
In der Politik ist es gelegentlich wie in einer Schulklasse: Wenn alle anderen einen Trend mitmachen, gehört schon einiger Mut dazu, sich anders zu entscheiden oder sogar zu behaupten, man selbst setze den nächsten Trend.
In Europa ist es derzeit ja angesagt, dass konservative Parteien rechter und marktradikaler werden und dass Grenzen zu rechtsextremistischen Parteien bröckeln. Auch wenn diese Woche das Bild vorherrschte, Friedrich Merz habe auf Risiko gespielt, passt er sich mit seiner Strategie eigentlich genau diesem Trend an.
So lobte Merz jüngst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ausdrücklich die Politik der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni – sie stammt aus einer post-faschistischen Partei. „Interesting“, antwortete darauf sein Gesprächspartner, immerhin Chef des Forums, trocken (ab Minute 16 in diesem Video).
Während einer Recherche über den Einfluss von Netzwerken rund um den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán auf die deutsche Politik, sprach der Chef einer CDU-nahen Denkfabrik uns gegenüber von einem „Vorbildcharakter“ Orbáns und Trumps für die Migrationspolitik. Auch diese Stimmen sind im Umfeld der CDU zu hören.
Merz hat sich also entschieden, dem Trend zu folgen, anstatt einen neuen, vielleicht interessanten Weg vorzuschlagen – mit all den Folgen für die Brandmauer-Debatte. Wir werden weiter genau beobachten, wer sich im Umfeld der Parteien tummelt und wer versucht, Einfluss auszuüben.
Über eine fulminante Vorstellung berichtet Ihnen meine Kollegin Annika Joeres. Auch hier geht es um Einfluss, und zwar marktradikalen Lobbyismus. Das Schauspielhaus Hamburg hat die Recherche unserer Klimaredaktion über ein marktradikales, klimaleugnerisches Netzwerk auf die Bühne gebracht, in dem auch bekannte deutsche Institute auftauchen. Auch welche, denen Merz als Anwalts-Berater sehr verbunden war – zu seinen Lobby-Tätigkeiten haben wir gerade erst eine aktuelle Recherche veröffentlicht.
Empfehlen möchte ich Ihnen zudem den kurzen Einblick von Sergey Lukashevsky, dem Direktor des Sacharow Zentrums. Er beschreibt am Ende des Spotlights exklusiv für Sie, wie sich die Entscheidung Donald Trumps, Hilfsgelder im Ausland einzufrieren, auswirkt: Die russische Opposition droht damit faktisch ins Bodenlose zu fallen.
Ihr
Justus von Daniels
Die Schöpfer des „Heizhammers“
Das Gebäudeenergiegesetz – ein Meilenstein für den Klimaschutz oder ein Lehrstück des politischen Chaos? In der Episode des Podcasts Piratensender Powerplay nehmen Samira El Ouassil und Friedemann Karig das Drama um das GEG auseinander: War es nur politische Debatte oder gezielte Strategie mächtiger Lobbygruppen?
True Crime Spezial: der Heizhammer (Piratensender Powerplay)
Datenkrake: Privater PKW
Moderne Fahrzeuge sammeln und speichern viele persönliche Daten ihrer Nutzer. Eine aktuelle Crowd-Recherche von netzpolitik.org enthüllt, dass große deutsche Autohersteller detaillierte Informationen über Fahrverhalten, Aufenthaltsorte und persönliche Gewohnheiten erfassen. Diese Daten gewähren tiefe Einblicke in das Privatleben der Fahrer, ohne dass ihnen das volle Ausmaß dieser Datensammlung bewusst ist.
Das wissen Autohersteller über Dich und Dein Fahrzeug (netzpolitik.org)
Symbolpolitik statt Lösung?
Die Union hat einen migrationspolitischen Fünf-Punkte-Plan durch den Bundestag gebracht – mit brisanten rechtlichen Fragen und erstmals mit AfD-Unterstützung. Kritiker sehen darin einen Bruch mit geltendem Recht, nationale Alleingänge statt europäischer Lösungen und eine Politik ohne echte Folgenabschätzung. Droht eine Verschärfung der Krise statt einer Lösung?
