
Liebe Leserinnen und Leser,
gestern verkündeten die Spitzen von Union und SPD ein in der Geschichte der Bundesregierung wohl beispielloses Investitionspaket. Demnach soll die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden und zusätzlich ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen kommen. Was das bedeutet und warum es uns alle betrifft, ist unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Bei dem Tatverdächtigen in Mannheim sieht die Polizei keine Hinweise auf ein politisches Motiv. Recherchen zeigen allerdings, dass Alexander S. einer Vereinigung aus dem Spektrum der Reichsbürger angehörte, geführt von Neonazis. Annika Joeres ordnet das in der Werkbank für Sie ein und lenkt den Blick auf die Frage, warum der Fall im Vergleich so wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Sie haben Anregungen oder Kritik? Schicken Sie mir gern eine Mail an sebastian.haupt@correctiv.org.
Thema des Tages: Milliardenschulden zur Verteidigung
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Mannheim: X-Nutzer verbreiten falsches Foto von Festnahme
CORRECTIV-Werkbank: Nach Tat in Mannheim: Wo unsere Aufmerksamkeit hingeht
Grafik des Tages: Umfrage: Keine öffentlichen Aufträge für Lohndumping
Noch kurz vor der Wahl hatte Merz eine Reform der Schuldenbremse ausgeschlossen. Gestern Abend verkündeten Union und SPD dann ein großes Investitionspaket, das ein neues Sondervermögen und eine Lockerung der Schuldenbremse vorsieht. Was dazu wichtig ist:

Das steht auf dem Papier:
Die wohl wichtigsten Neuerungen: Verteidigungsausgaben sollen von der Schuldenbremse weitestgehend ausgenommen werden, Ausgaben für die Bundeswehr wären damit theoretisch nach oben offen (mehr dazu hier). Zudem soll es ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre geben, um Infrastrukturvorhaben zu finanzieren. Im Originalwortlaut finden Sie die Einigung hier.
Darum ist das politisch zentral:
Eine solche Summe wäre in gewöhnlichen Zeiten kaum möglich gewesen, doch in der aktuellen Lage setzen die möglichen Regierungsparteien auch ein Signal nach außen: Deutschland ist handlungsfähig. Zudem verschaffen sie sich finanziellen Spielraum. Genau daran war die Ampel zerbrochen. Zum Vergleich: Am Abend des Koalitionsendes ging es um 3 Milliarden Euro für ein Ukraine-Hilfspaket, dem die FDP nicht zustimmen wollte.
Kommt das Vorhaben durch?
Das ist noch nicht sicher. Weil Linke und AfD im neuen Bundestag eine Sperrminorität haben, soll es noch im alten Bundestag verabschiedet werden (am 13.3. und 17.3. soll der Bundestag tagen, am 21.3. der Bundesrat). Dafür benötigen Union und SPD jedoch die Grünen, die allerdings die Schuldenbremse noch grundsätzlicher reformieren wollen.
Die Pläne bedeuten Milliarden neuer Schulden
Obwohl es Sondervermögen heißt, geht es um Kredite – im Klartext: zusätzliche Schulden, mit denen die kommenden Generationen belastet werden. Das stößt auch einigen innerhalb der Union sauer auf. Tenor: Merz habe sich der SPD zu sehr angenähert. Auch im Wahlprogramm der Union war eine Reform der Schuldenbremse ausgeschlossen.
Reform der Schuldenbremse schon lange Thema
Andererseits fordern einige Fachleute seit Langem, die Schuldenbremse zu reformieren, weil sie Investitionen verhindere, mit denen die schwächelnde Wirtschaft angekurbelt und langfristig zukunftssicher aufgestellt werden kann. Selbst die Bundesbank hatte gestern einen Vorschlag zur Lockerung unterbreitet – allerdings weniger weitreichend.
Kern der Überlegungen: Die zusätzlichen Ausgaben müssen wirklich Investitionen sein, die im Nachgang das BIP positiv beeinflussen – und nicht in Form von sozialen Transfers für Konsumausgaben verwendet werden.
Was denken Sie?
Einige werfen Merz vor, die Wähler getäuscht zu haben. Andere halten das Vorhaben für einen verantwortungsbewussten Schritt Richtung Regierungsbildung. Wie denken Sie darüber? Finden Sie die Reformvorschläge richtig – oder wird Ihnen bei so vielen Milliarden Angst und Bange? Und: Haben Sie Sorgen oder Fragen, denen wir auf den Grund gehen sollen? Sagen Sie es uns hier:

