Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser, 

es geht ein Gespenst durch die Medien, sein sperriger Name ist: Grundsteuerreform. Dieser Tage ist etwa in einer Berliner Boulevardzeitung zu lesen, der „Grundsteuer-Hammer“ treffe nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter – weil steigende Steuern direkt an die Mieter weitergegeben werden dürfen. Das Gesetz erlaubt dies. 

Bloß: Stimmt es überhaupt, dass jetzt überall im Land die Steuern auf Immobilienbesitz so viel höher sind? Darum geht es in unserer CORRECTIV-Recherche – gemeinsam mit Ihnen, den Lesern, mit Lokalredaktionen im ganzen Land und mit dem Portal finanztip.de. Im Thema des Tages zeigen wir Ihnen heute erste Ergebnisse.

Außerdem im SPOTLIGHT: In der „Leserfrage der Woche“ geht es darum, weshalb genau so viele Leute die AfD wählen. Im „Tag auf einen Blick“ verlinken wir heute unter anderem auf einen Text unserer AfD-Verbotsverfahren-Reporterin Marie Bröckling. Sie analysiert, wie die Partei gerade ihre „Nachwuchsförderung“ neu aufstellt – und warum das relevant für die Frage ist, ob die Partei verboten werden könnte. 

Und ich möchte Ihnen eine Schau-Empfehlung geben: Gestern Abend bekamen wir von CORRECTIV erstmals die Chance, einem der Teilnehmer am Geheimtreffen von Potsdam persönlich und vor Fernsehkameras auf den Zahn zu fühlen. Unser Reporter Marcus Bensmann traf in einer österreichischen TV-Talkshow auf den AfD-Hausjuristen und Potsdam-Teilnehmer Ulrich Vosgerau. Hier können Sie nachschauen, wie Bensmann den Rechtsaußen-Mann mit Sachargumenten herausforderte. Mehr dazu Morgen im Wochenend-SPOTLIGHT mit Justus von Daniels.

Von mir schon mal ein schönes Wochenende – ich freue mich wie immer auf Ihre E-Mails: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Wir versteuern der Omma ihr Häuschen

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Leserfrage der Woche: „Wer wählt die AfD – und wieso wird sie trotz der offensichtlich negativen Konsequenzen, die eine Regierungsbeteiligung der Partei hätte, überhaupt gewählt?“

Faktencheck: Anders als von Alice Weidel behauptet, war Hitler kein Kommunist

Gute Sache(n): Welchen Einfluss hat Wahlwerbung auf unsere Meinung? • Zwei Millionen Spartickets bei der Bahn • Langweilige Wahlplakate? Diese Satire ändert alles

CORRECTIV-Werkbank: Fördermittelverschwendung durch Bling-Bling-Professoren: Die Regierung weiß von nix

Grafik des Tages: Das machen Dr. Best und Dr. Sommer heutzutage

Das möchten wir von CORRECTIV genauer wissen. Wir haben deshalb schon im Dezember eine Recherche gestartet, die von Ihrer Hilfe lebt. Wir haben dafür unseren CrowdNewsroom angeworfen. Und dort konnten Sie – und können Sie auch weiter – Ihre neuen Grundsteuer-Bescheide hochladen. Wenn Sie mitmachen mögen, hier entlang:

Unser Ziel:
Wir wollen einen vollständigen Überblick über alle Städte und Gemeinden im Land erhalten: Wo steigen die Steuern, wo sinken sie? 

Auf dieser Datenbasis wollen wir im nächsten Schritt gemeinsam mit Redaktionen aus dem ganzen Land berichten: Was bedeutet es zum Beispiel für eine Kleinstadt, wenn dort plötzlich die Mieten drastisch steigen? Und was, wenn deshalb noch mehr Ladenlokale in der Innenstadt leerstehen? Was tut die Politik, um gegenzusteuern?