Jenseits geltenden Rechts (verfassungsblog.de)
Ein Jahr nach den Demos
Eine Doku des ZDF-Kulturformats aspekte widmet sich den Folgen der großen Demonstrationen letztes Jahr nach unserer Geheimplan-Recherche. Neben der Frage, was daraus entstanden ist und warum diese Welle in der Politik eher verhallte, kommt dort auch die konservative Publizistin Liane Bednarz zu Wort. Sie fragt sich, warum die CDU den Ball liegen lässt, den klaren Unterschied von konservativer Migrationspolitik zu der völkischen Ideologie zu ziehen, die in der AfD verbreitet ist.
Was ist aus den Massenprotesten gegen Rechtsextremismus geworden (zdf.de)
Neuer KI-Player aus China
Der neue chinesische KI-Riese DeepSeek sorgt für Schlagzeilen. Im Interview mit der FAZ erklärt Informatiker Antonio Krüger, welche Strategie China hinter dem Vorstoß auf den KI-Markt verfolgt.
Ist die neue KI der Chinesen wirklich ein Durchbruch, Herr Krüger? (faz.de, €)

CORRECTIV Inside
Es ging um schwere Dinge – gefälschte Studien für die Tabakindustrie, marktradikale Ökonomen, die den argentinischen Kettensägen-Präsidenten Javier Milei wie einen Popstar feiern und wissenschaftliche Institute, die die Gas- und Kohleindustrie unterstützen. Doch der Abend im Schauspielhaus Hamburg war leicht und heiter, mit viel Szenenapplaus und Gelächter. Autor Calle Fuhr brachte dort die Recherche der CORRECTIV-Klimaredaktion zu den Netzwerken von Trumps Anhängern und marktradikalen Lobbyisten auf die Bühne.
CORRECTIV hatte darin Geldflüsse verfolgt und politische sowie wirtschaftliche Verbindungen aufgedeckt, die von den USA über Ungarn bis hinein in die Spitzenpositionen der deutschen Politik reichen. Zwei Höhepunkte des Abends: Ein zutiefst überzeugender FDP-Politiker Frank Schäffler, der auf der Bühne mit Feuer zündelt, und die beiden Ökonomen Justus Haucap und Lars Feld, die sich in einem inszenierten Podcast-Gespräch mit ihren Aufträgen aus der Industrie brüsten. „Ein verdienstvoller Abend mit Unterhaltungswert und optimistischem Abgang“, urteilte das unabhängige Theaterfeuilleton Nachtkritik. Und die Hamburger Morgenpost sieht eine Mischung aus Kabarett, journalistischer Recherche und politischer Agitation, die „Spaß macht“.
Die kommenden Vorstellungen sind bereits ausverkauft – aber es kommen noch weitere hinzu.
Der Mann der Großkonzerne
Der Chemieriese BASF bestätigt erstmals frühere Mandate des CDU-Kanzlerkandidaten. CORRECTIV-Recherchen zeigen, welche Unternehmen nach der Wahl von der Nähe zu Friedrich Merz profitieren könnten. Schon jetzt stimmt das CDU-Wahlprogramm teils wortgenau mit Forderungen der Chemie- und Metallindustrie überein.
correctiv.org
Orbáns Flirt mit der Union
Ungarische Denkfabriken, die Viktor Orbán nahestehen, bandelten auf einer Konferenz im vergangenen Oktober mit CSU-Politikern an. CORRECTIV war vor Ort und zeigt, wo sich die Meinungen überschnitten und wo Vertreter der Union klare Kante zeigten.
correctiv.org
BSW-Mitarbeiterin lobt AfD und teilt Verschwörungen
Die Mitarbeiterin des BSW-Bundespolitikers Andrej Hunko spricht von „New World Order“, „grünen Globalisten“ und verlinkt auch mal die AfD: Ein Einblick ins Aachener Wahlkreisbüro des BSW-Abgeordneten.
