Amokfahrer von Magdeburg Taleb A.: Saudische Frauen schildern unangenehme Erfahrungen mit ihm
Der mutmaßliche Attentäter von Magdeburg war in der arabischen Community bekannt – und soll dort Frauen massiv verunsichert haben. Offenbar bot er ihnen Hilfe an und irritierte sie dann mit falschen Informationen. Einige fühlten sich bedroht und drangsaliert. CORRECTIV-Reporterin Shammi Haque hat dies selbst beobachtet.
Der Täter vom Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat sich seit Jahren als Flüchtlingshelfer für Menschen aus Saudi-Arabien eingesetzt – dabei allerdings insbesondere auf Frauen einen verstörenden Eindruck gemacht. Schon 2019 fiel er erstmals auf: Er soll saudischen Geflüchteten Hilfe versprochen und sich dabei unangebracht verhalten haben.
Eine bekannte saudische Islamkritikerin, die in Köln lebt, gab gegenüber CORRECTIV an, sie habe sogar Anzeige gegen Taleb A. erstattet. Er soll sie beleidigt und bedroht haben. Am Samstagmorgen bekräftigte sie ihre Anschuldigungen gegenüber CORRECTIV. Nicht alle Vorwürfe lassen sich unabhängig nachprüfen.
CORRECTIV-Reporterin Shammi Haque hatte jedoch bei einer früheren Recherche für ein anderes Medium vor Jahren selbst Kontakt zu Taleb A. – und beobachtete, dass er sich auffällig verhielt: Er erhob vielfältige Anschuldigungen unter anderem gegen Flüchtlingshilfsorganisationen, konnte aber keine glaubwürdigen Beweise dafür liefern. Es gab allerdings zu dieser Zeit keinerlei Hinweise, dass Taleb A. Anschlagspläne hatte oder Gewalttaten verüben wollte.
Taleb A. ist eine mysteriöse Figur in der arabischen Community in Deutschland. Laut eigener Aussage ist er Flüchtlingshelfer und arbeitet in einer psychiatrischen Einrichtung.
Frauen beschrieben Taleb A. als „komisch“ und „nicht vertrauenswürdig“
Unsere Reporterin lernte ihn 2019 kennen. Damals beschäftigte sie sich an der Axel-Springer-Akademie mit dem Thema arabische Frauen im Exil. Er hatte in einem Post auf X (ehemals Twitter) über ein Mädchen aus Kuwait geschrieben, das vor ihrer Familie geflohen war und in München Asyl beantragen wollte. Er vermittelte unserer Reporterin den Kontakt.
Seitdem kontaktierte A. die Reporterin mehrfach und schlug ihr Recherche-Themen zu angeblichen Missständen vor. Es ging oft um arabische Frauen, die, so behauptete er, Hilfe benötigten, um Beschwerden gegen vermeintlich korrupte deutsche Behörden oder um Kritik an Organisationen, die Ex-Muslimen helfen. Allerdings konnte er keine glaubwürdigen Beweise vorlegen. Seine Vorwürfe klangen daher eher nach Verschwörungserzählungen.
Reporterin Haque telefonierte damals mit ihm. Ihr erster Eindruck stimmte sie skeptisch. Später hörte sie von anderen Frauen, die ihn als „komisch“ und „nicht vertrauenswürdig“ beschrieben. Eine letzte Nachricht an Haque schickte Taleb A. vor wenigen Wochen, am 22. November, über X. Es ging wieder um Korruptionsvorwürfe, die sich gegen eine Organisation richteten und die auf X mittlerweile auch von anderen berichtet wurden.
Taleb A. bot Geflüchteten Hilfe an – und wurde dann offenbar unangenehm
Taleb A. kam laut eigenen Aussagen in mehreren Interviews 2006 aus Saudi-Arabien nach Deutschland und ließ sich zum Psychotherapeuten ausbilden. Erst einige Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland beantragte er Asyl. In einem Interview gab er an, aufgrund seiner islamkritischen Äußerungen im Internet in seiner Heimat bedroht zu werden.
Im Jahr 2013 wurde er nach Recherchen des Spiegel vom Amtsgericht Rostock wegen der Androhung von Straftaten zu einer Strafe von 90 Tagessätzen verurteilt.
Taleb A. zeigte sich in sozialen Netzwerken offen als Unterstützer der AfD. Er war der Meinung, andere würden Parteien den Islam nicht mit ausreichender Härte kritisierten.
Seit 2018 und 2019 wurde immer wieder darüber berichtet, dass Frauen aus Saudi-Arabien nach Europa flüchten. Taleb A. bot ihnen seine Hilfe an. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch und Arabisch wurde er zunächst von vielen Frauen kontaktiert. Doch schnell bemerkten einige von ihnen, dass er sich problematisch verhielt. Mindestens drei bis vier Frauen sagten unserer Reporterin damals, sie hätten den Kontakt abgebrochen und ihn blockiert.
Der Attentäter soll bedrohte Frauen vor Deutschland gewarnt haben
Zwar habe er tatsächlich einigen Geflüchteten mit Informationen geholfen. Zugleich sorgte er in der saudischen Community für große Verunsicherung. Immer wieder sagten Frauen unserer Reporterin, A. verbreite falsche Informationen oder haltlose Anschuldigungen. Auch soll er den Frauen gedroht haben, ihre Identität bekannt zu machen. Einige hatten den Eindruck, er suche Aufmerksamkeit und wolle sich wichtig machen. Mehrmals soll er Frauen unter Druck gesetzt haben, wenn sie den Kontakt zu ihm abbrachen oder seinem Rat nicht folgten.
Es gibt aber noch schwerere Vorwürfe: Einige Frauen fühlten von ihm sexuell bedrängt. Die Aussagen lassen sich nicht bestätigen: Diese Frauen möchten aus Angst und Unsicherheit nicht öffentlich darüber sprechen.
Eines aber schildern mehrere Zeuginnen übereinstimmend: Er soll Frauen, sowohl öffentlich auf Social Media als auch persönlich, davor gewarnt haben, in Deutschland Asyl zu beantragen – Frauen, die in ihrer Heimat in großer Gefahr waren. Er behauptete, Frauen würden in Deutschland verfolgt. Zudem habe er wiederholt „Rache“ angekündigt.