werden. Die Verträge hatten seit den 1970er-Jahren den Kern der deutsch-russischen Partnerschaft gebildet. Auf dieser Basis stand jahrzehntelang die Ostpolitik der verschiedenen Bundesregierungen.
Ob Uniper jemals die 13 Milliarden Euro bekommt, ist allerdings ungewiss, teilte das Unternehmen mit.