correctiv.org
Streit über AfD-Verbot sprengt Parteilinien
Am Donnerstagabend hat der Deutsche Bundestag diskutiert, ob die AfD verfassungswidrig ist oder nicht. Es ist das erste Mal, dass die Abgeordneten konkret über Anträge für ein AfD-Verbotsverfahren debattieren.
correctiv.org
Überwältigend
Fast 1.000 Antworten haben wir von Ihnen auf unsere Frage von letzter Woche erhalten. Es sind so viele kluge, interessante Beiträge dazu, warum sich die persönliche Lage so sehr von der Einschätzung über die allgemeine Situation im Land unterscheidet. Wir wollen das natürlich gern in einer passenden Form anzeigen – benötigen dazu aber etwas Zeit als geplant; vor allem weil viel mehr von Ihnen mitgemacht haben als erwartet. Wie großartig!

CORRECTIV Inside
Russische Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten sind seit Tagen in Aufruhr. Zuvor hatten einige Organisationen sogenannte „Stop Work Order Notifications“ von ihren amerikanischen Geldgebern erhalten. Der Grund dafür war Donald Trumps Dekret zur Aussetzung der amerikanischen Hilfe und die entsprechende Anordnung des neuen Außenministers Marco Rubio.
Nicht nur diejenigen, die direkt Gelder erhalten, wie von der Behörde für Entwicklungsarbeit (USAID), sind von der Katastrophe betroffen. USAID etwa vergab Zuschüsse an andere US-Stiftungen und diese gaben sie an große Organisationen, die sie wiederum an Oppositionelle weitergeben konnten. Jetzt wurde die gesamte Kette im Handumdrehen lahmgelegt.
Zivilgesellschaftliche Organisationen haben in der Regel verschiedene Finanzierungsquellen: Ein Geldgeber finanziert beispielsweise die Anreise der Teilnehmer zu einer Konferenz, der zweite die Miete der Räumlichkeiten. Wie kann die Veranstaltung organisiert werden, wenn ein Teil der Finanzierung blockiert ist? Oder einer der Geber übernimmt die Betreuung der russischen Teilnehmer, ein anderer die amerikanischen oder europäischen. Was nützt ein Treffen zum Erfahrungsaustausch, wenn eine der Parteien nicht kommen kann? Oder es gibt Mittel für die Hälfte eines Projektteams, aber die andere Hälfte ist blockiert.
Es sind nicht nur Konferenzen und andere Veranstaltungen, deren Finanzierung eingefroren wurde. Jeder könnte eine Zeit lang ohne Sitzungen auskommen. Auch ein großer Teil der Arbeit innerhalb Russlands, bei der Anwälte ihre Freiheit und Sicherheit riskieren, um Opfern von Repressionen zu helfen, steht vor dem Aus. Jetzt müssen auch sie sich Gedanken darüber machen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Auch viele im Exil lebende Aktivisten haben ihre Einkommensquelle verloren. Jeder politische Emigrant steht vor einem Dilemma. Entweder arbeitet er weiter für sein Land oder er gibt alle Bemühungen auf, sich im Gastland zu integrieren. Diejenigen, die jetzt gezwungen sind, sich für den zweiten Weg zu entscheiden, werden wahrscheinlich nicht zu ihrer früheren Arbeit zurückkehren.
Was gerade geschieht, ist eine Übertragung der schlimmsten Geschäftspraktiken auf den humanitären Bereich. Typisch Trump. Wenn man versucht, in dem anhaltenden Chaos etwas Positives zu finden, dann vielleicht dies: Viel wurde darüber gesprochen, dass sich die USA zu sehr in die Angelegenheiten anderer Menschen auf der Welt einmischen. Jetzt haben wir die Gelegenheit zu sehen, was passiert, wenn sie sich aus der Welt zurückziehen.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Finn Schöneck.
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