Faktencheck

Ludwigsburg: Irreführende Behauptungen zur Mülltrennung in Flüchtlingsunterkünften

Seit April verbreiten sich Meldungen, in denen es heißt, vor Unterkünften für Geflüchtete in Ludwigsburg gebe es nur noch Restmülltonnen. Das stimmt so pauschal nicht.

von Paulina Thom

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Online heißt es, in Ludwigsburg müssten Geflüchtete ihren Müll nicht mehr trennen. Doch das trifft nur auf 12 von 270 Unterkünften zu. (Symbolbild: Pixabay / Manfred Richter)
Behauptung
Geflüchtete müssten ihren Müll in Ludwigsburg in Baden-Württemberg nicht mehr trennen.
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Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Laut der Stadt Ludwigsburg werde der Müll im Großteil der 270 Unterkunftsstandorte für Geflüchtete getrennt. Lediglich in zwölf größeren Unterkünften gebe es ausschließlich Restmüllcontainer.

Anfang April sorgte eine Nachricht für Aufregung: Geflüchtete in der Stadt Ludwigsburg in Baden-Württemberg müssten angeblich ihren Müll nicht mehr trennen. Unter anderem berichteten darüber die Blogs Tichys Einblick und die Schweizer Weltwoche

Die Weltwoche titel: „Sonderregel für Migranten: In einer Kleinstadt in Baden-Württemberg müssen Flüchtlinge den Müll nicht mehr trennen.“ Und bei Tichys Einblick heißt es in der Überschrift: „Sonderweg in Ludwigsburg – Flüchtlinge müssen Müll nicht mehr trennen“ und im Text: Die Stadt Ludwigsburg „stellt nur noch Restmülltonnen auf, in die einfach jeder Müll geworfen werden kann – ganz ohne jede Trennung. Allerdings gilt diese neue Regel nicht für alle. Diese Container stehen nur vor Flüchtlingsunterkünften, wie die Ludwigsburger Kreiszeitung berichtet.“ 

Zurückgehen die Berichte also auf einen Artikel der Ludwigsburger Kreiszeitung (LKZ). Am 28. März 2024 titelte die Zeitung „Ludwigsburg stellt vor Flüchtlingsunterkünften nur noch Restmülltonnen auf“. In einer anderen Version des Artikels lautete der Titel: „Flüchtlinge müssen Müll nicht mehr trennen“. 

Durch die Überschriften der Berichte kann der Eindruck entstehen, dass es um alle Unterkünfte für Geflüchtete in Ludwigsburg geht. Und so fassten es auch Nutzerinnen und Nutzer in Sozialen Netzwerken auf Facebook, Tiktok (hier und hier) und X (hier, hier, hier und hier) auf. 

Wir haben uns angeschaut, was dahinter steckt. Tatsächlich zeigt die Recherche: Es betrifft nicht alle Unterkünfte in Ludwigsburg. 

Stadtverwaltung gab Lokalzeitung falsche Information zur Mülltrennung in einer Unterkunft in Grünbühl-Sonnenberg

In dem Artikel der LKZ geht es vor allem um eine Unterkunft im Stadtteil Grünbühl-Sonnenberg. Dort werde die Biomülltonne durch die Restmülltonne ersetzt, berichtet die LKZ aus einer Sitzung der Stadtverwaltung. Auf Nachfrage der Zeitung hieß es seitens der Stadtverwaltung: Dieser Schritt werde nicht nur in Grünbühl gegangen. In den meisten größeren Unterkünften gebe es nur Restmülltonnen und eventuell einen Behälter für Papier.

Auf Nachfrage schreibt uns die Stadt Ludwigsburg, dass eine „falsche Information“ an die LKZ weitergegeben worden sei und präzisiert: In der besagten Unterkunft in Grünbühl-Sonnenberg sei nur die Biomülltonne durch eine Restmülltonne ersetzt worden. „Es gab und gibt dort weiterhin verschiedene Wertstofftonnen“, schreibt uns Pressesprecherin Susanne Jenne. Die Stadtverwaltung hatte auch in einer Mitteilung vom 19. April 2024 die Angaben zur Mülltrennung in Grünbühl-Sonnenberg richtiggestellt: „Die Behälter zur Mülltrennung für Papier und Wertstoff (grün, gelb und blau) stehen dort weiterhin zur Verfügung“, heißt es darin. Eine Redakteurin von CORRECTIV.Faktencheck war am 11. Juni in Grünbühl-Sonnenberg und konnte das bestätigen: Auf dem Gelände der Geflüchtetenunterkunft befanden sich zu diesem Zeitpunkt unterschiedliche Behälter zur Mülltrennung vor den Gebäuden. 

Stadt Ludwigsburg: In 12 von 270 Unterkunftsstandorten gibt es ausschließlich Restmülltonnen 

In der Mitteilung lieferte die Stadtverwaltung weiteren Kontext zu den anderen Unterkünften: In 95 Prozent der 270 Unterkunftsstandorte für die Anschlussunterbringung – das sind diejenigen Unterkünfte, in denen Geflüchtete nach der sogenannten „vorläufigen Unterbringung“ leben – funktioniere die Mülltrennung. Bei den restlichen fünf Prozent „klappt die Mülltrennung nicht immer“, hierbei handele es sich in der Regel um größere Gemeinschaftsunterkünfte mit mehr als 50 Personen. Auf Nachfrage schreibt uns Jenne, in zwölf solcher Unterkünfte in Ludwigsburg gebe es ausschließlich Restmülltonnen und nicht wie zum Beispiel in Grünbühl-Sonnenberg zusätzlich auch Wertstofftonnen.

In der Mitteilung der Stadtverwaltung heißt es weiter: „Nach Erfahrung der Stadtverwaltung misslingt Mülltrennung auch an anderen Orten, an denen viele Menschen gemeinsam Mülltonnen benutzen – unabhängig von Herkunft oder Status. Diesen Sachverhalt nur auf geflüchtete Menschen zu reduzieren, ist aus Sicht der Stadtverwaltung daher nicht angemessen.“  

Wir wiesen die LKZ darauf hin, dass die Stadt Ludwigsburg eine unpräzise Information an die Zeitung mitgeteilt hatte, erhielten jedoch keine Rückmeldung. Der Artikel wurde bislang (Stand 21. Juni 2024) nicht geändert. Wir haben auch die Blogs Tichys Einblick und Die Weltwoche auf die Mitteilung der Stadt hingewiesen. In einer Anmerkung unter dem Artikel der Weltwoche heißt es nun: „Ludwigsburg hat mittlerweile mitgeteilt, dass die Mülltrennung in 95 Prozent der Unterkünfte funktioniere.“ Titel und Inhalt des Artikels sind ansonsten gleich geblieben. Auf unsere Frage, warum der Artikel weglässt, dass es in der LKZ nicht um alle, sondern um größere Unterkünfte geht, antwortete die Redaktion der Weltwoche nicht. Der Blog Tichys Einblick reagierte bis zur Veröffentlichung nicht inhaltlich auf unseren Hinweis oder auf unsere Fragen. 

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Mitteilung der Stadt Ludwigsburg, 18. April 2024: Link (archiviert)