Was ist der CrowdNewsroom?
Das ist die von CORRECTIV entwickelte Plattform, mit der wir seit Jahren laufend Recherchen umsetzen. Wir nutzen sie auch hier im SPOTLIGHT häufig, und auch bei vielen Lokalredaktionen im Land kommt er immer wieder zum Einsatz. Im Prinzip ist der CrowdNewsroom ein Instrument für Umfragen, über das sich aber auch Fotos oder andere Dateien hochladen lassen.

Was wir bereits herausgefunden haben:
Bislang haben bereits mehr als 600 Menschen bundesweit mitgemacht und ihre Steuerbescheide hochgeladen. Unser Reporter Sebastian Haupt wertet diese jetzt nach und nach aus.

Ein erstes Zwischenergebnis hatten wir schon im Dezember veröffentlicht (siehe hier: Grafik des Tages). Darin zeigte sich: Tatsächlich steigen die Grundsteuern vielerorts. Aber eben nicht überall. Um ein differenziertes Bild zeichnen zu können, sammeln wir weiter.

Tipps: Wie geht man als Hausbesitzer mit den neuen Bescheiden um?
Es gibt die Möglichkeit, erst einmal Widerspruch einzulegen – wichtig für alle, die dieser Tage erfahren, dass sie deutlich mehr zahlen sollen. Bloß sind die Aussichten auf Erfolg relativ gering, wenn man nicht vorab bereits gegen den Grundsteuerwertbescheid Einspruch eingelegt hat. Den gab es in der Regel schon vor längerer Zeit vom Finanzamt. In Schleswig-Holstein etwa haben das 120.000 Leute getan. Hier stehen die Entscheidungen meist noch aus.

Nahost: Hamas und Israel einigen sich jetzt doch auf Waffenruhe – Deal wackelt trotzdem 
Gestern Abend sah es beinahe wieder so aus, als ob beide Seiten sich doch nicht einigen können. Doch weil der künftige US-Präsident Druck machte, sieht es nun danach aus, dass spätestens am Montag das Abkommen in Kraft tritt – und auch Geiseln freikommen. Es gibt allerdings mehrere Gründe, warum die Waffenruhe nicht halten könnte. 
taz.de (Fragen und Antworten zum Abkommen) 

Lokal: 16.000 Menschen demonstrieren gegen Weidel-Auftritt in Hamburg 
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bekam bei einer Veranstaltung ihrer Partei im Rathaus der Hansestadt ordentlich Gegenwind. Danach konnte sie sich zudem nicht in ihrem Zimmer in einem Hamburger Luxus-Hotel erholen.
ndr.de

Investigativ: Syrische Kurden bereiten sich auf Überlebenskrieg vor
Die Türkei und ihr Ableger, die syrische Nationalarmee, haben eine Großoffensive gegen die kurdische Bevölkerung im Norden des Landes gestartet. Derzeit führt die neue Regierung Syriens Gespräche mit türkischen Staatsleuten über die Entwaffnung der kurdischen Streitkräfte. Für sie ist unklar, ob sie bei einem Konflikt weiter auf die Unterstützung der USA hoffen können, denen die Kurden beim Kampf gegen den IS halfen. The Insider hat die Lage in Syrien eingeordnet.
theins.press

Symbolbild Leserfrage der Woche

Der typische AfD-Wähler ist laut Matthias Quent, Rechtsextremismusforscher an der Hochschule Magdeburg-Stendal, recht gut situiert, formal relativ wenig gebildet, männlich und lebt in einer strukturschwachen, ländlichen Region. Obwohl es diesen Wählern selbst gut geht, sag Quent, seien sie der Ansicht, Deutschland gehe den Bach runter. Sie fühlen sich kulturell bedroht, von Themen wie dem Gendern, Migration oder Klima. 

