Liebe Leserinnen und Leser,
dieses neue Projekt haben wir von CORRECTIV in den letzten Monaten vorbereitet und haben dafür ein neues Team aufgebaut: der Kandidierenden-Check. Es geht darum, Ihnen – den Wählerinnen und Wählern – die Wahlentscheidungen zu erleichtern. Und zwar, indem wir Informationen über die Personen zusammentragen, die sich auf öffentliche Ämter bewerben. Warum und wie genau? Das steht im Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Ein Bündnis aus Unternehmern hatte für heute zum „Wirtschaftswarntag“ ausgerufen – mit dem erklärten Ziel, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu retten. Was dahinter steht und was das mit Friedrich Merz zu tun hat, lesen Sie in der „Werkbank“. Um Merz und seine Anträge zu schärferer Migrationspolitik geht es in der Kategorie „Endlich verständlich“. Und die heutige Grafik dreht sich um die Äußerung Elon Musks, man müsse doch mal langsam einen „Schlussstrich“ unter Deutschlands Nazi-Vergangenheit ziehen.
Was beschäftigt Sie heute besonders? Schreiben Sie mir gern. Ich schaffe es nicht immer, allen zu antworten – aber ich lese jede E-Mail aufmerksam: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Bundestags-Kandidaten im Check
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Bundestagswahl-Spezial: Ihre Fragen an die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten
CORRECTIV-Werkbank: Die Lobbyhintergründe des „Wirtschaftswarntages“
Unser neues Rechercheprojekt, das heute offiziell an den Start geht, heißt CORRECTIV.Sunlight. Wir haben eine eigene Themenseite im Netz dafür an den Start gebracht. Dort sammeln wir ab sofort Recherchen zu Kandidatinnen und Kandidaten, die zu Wahlen antreten. Hier eine Übersicht, worum es genau geht und was das Ganze bringen soll:
Warum braucht es Kandidierenden-Checks?
Viele kennen das: Vor Wahlen hängen Plakate an Straßenlaternen, die einen Kopf zeigen, dem man seine Stimme geben soll. Häufig weiß man als Wählerin oder Wähler aber gar nichts über diese Person, und findet über Lokalzeitungen auch wenig über sie heraus.
Es gibt aber durchaus Fälle, in denen es wichtig wäre, mehr über die Bewerberinnen und Bewerber für öffentliche Ämter zu erfahren. Zum Beispiel, weil sie ihren Lebenslauf geschönt haben. Oder weil sie mögliche Interessenskonflikte haben. Oder sich in fragwürdigen Netzwerken bewegen. Das möchte man als Wähler doch schon wissen.
Wie funktioniert das Projekt?
Unser Reporterteam (Martin Böhmer, Niclas Fiegert, Stella Hesch und momentan unsere Volontärin Sarah Langner) trägt in einem standardisierten Verfahren Informationen über die Kandidatinnen und Kandidaten zusammen.
Sie prüfen nach, ob die Angaben in den Lebensläufen stimmen, sie schreiben Texte – und sie tauschen sich mit den Lokalredaktionen an dem Ort aus, an dem der jeweilige Kandidat antritt, damit wir die betroffenen Wählerinnen und Wähler auch wirklich erreichen.
Wie es zum Projekt kam und was dahinter steht:
In den USA gibt es schon seit Jahren ein Pendant, das erfolgreich läuft: das „Sunlight Research Project“ der SEEK Initiative. Dort ist nach und nach eine umfangreiche Datenbank entstanden, die Transparenz über die Kandidierenden herstellt. Dahin wollen wir mittelfristig auch kommen.
Die SEEK Initiative ist unser Projektpartner bei CORRECTIV.Sunlight. Mehr Infos stehen in den „Fragen und Antworten“ auf unserer neuen Themenseite.
Ein aktuelles Beispiel für einen Check bei uns:
Wir haben heute einen Text gemeinsam mit dem Rechercheteam von T-Online veröffentlicht. Es geht um den BSW-Bundespolitiker Andrej Hunko aus Aachen: Er beschäftigt eine Mitarbeiterin, die sich laut zu „Querdenker“-Themen äußert. Hier geht es zu unserem Text, hier zu dem bei T-Online.
Bundeskanzler Scholz warnt vor einer Koalition von Union und AfD
Heute bringen CDU und CSU Anträge für eine verschärfte Migrationspolitik und stärkere innere Sicherheitsmaßnahmen im Bundestag ein. Darüber wurde im Parlament hitzig diskutiert. In seiner Ansprache schoss der Bundeskanzler gegen seinen Kontrahenten Friedrich Merz. Der verteidigte erneut eine Zustimmung zu seinen Anträgen durch die AfD. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland war im Bundestag dabei:
rnd.de
Demokratische Republik Kongo: Miliz M23 übernimmt Kontrolle über Goma
Die proruandischen Rebellen sind in der Hauptstadt Ostkongos einmarschiert. Millionen von Menschen flüchten, die humanitäre Lage vor Ort ist kritisch.
spiegel.de
Lokal: Initiative kauft erneut Berliner Schwarzfahrer frei
Der Freiheitsfonds hat gestern für 3.400 Euro sechs Menschen geholfen, die wegen Fahrens ohne Bahnticket inhaftiert waren. Ein Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung liegt seit Oktober vor, doch die Ampel-Koalition hat ihn bisher nicht verabschiedet. Obwohl das viel Geld sparen würde.
