Faktencheck

Tiktok-Video verkürzt Wladimir Klitschkos Aussage über Bereitschaft „für das Land zu sterben“

Angeblich sei der ehemalige ukrainische Boxweltmeister Wladimir Klitschko nicht bereit, für sein Land zu sterben. Das suggeriert ein Tiktok-Video, das ihn bei einer Talkshow zeigt. Doch das Video ist manipulativ zusammengeschnitten, seine Aussage unvollständig. Was sagte Klitschko wirklich?

von Kimberly Nicolaus

Vitali Klitschko trifft Tschentscher
Wladimir Klitschko, ehemaliger Boxweltmeister und Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, bei einer Pressekonferenz in Hamburg im April 2023 (Quelle: Marcus Brandt / Picture Alliance / DPA).
Behauptung
Wladimir Klitschko habe im Gespräch mit Robert Habeck in der TV-Sendung „maischberger“ gesagt: „Nein, ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben.“
Bewertung
Manipuliert. Die Aussage von Wladimir Klitschko wurde verkürzt und fiel nicht in einer Sendung mit Sandra Maischberger, wie durch den Zusammenschnitt suggeriert. Er sagte bei Markus Lanz im September 2023: „Nein, ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben, ich bin bereit, für das Land zu leben.“ Zuvor erklärte er, dass er nicht nur bereit für die Front sei, sondern dass er auch schon dort gewesen sei. Robert Habeck war in der Sendung nicht zu Gast.

Auf Tiktok haben Nutzerinnen und Nutzern bislang über 180.000 Mal ein Video gesehen, das Wladimir Klitschko, ehemaliger Boxweltmeister und Bruder des Kiewer Bürgermeisters, scheinbar im Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer TV-Sendung zeigt. Der Zusammenschnitt suggeriert, die beiden würden sich darüber austauschen, ob sie bereit wären, für ihr Land im Krieg zu sterben. Im Hintergrund von Habeck ist das Logo der Talkshow „maischberger“ zu sehen. Habeck sagt: „Ich muss da nicht kämpfen und ich werde auch nicht sterben in diesem Krieg, aber wenn das passiert, werden viele Menschen sterben.“ Und Klitschko: „Nein, ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben.“ 

Doch das Tiktok-Video verkürzt Klitschkos Aussage irreführend. Es nutzt zudem Videoausschnitte aus unterschiedlichen TV-Sendungen – ein solches Gespräch zwischen Habeck und Klitschko gab es nicht bei „maischberger“.

Diesem Tiktok-Video zu Wladimir Klitschko fehlt Kontext.
Dieses Tiktok-Video zeigt einen verkürzten Ausschnitt einer Aussage von Wladimir Klitschko zum Krieg in der Ukraine (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Tiktok-Video verkürzt Wladimir Klitschkos Aussage – er sagte, er sei bereit an die Front zu gehen

Zu Beginn des Tiktok-Videos fragt Wladimir Klitschko: „Bist du bereit, für dein Land zu sterben?“ Wie eine Google-Suche mit diesen Stichworten zeigt, stammt der Ausschnitt aus einer Markus Lanz-Sendung vom 26. September 2023. Habeck ist in der Sendung nicht zu Gast. 

Wir haben uns die Talkrunde angeschaut. Darin sagte Klitschko gegenüber Markus Lanz (ab Minute 22:47): „Wir verlieren leider unsere besten Leute, das sind Männer und Frauen, an der Front und man muss dann wieder die Armee auffüllen […] es geht dann um die Mobilisierung. Und natürlich, jeder, vor allem jeder Mann, ist dazu verpflichtet, an die Front oder damit zu rechnen, ab einem gewissen Zeitpunkt mit den Waffen [zu gehen].“ Lanz unterbricht ihn und fragt: „Und du wärst dazu bereit?“

Darauf antwortet Klitschko (ab Minute 23:20): „Ich habe diese Frage schon bekommen, du bist nicht der erste, der mich das gefragt hat. Vor allem warte ich auf die nächste Frage und es ist mir wichtiger: Ich bin nicht nur bereit, sondern ich war schon an der Front, um mir die Eindrücke zu verschaffen.“ Er sei in der ukrainischen Hauptstadt Kiew am Anfang des Krieges gewesen und „im Südosten der Ukraine“. Fotos der Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters belegen, dass er am 6. und 18. März 2022 zumindest bei einem Kiewer Militärkontrollpunkt an der Front war.  

Klitschko sagte weiter: „Ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben, ich bin bereit, für das Land zu leben“

Durch die vollständige TV-Sendung zeigt sich außerdem, dass Klitschko die Frage „bist du bereit, für dein Land zu sterben?“ nicht an Habeck richtete – wie das Tiktok-Video suggeriert – sondern bei Markus Lanz nutzt (ab Minute 23:50), um den „Unterschied zwischen Ukrainern und Russen“ zu erklären. Laut Klitschko liege der Unterschied darin, dass er als Ukrainer sagt: „Nein, ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben, ich bin bereit, für das Land zu leben. Das ist eh komplizierter als sterben.“ Auch dieser Kontext fehlt in dem Tiktok-Video. 

Ausschnitte aus einer Markus Lanz-Sendung von Wladimir Klitschko.
Diese Screenshots aus der Markus Lanz-Sendung vom 26. September 2023 zeigen Wladimir Klitschkos vollständige Aussage (Quelle: Youtube; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Äußerungen Klitschkos aus der Lanz-Sendung kursierten bereits im April 2024 unvollständig in Sozialen Netzwerken, wie ein Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur zeigt. 

Habecks Äußerung im Tiktok-Video stammt von 23. Februar 2022

Robert Habecks Äußerung im Tiktok-Video stammt hingegen aus der Folge „maischberger“ vom 23. Februar 2022, also einen Tag vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Moderatorin Sandra Maischberger sagte zu Habeck (ab Minute 9:23): „Sie wirken wirklich angefasst, also Sie haben Angst vor diesem Krieg.“ Darauf antwortete Habeck: „Ich muss da nicht kämpfen und ich werde auch nicht sterben in diesem Krieg, aber wenn das passiert, werden viele Menschen sterben.“ Weiter sagte er: „Das ist eine Situation in einer solchen konkreten Lage, wie wir sie mindestens seit den Balkankriegen nicht gehabt haben.“ Habecks Äußerung war demnach – anders als das bearbeitete Tiktok-Video es darstellt – keine Antwort auf die Frage, ob er für sein Land sterben würde.

Wir haben den Tiktok-Nutzer auf die irreführende Darstellung seines Videos hingewiesen und gefragt, ob er sein Video löschen wird. Bis zur Veröffentlichung erhielten wir keine Antwort.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Paulina Thom, Sophie Timmermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Markus Lanz, Sendung vom 26. September 2023: Link (archiviert)
  • Sendung „maischberger“ vom 23. Februar 2022: Link (archiviert)
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