
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist die vielleicht am stärksten unterschätzte Volkskrankheit: Depressionen. Über fünf Millionen Menschen litten und leiden in diesem Jahr darunter. Eine neue Studie des Deutschland-Barometer Depression zeigt, dass das Problem noch größer ist als meist angenommen. Wie Angehörige wirklich helfen können, ist heute unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Die gefühlte Unsicherheit im öffentlichen Raum nimmt immer weiter zu. Ob sich das mit den Fakten deckt oder etwas anderes dahintersteckt, prüft unsere Jugendredaktion Salon5. Und: Warum ein Rechtspopulist in Rumänien plötzlich und unerwartet Chancen auf die Präsidentschaft hat, erfahren Sie in der Werkbank.
Ich vertrete heute meine Kollegin Anette Dowideit und freue mich über Ihre Gedanken unter sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Unterschätzte Volkskrankheit Depression
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Betrugsmasche auf Facebook: Datenklau statt E-Bikes
CORRECTIV-Werkbank: Rumänien am Scheideweg
Grafik des Tages: Unzufriedenheit mit der Demokratie auf Rekordwert
Wenn auf einmal der Sinn in allem verloren geht und stattdessen Hoffnungs- und Antriebslosigkeit zurückbleiben – so ähnlich beschreiben viele die einschneidende Erfahrung von Depressionen. Neue Daten zeigen: Das Problem ist riesig. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist in unmittelbaren Kontakt mit Depressionen gekommen, als Erkrankte (24 Prozent) oder Angehörige (26 Prozent). Ein Kernproblem: Obwohl die Krankheit so weit verbreitet ist, gibt es immer noch viele Missverständnisse.
Das ist besonders wichtig:
Wie der enge Umkreis damit umgeht, ist zentral. Denn für Betroffene können selbst alltägliche Dinge zu großen Herausforderungen werden. Was nicht hilft: Wenn Nahestehende die Depression nicht als Erkrankung verstehen oder Druck ausüben. (Stichworte: „Reiß dich zusammen“, „Jetzt hab dich nicht so“, „Lach doch mal“.)
Was hingegen hilft: „Einfach da sein“, so lautet die häufigste Antwort. Auch dabei zu unterstützen, Beratungs- und Behandlungsangebote bei Arzt oder Psychotherapeutin wahrzunehmen, kann entlasten.
Familienmitglieder werden der Studie zufolge noch immer zu selten in die Behandlung eingebunden. Weil die Situation jedoch meist die gesamte Familie belastet, sei es ratsam, auch als Angehöriger Informations- und Beratungsangebote wahrzunehmen.
Weit verbreitetes Missverständnis zu Ursachen
Viele überschätzen den Studienautoren zufolge den Einfluss äußerer Faktoren (Stress, Schicksalsschläge, familiäre Probleme) und unterschätzen die Rolle der Veranlagung. Dabei häufen sich Krankheitsfälle oft familiär.
Was tun Arbeitgeber, um Erkrankte zu unterstützen?
Zugleich gilt: Depressionen können jede und jeden von uns treffen – mit Auswirkungen im Privaten wie im Berufsleben. Ich würde deshalb gern von Ihnen wissen: Wie empfinden Sie Ihr Arbeitsumfeld? Haben Sie Beispiele für einen hilfreichen Umgang mit Depressionen in Ihrer Firma, von denen andere SPOTLIGHT-Leserinnen und -Leser profitieren können? Schreiben Sie mir unter sebastian.haupt@correctiv.org.
Magenta-Koalition
Zwei Monate nach der Wahl haben sich SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Nach rbb-Informationen gehen drei Ministerien (Finanzen, Soziales und Gesundheit sowie Infrastruktur) an das BSW.
rbb24.de
Ein rechtes Stelldichein
Ein AfD-Politiker aus Sachsen-Anhalt und rechte Influencer haben sich mit Donald Trump in seinem Golfresort in Florida getroffen.
t-online.de
Halbherzige Entscheidung
Nach Zwangsarbeitsvorwürfen verkauft VW ein Werk in der chinesischen Provinz Xinjiang. Die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer Saic verlängerte der Konzern jedoch bis 2040.