Dennoch findet die AfD in allen sozialen Klassen und Milieus Zustimmung – selbst innerhalb der Arbeiterklasse, obwohl die Partei einen eher arbeiterfeindlichen Kurs verfolgt

Quent merkt im Gespräch mit CORRECTIV an, dass es sicher noch einige gebe, „die den anderen Parteien mit ihrer Stimme einen Denkzettel verpassen wollen“. Der Anteil der Protestwählerinnen und -wähler werde jedoch immer kleiner, während der Anteil, der die AfD aus politischer Überzeugung wählt, immer größer wird. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung stimmt der „Leipziger Autoritarismus Studie“ zufolge einzelnen rechtsextremistischen und rassistischen Aussagen zu. Die Bielefelder „Mitte-Studie“ kam sogar zu dem Ergebnis, dass acht Prozent der Deutschen ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Diese Menschen sehen die AfD laut Quent als Lösung für ihre Probleme und geben ihr rational ihre Stimme, weil sie beispielsweise „Remigration“ wollen. 

Über 80 Prozent der Befragten gaben im ARD-Deutschlandtrend (Oktober 2024) an, es sei ihnen egal, „dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Quent: „Für viele zieht der Vorwurf des Rechtsextremen nicht mehr“. Entweder weil sie es selbst sind – oder weil sie Recherchen wie der „Geheimplan gegen Deutschland“ von CORRECTIV schlichtweg als Lüge abstempeln. 

Diese Enthüllungen hatten natürlich einen Effekt – genauso wie die Parteigründung des Bündnis Sahra Wagenknecht, das einige potenzielle Wählerinnen und Wähler abwarb. Doch seitdem halfen der AfD Ereignisse wie der weltweite Rechtsruck, der Anschlag von Solingen, Erfolge bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland oder das Scheitern der Ampel-Regierung. Sie bleiben bei den Menschen mehr hängen als kritische Berichterstattung über die AfD, so Quent. Dies zeigt sich auch in den Umfragewerten: Nach der CORRECTIV-Recherche im Januar 2024 verlor die AfD einige Prozentpunkte. Jetzt, ein Jahr später, und trotz weiterer Enthüllungen, liegt sie wieder bei über 20 Prozent.

Auch die jüngsten Auftritte von Spitzenkandidatin Alice Weidel scheinen nichts daran zu ändern. Im Gegenteil. Ihr Talk mit Elon Musk bei X habe der AfD laut Quent einen „Normalisierungsgewinn“ beschert, da die Unterstützung durch den reichsten Mann der Welt, der zudem enger Vertrauter des baldigen US-Präsidenten ist, sie als die richtige Partei erscheinen lässt, die zukünftig mit der erwartbar schwierigen Trump-Regierung zusammenarbeiten kann. 

Alice Weidel behauptete im Gespräch mit Elon Musk, Adolf Hitler sei Kommunist gewesen. Das widerspricht allen historischen Tatsachen

So geht’s auch
Die Bahn stellt zusätzlich zwei Millionen Sparpreis-Tickets zur Verfügung. ICE-Fahrten sind teils für unter 15 Euro erhältlich. Das Ziel: Mehr Menschen zur Reise mit der Bahn bewegen – und die Auslastung in den Zügen besser steuern, denn Rabattpreise gibt es besonders für nicht so beliebte Reisetage.  
watson.de

Fundstück
Sind Sie gelangweilt von nichtssagenden Wahlplakaten? So ging es den Satirikern vom Postillon offenbar auch, und sie haben in Eigenregie neue Plakate für die Parteien entworfen. 
der-postillon.com


Die Regierung wurde auch gefragt, ob sie Kenntnis darüber hat, wie viele Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für Promotionen fehlverwendet werden – und via Arbeitsleistung der Doktoranden in die Bilanzen privater Firmen von Professoren eingehen. Unsere Recherchen zur RWTH Aachen im vergangenen Jahr zeigten genau das. Aber auch hier: Keine Ahnung. 

Das ist insofern spannend, als dass die DFG jährlich Steuergelder in Milliardenhöhe an Forschungsvorhaben vergibt, oder eben Doktoranden sponsert. Ganz generell hat die Bundesregierung keinen Überblick darüber, ob und wie oft Forschungsfördermittel aus Steuergeldern in den vergangenen fünf Jahren fehlverwendet worden sind. Einen solchen herzustellen würde einen „unzumutbaren“ Aufwand darstellen, man müsse das schließlich in allen Ressorts händisch prüfen. 

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.