Der AfD-Mann, der selbst der eigenen Partei zu nah an Russland ist
„Fünfte Kolonne Russlands“ – Nicht nur die Kremlnähe von Eugen Schmidt führt zu Unruhe. Nach Recherchen von CORRECTIV und Istories hatte er bis April 2021 einen russischen Pass.
In einem Post auf X gratuliert die Gruppe „Russlanddeutsche AfD“ am 6. November 2024 Donald Trump zum Wahlsieg und fordert gleichzeitig die Aufkündigung der Westbindung. Nach „wir gratulieren Trump zu seinem Wahlsieg“, folgt die Warnung, „jedoch sollte man auch nicht zu euphorisch sein. Er (sic Trump) verfolgt zuallererst amerikanische Interessen, die den unseren oft entgegenstehen“ dann die Forderung, „die #AfD setzt sich für ein souveränes Deutschland ein, das unabhängig von den USA handelt.“ Schmidt steht mit dieser Forderung im Einklang mit Politikern aus der AfD wie Tino Chrupalla oder Björn Höcke.
Hinter dem Account steht ein Bundestagsabgeordneter der AfD, Eugen Schmidt. Schmidt kommt aus Nordrhein-Westfalen, er ist nach eigenen Angaben in Kasachstan geboren und dann als Russlanddeutscher nach Deutschland ausgewandert, wo er die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt.
Seit 2021 ist Schmidt im Bundestag und vertritt dort prorussische Positionen. Wenige Tage vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fragte Schmidt am 19. Februar 2022 dort auf Russisch, ob „Russland Krieg“ wolle, und antworte selbst mit „Nein“. Seither setzt sich Schmidt für die Wiederaufnahme der Gaslieferungen Russlands an Deutschland und die Wiederherstellung der zerstörten Nord-Stream-Röhren ein. Der AfD-Bundestagsabgeordnete stimmt und redet im Bundestag und in der Öffentlichkeit gegen die Waffenhilfe für die Ukraine. Schmidt ließ sich für die russischen Kriegspropagandisten einspannen und trat nach Beginn des russischen Landkriegs gegen die Ukraine im russischen Fernsehen auf.
Eugen Schmidt reiste bis April 2021 mit einem russischen Pass
CORRECTIV zeigte in einer Recherche, dass Schmidt 2009 noch einen russischen Pass besaß – damit reiste er im Juli 2009 nach Kasachstan ein. Die CORRECTIV-Anfrage dazu ließ der AfD-Bundestagsabgeordnete unbeantwortet.
Nun liegen CORRECTIV und dem russischen Exilmedium IStories aus vertrauenswürdiger Quelle weitere Informationen vor. Demnach soll es einen Reisepass auf den Namen Evgeny Schmidt geben, der am 09.10.2015 ausgestellt wurde und zehn Jahre lang gültig ist. Der Pass soll die Nummer 530977XXX haben. Mit diesem Pass soll der AfD-Politiker Schmidt, bevor er in den Bundestag einzog, mehrfach nach Russland gereist sein. Am 12. April 2021 soll er gemäß der vorliegenden Information vom Moskauer Flughafen Sheremetyevo um 13:15 Uhr mit dem Flug SU-2656 nach Frankfurt zurückgekehrt sein. Davor soll er am 04. April 2021 den Flug SU 2153 von Düsseldorf nach Moskau genommen haben.
Auf schriftliche Anfrage von CORRECTIV bestätigt Schmidt, dass er bis Frühjahr 2021 Inhaber eines russischen Passes war, allerdings, so schreibt er: „Sowohl auf privater als auch auf politischer Ebene wurden klare Trennlinien (Abgabe meines russischen Passes im Frühjahr 2021, Kontaktabbruch zu ehemaligen Mitarbeitern) gezogen, die öffentlich bekannt sind.“ Zu den angefragten Reisen äußert sich der AfD-Politiker nicht. In seiner Antwort lässt Schmidt offen, ob mit der Abgabe des Passes auch die Aufgabe der russischen Staatsbürgerschaft verbunden sei. Ein solcher Prozess nimmt eigentlich mehrere Jahre in Anspruch.