taz.de
Investigativ: Deepfake-Pornoseite hat Verbindungen zu Tech-Unternehmen
Mithilfe von KI werden die Gesichter von Frauen auf explizite Bilder und Videos projiziert. Ohne Einverständnis der Betroffenen. Bellingcat und STRG_F, deren Reporterin selbst zum Opfer dieser Masche wurde, sind den Tätern auf die Spur gekommen.
youtube.com (Video) / bellingcat.com
Bundestagswahl-Spezial
Vor eineinhalb Wochen haben wir den Spitzenkandidierenden von SPD, CDU, Grüne, FDP, AfD, BSW und Linke Fragen zu Ihren wichtigsten Themen geschickt, über die Sie zuvor abgestimmt haben. Ursprünglich hatten sie Zeit, bis vergangenen Freitag darauf zu antworten. Einige baten jedoch um Aufschub, weshalb wir die Frist für alle bis zum 7. Februar verlängert haben.
Die Kommunikation ist allerdings schwierig: Friedrich Merz will sich nicht äußern. Bundeskanzler Olaf Scholz und sein grüner Vize Robert Habeck wollen nicht selbst antworten, sondern ihre Parteien sprechen lassen. Sahra Wagenknecht sagte zunächst aus Zeitgründen ab, auf die Fristverlängerung kam nichts mehr zurück. Christian Lindner reagiert gar nicht – obwohl das FDP-Lager durchaus die E-Mails wahrnimmt, wie Lesebestätigungen zeigen. Alice Weidel und die AfD schweigen komplett. Nur Jan van Aken von der Linken Doppelspitze antwortete fristgerecht.
Vielleicht brauchen die anderen einen Motivationsschub und müssen daran erinnert werden, dass es um Fragen ihrer potenziellen Wählerinnen und Wähler geht. Übrigens: Wussten Sie, dass die meisten E-Mail-Adressen von Politikerinnen und Politikern öffentlich im Internet zu finden sind?
Rund zehn Millionen Menschen sahen auf TikTok ein Video, das angeblich US-Panzer in Texas zeigt. Trump habe sie zur mexikanischen Grenze geschickt, heißt es dort. Doch das Video ist mehrere Monate alt und stammt aus Polen.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Bei seinen Vorstößen zur Grenz- und Asylpolitik gibt sich Friedrich Merz kompromisslos. An diesem Vorgehen hagelt es Kritik – dafür, dass er mit unverbindlichen Entschließungsanträgen Wahlkampf macht, sowie dafür, dass er die Brandmauer zur AfD wackeln lässt. Und auch in der Sache gibt es viele Zweifel: Warum die Vorschläge rechtlich heikel sind, diskutiert LTO. Inwiefern sie auch die Handlungsfähigkeit der EU beim Thema Migration insgesamt schädigen könnte, schlüsselt der Deutschlandfunk auf.
lto.de / deutschlandfunk.de
So geht’s auch
Im Neubau wohnen für neun Euro pro Quadratmeter – ausgerechnet im teuren Hamburg? Das macht ein Modellprojekt in der Hafenstadt möglich. Das Konzept: unnötige Extras in den Baustandards weglassen.
zdf.de (Video)
Fundstück
In Duisburg ist die Wahlbeteiligung traditionell niedrig. Nun soll Freibier helfen, die Menschen zum Abstimmen zu motivieren.
waz.de
Heute Morgen trat Friedrich Merz auf der Plattform X rhetorisch das Gaspedal durch, um Werbung für den sogenannten Wirtschaftswarntag zu machen: Deutschland stehe wirtschaftlich „am Abgrund“, sagte er dort. Was Merz in seinem Video nicht erwähnte ist, dass hinter dem „Mega-Aufstand“ der „Bosse“ („Bild“) im Kern einige Lobby-Organisationen stehen, die für zum Teil aggressive, polemische Kampagnen bekannt sind: etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).
Gemeinsam mit meiner Kollegin Annika Joeres habe ich die Verstrickung des CDU-Kanzlerkandidaten Merz in die Konzernlobby recherchiert. Wie wir nachweisen, rücken marktliberale Lobbyisten an die CDU-Spitze heran.
Finanziert wird die INSM vom Verband Gesamtmetall. Und deren Geschäftsführer Thorsten Alsleben hat gute Kontakte zum CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Dieser war laut Medien auch beim Aktionstag in Berlin dabei.
Der Protest bestärkte nun den Eindruck, dass die Lobbygruppen die Nähe zu Merz nutzen, um im Wahlkampf vehement auf ihren Einfluss zu pochen – Merz’ Wirtschaftsprogramm zeigt bereits frappierende Ähnlichkeiten mit ihren Forderungen.
Kurz vor dem Gedenktag an die NS-Opfer hatte Elon Musk eine „Idee“, die er den AfD-Anhängern per Videoschalte mitteilte: Die Deutschen sollten die Vergangenheit endlich hinter sich lassen. Also einen Schlussstrich ziehen. Das ist nicht nur eine unter Rechtsextremen beliebte Forderung, sie ist auch ziemlich alt und taucht bereits kurz nach dem Ende des NS-Regimes auf. Besonders in der Generation der Täter und Zeitzeugen stellten sich viele einer Aufarbeitung der Schuld beharrlich entgegen. Einige Opfergruppen mussten auch deshalb Jahrzehnte warten, bis ihr Leid anerkannt wurde – und sie damit Anspruch auf Entschädigungszahlungen hatten. Menschen mit Behinderung hingegen sind noch immer nicht als Gruppe der NS-Verfolgten anerkannt.
lebenshilfe.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.
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