Wie Youtube-Kanäle hunderttausende Klicks mit Falschmeldungen über höhere Renten machen
Mit täglichen Eilmeldungen über „doppelte Renten“ oder Sonderzahlungen versuchen Youtube-Kanäle, Nutzerinnen und Nutzer zu täuschen. Wir erklären, wie man die Masche erkennt.
Der Bundestag habe grünes Licht gegeben, Rentnerinnen und Rentner würden ab dem 3. Oktober doppelte Rente erhalten. Das wird in einem Youtube -Video des Kanals „Deutschland Heute“ behauptet. Mehr als 100.000 Menschen haben das Video gesehen und es ist nicht das einzige dieser Art. In einem anderen Video ist die Rede von einem solchen Beschluss ab dem 9. Oktober. Teilweise mehrfach täglich veröffentlicht der Youtube-Kanal Videos, die über angebliche Rentenerhöhungen oder Sonderzahlungen berichten. Doch solche Meldungen sind erfunden.
Es ist eine Masche, die mit angeblich guten Nachrichten für Rentnerinnen und Rentner Klicks generieren will. Der Youtube-Kanal ist nicht der einzige, der so agiert. In diesem Faktencheck fassen wir zusammen, woran man solche Falschmeldungen erkennt.
Youtube-Kanal veröffentlicht täglich Falschmeldungen und gibt sich als Nachrichtenportal aus
Mehrere Details an dem Video sind auffällig. Es werden keine Quellen oder konkrete Belege für den angeblichen Beschluss des Bundestages angeführt. Die Stimme, die die angebliche Nachricht vorliest, klingt unnatürlich – sie ist vermutlich mit Künstlicher Intelligenz generiert worden. Auch optisch ist das Video merkwürdig: Bilder von Olaf Scholz sind mit Aufnahmen von älteren Menschen und beliebigen Büroszenen aneinander geschnitten.
Dass die Szenen wie aus dem Kontext gefallen wirken, hat einen Grund – viele von ihnen sind sogenanntes Stockfootage, also Symbolaufnahmen von Bildagenturen, die Medien verwenden können, um Sachverhalte zu veranschaulichen. Ab Sekunde 0:48 sieht man etwa, wie ein älteres Paar am Frühstückstisch sitzt – die Frau füttert ihren Partner mit einer Weintraube. Dieses Kurzvideo fanden wir bei der Agentur Getty Images. Auch die erste Szene, bei der eine Frau im Anzug einem älteren Paar etwas auf einem Tablet zeigt, ist eine Symbolaufnahme.
Auffällig ist auch der Youtube-Kanal selbst. Er hat weder ein Impressum noch sonstige Kontaktangaben. In der Beschreibung präsentiert er sich wie eine Nachrichtenseite. Er sei ein führendes „Portal für die aktuellen Nachrichten aus Deutschland!“ Weiter heißt es: „Bleiben Sie stets informiert mit den neuesten Sportnachrichten, politischen Entwicklungen und aktuellen Ereignissen aus einer Vielzahl von Themenbereichen.“ Doch um Sport geht es eigentlich nie in den Videos – und auch um kein anderes Thema als Renten, vor allem um deren angebliche Erhöhung oder Sonderzahlungen. Der Kanal wurde erst im August gegründet.
Ähnlich sieht es bei anderen Youtube-Kanälen mit Namen wie „Deutsche Seniorenrente“ oder „Vermögen des Seniors“ aus, die ebenfalls Videos zu angeblichen Rentenerhöhungen verbreiten. Sie wurden erst vor kurzem gegründet und haben keine Kontaktdaten.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Aussagen zu ‚doppelter Rente‘ entbehren jeglicher Grundlage“
Eine Stichwortsuche zu der Behauptung liefert keine Quellen für den angeblichen Beschluss des Bundestages, auch auf der Webseite des Deutschen Bundestags gibt es dazu keinen Eintrag. Wir haben beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales trotzdem nachgefragt, ob eine Verdoppelung der Rente geplant ist. Eine Sprecherin schrieb uns: „Einen Beschluss für eine ‚doppelte Rente‘ gibt es nicht. Auch gibt es keine Pläne für die zukünftige Zahlung einer ‚doppelten Rente‘. Die Aussagen in dem verlinkten Youtube-Video sind falsch und entbehren jeglicher Grundlage.“
In der Beschreibung des Youtube-Kanals finden sich keine Kontaktdaten, auf einen Kommentar unter einem Video reagierte der Betreiber nicht. Nachfragen, warum es dort täglich Falschmeldungen gibt, sind offenbar nicht erwünscht.
Laut den Richtlinien von Youtube sind Fehlinformationen, die „ein ernsthaftes Risiko für schwerwiegende Schäden darstellen“, nicht erlaubt. Der Kanal wurde nach unseren Anfragen an Youtube und an den Kanalbetreiber gelöscht.
Redigatur: Sophie Timmermann, Matthias Bau