rundschau-online.de
Investigativ
Amazon nutzt Geschenke und Sponsoring, um Kritik zu entschärfen. Was das mit der kleinen Stadt Rheinberg im Ruhrpott zu tun hat, lesen Sie in dieser heute erschienenen Recherche von Lobbycontrol:
lobbycontrol.de

Mit der vermeintlichen Verlosung von E-Bikes erbeuten Betrüger auf Facebook persönliche Daten von Nutzerinnen und Nutzern. Dahinter steckt eine Briefkastenfirma.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Sind wir überhaupt sicher, wenn wir an öffentlichen Orten unterwegs sind? 40 Prozent der Deutschen glauben: Nein! Die gefühlte Unsicherheit nimmt in Deutschland seit Jahren zu. Das zeigen verschiedene Studien. Was an dem Gefühl wirklich dran ist, hat unsere Jugendredaktion Salon5 recherchiert.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Grübeln – also das ständige Bohren nach Lösungen für Probleme – kann schwer belasten. Warum Menschen dazu neigen und wie man da wieder rauskommen kann, zeigt der Video-Podcast der Zeit.
zeit.de (Video)
Fundstück
Der Bayerische Rundfunk gibt Einblick in die Biografie eines gewöhnlichen Arbeiters vor 150 Jahren.
youtube.com
Ich habe Rumänien in der Vergangenheit mehrfach besucht, und jedes Mal war ich beeindruckt von der schnellen Transformation des Landes, seiner lebendigen Zivilgesellschaft und mutigen Staatsanwältinnen. Wie Laura Kövesi, die 2019 auch die erste weibliche Chefanklägerin der Europäischen Staatsanwaltschaft wurde.
Einst als aufstrebender Stern unter den postkommunistischen Nationen und potenzieller Schlüsselakteur an der östlichen Flanke der NATO angesehen, steht Rumänien nun an einem entscheidenden Wendepunkt. Das Land, das einst als Nachzügler abgetan wurde, hatte bedeutende Fortschritte in wirtschaftlichem Wachstum und regionalem Einfluss erzielt und damit sein Bekenntnis zu demokratischen und pro-westlichen Werten signalisiert. Doch die jüngste Präsidentschaftswahl wirft Zweifel auf, ob es so weiter geht – oder ob Rumänien in Richtung Populismus und Nationalismus abdriftet.
In einem überraschenden Ergebnis der ersten Wahlrunde setzte sich der unabhängige, Rechtspopulist Călin Georgescu mit rund 22 Prozent der Stimmen an die Spitze. Dieses Ergebnis spiegelt eine weit verbreitete Unzufriedenheit der Wähler mit der traditionellen Politik wider, angetrieben von wirtschaftlichen Problemen, hoher Inflation, Migration und einem Mangel an wirksamer Führung.
Georgescus nationalistische Plattform, die NATO-kritisch auftritt und Abhängigkeit bei Importen reduzieren will, hat bei enttäuschten Wählern Anklang gefunden. Analysten beschreiben seinen Aufstieg als „Protestwahl“ gegen das politische Establishment. Seine mögliche Präsidentschaft könnte einen dramatischen Wandel in der Außenpolitik und den innenpolitischen Prioritäten Rumäniens bedeuten, einschließlich eines Rückzugs aus der pro-europäischen Haltung.
Die Stichwahl am 8. Dezember, zusammen mit den Parlamentswahlen am 1. Dezember, wird entscheiden, ob Rumänien dem wachsenden Trend zu einer nationalistischen Abschottung folgt. Diese Wahlen haben weitreichende Auswirkungen, nicht nur für Rumänien, sondern auch für die Stabilität der östlichen NATO-Flanke.

Demokratie ja, aber nicht so. Das ist, salopp formuliert, ein Befund der aktuellen Leipziger Autoritarismusstudie. Denn die Zufriedenheit mit der gelebten Demokratie in Deutschland befindet sich auf dem niedrigsten Wert seit Untersuchungsbeginn 2006. Noch zwei Jahre zuvor lag er bei rund 58 Prozent.
tagesspiegel.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Anette Dowideit, Till Eckert, Elena Schipfer und Finn Schöneck.
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