Im Mai 2021 wählte die AfD-Wahlversammlung in Nordrhein-Westfalen Schmidt auf den sicheren zehnten Platz für den Bundestag. Nach AfD-internen Quellen konnte der Doppelstaatler den guten Platz erhalten, weil er sowohl von dem damaligen AfD-Chef von NRW, Rüdiger Lucassen, als auch von Matthias Helferich unterstützt wurde. Der Jurist aus Dortmund steht selbst am rechten Rand der AfD. Helferich bezeichnete sich in einem privaten Chat auf Whatsapp als „freundliches Gesicht des NS“ und wollte ein „demokratischer Freisler“ sein. Roland Freisler leitete unter Adolf Hitler den Volksgerichtshof und führte die Schauprozesse gegen die Attentäter des 20. Juli 1944.
Die Frage von CORRECTIV, ob dem Landesverband der AfD vor der Listenaufstellung 2021 bekannt war, dass Eugen Schmidt bis Frühjahr 2021 Inhaber eines russischen Reisepasses war, ließ der AfD-Landesverband unbeantwortet.
Revolte in der AfD gegen Eugen Schmidt
Nach Informationen von CORRECTIV reiste Schmidt von 2016 bis 2021 mindestens zehnmal mit dem russischen Pass nach Russland. In dieser Zeit besuchte Schmidt auch viermal die von Russland besetzte Krim.
Im Bundestag dürfen Doppelstaatler sitzen. Die AfD wendet sich in ihrem Grundsatzprogramm jedoch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft: „Die AfD lehnt den „Doppelpass“, also den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei gleichzeitigem Fortbestand oder Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit grundsätzlich ab, was wohlbegründete Sonderfälle aber nicht ausschließt“, heißt es im Grundsatzprogramm.
Die prorussischen Positionen von Eugen Schmidt machen dessen russischen Pass jedoch vor allem politisch relevant.
Auffallend ist, dass die Daten von Eugen Schmidt in Russland gemäß der Quellen von CORRECTIV und Istories offenbar besonders geschützt seien. Dieser Schutz soll vor allem bei den Menschen zu finden sein, die für russische Dienste von großem Interesse seien. Zu dieser Frage äußerte sich Schmidt nicht. Der Spiegel hatte 2023 aufgezeigt, dass der Mitarbeiter von Schmidt, Wladimir Sergijenko, offenbar ein russischer Spion gewesen sein sollte. Nach der Recherche trennte sich der AfD-Abgeordnete von seinem Mitarbeiter.
Die Russlandnähe von Schmidt stößt selbst innerhalb der pro-russischen AfD und bei anderen Russlanddeutschen auf Widerspruch. CORRECTIV liegt ein Schreiben von sechs AfD-Mitgliedern vom 11. September 2024 an den Vorstand der AfD-Fraktion im Bundestag vor. „Wir bitten Sie zu prüfen, ob Eugen Schmidt das Recht entzogen werden sollte, die Russlanddeutschen im Bundestag zu vertreten“, heißt es in dem Schreiben.
Schmidt, so der Vorwurf, stelle „die Russlanddeutsche als fünfte Kolonne Russlands“ dar, da er zusammen mit seinem Mitarbeiter im russischen Staatsfernsehen auftauche. Die Absender des Briefes fürchten, dass die Russlandnähe Schmidts der Partei bei kommenden Wahlen zwei bis sechs Prozent kosten könnte. Mit dem Brief konfrontiert, antwortete Schmidt, dass es daraufhin zu „über 100 Unterschriften von Russlanddeutschen” gekommen sei, „die ausdrücklich ihre Unterstützung für mich bekundet haben“.
Die Anfrage zu diesem Brief ließ die Pressestelle der AfD-Bundestagsfraktion unbeantwortet.
Bisher ist nicht bekannt, ob Schmidt bei der Kandidatenaufstellung in NRW für die kommende Bundestagswahl erneut aufgestellt wird.
Redaktion: Anette Dowideit, Justus von Daniels
Faktencheck: Alexej Hock
Bildredaktion: Ivo Mayr
Kommunikation: Luise Lange-Letellier