Trump vor US-Kongress: „America is back“
Mit rund 100 Minuten hat der US-Präsident eine Rede vor beiden Kammern des Kongresses gehalten, wie noch keiner seiner Vorgänger bisher. In dieser Zeit lobte er sich vor allem selbst, er habe in 43 Tagen mehr erreicht als vorherige Regierungen in vier oder acht Jahren. Die US-Demokratin Elissa Slotkin hielt in einer Rede dagegen – sie zweifelte an, dass Trumps Wirtschaftspläne wirklich zum Wohl der USA seien.
rnd.de (Zusammenfassung) / zdf.de (Faktencheck)
Selenskyj laut Trump zu Verhandlungen mit Russland bereit
Laut Donald Trump hat der ukrainische Präsident nach dem Streit im Weißen Haus einen Brief an den US-Präsidenten verfasst, in dem er seine Bereitschaft für das Rohstoffabkommen mit den USA und Verhandlungen für einen Waffenstillstand mit Russland äußerte. Derweil wurde bekannt, dass die USA neben der Militärhilfe auch ihre Weitergabe von Geheimdienstinformationen gestoppt haben.
tagesschau.de (Liveblog)
Mannheim: Täter wohl Teil einer Neonazi-Gruppe
Zwei Menschen starben und mehrere wurden teilweise schwer verletzt, nachdem Alexander S. mit seinem Auto in hohem Tempo am Rosenmontag in die Passanten der Mannheimer Innenstadt gefahren war. Er soll laut der antifaschistischen Recherche-Plattform Exif Teil vom „Ring Bund“ gewesen sein – einer von Neonazis angeführten Gruppe von Reichsbürgern mit Verbindungen zu einem Waffenhandelsring.
exif-recherche.org
Investigativ: Systematischer Betrug durch georgisches Callcenter
Ein anonymer Whistleblower hat dem schwedischen Fernsehsender SVT Daten zugespielt: Telefonbetrüger sollen über 35 Millionen Dollar eingenommen haben, indem sie ihre Opfer zu lukrativen Investments in Rohstoffe, Kryptowährungen oder Währungsgeschäfte überredeten. Auch Deutsche sind beteiligt und betroffen. Unter anderem beteiligten sich Journalisten vom Spiegel, ZDF und von Der Standard an der internationalen Recherche, die vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) koordiniert wurde.
spiegel.de (€) / zdf.de / derstandard.at

Auf X verbreiten Nutzerinnen und Nutzer ein Foto, das angeblich die Festnahme des Tatverdächtigen zeige, der am Rosenmontag in Mannheim in eine Menschenmenge gefahren sein soll. Doch die Aufnahme ist aus München und von Mitte Februar.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Diaphragma, Vaginalring oder Kondom: Es gibt viele unterschiedliche Verhütungsmittel. Aber wie genau wirken diese und wie sicher sind sie? Unsere Jugendredaktion Salon5 schaut sich beliebte Verhütungsmittel an und erklärt genauer, wie diese angewendet werden.
Instagram
So geht’s auch
Das Land Berlin hat eine Mietpreisprüfstelle eingerichtet. Mit der kostenfreien Beratung können Bewohner der Hauptstadt prüfen lassen, ob sie zu viel zahlen.
rbb24.de
Fundstück
Zum Karneval gibt es nicht nur bunte Kostüme, Büttenreden und viel Alkohol, sondern auch eine Reihe lokaler Traditionen. Manche davon muten skurril an: etwa ein Wohltätigkeitswiegen oder das Einwickeln junger Männer in mehreren Lagen Stroh. Ein paar pfälzische Bräuche gibt es hier:
ludwigshafen24.de
Welche Verbrechen erhalten unsere Aufmerksamkeit? Eine gewichtige Frage, schließlich folgten zuletzt aus viel besprochenen Attentaten wie der Messerattacke in Aschaffenburg weitreichende politische Debatten. Anders nach der Amokfahrt am Montag in Mannheim: Als sich herausstellte, dass der Attentäter ein gebürtiger Rheinland-Pfälzer ist, ebbte das öffentliche Interesse und insbesondere das der rechten Bubble sofort ab. Der Mann sei nur psychisch krank, hieß es.
Nun meldet Exif, eine antifaschistische Rechercheplattform, der Täter sei Teil vom sogenannten „Ring Bund“ gewesen – eine Gruppe aus dem Spektrum der Reichsbürger, geführt von Neonazis.
Bislang geht die Polizei dennoch nicht von einem politischen Motiv aus. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mannheim und eine Sprecherin des Landeskriminalamts sagten nun der taz, die rechtsextremen Aktivitäten von Alexander S. würden im Rahmen der Ermittlungen geprüft. Zu klären sei aber, ob diese für die Tat relevant waren.
Klingt nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar ist, wieso das Mitleid und die mediale Aufmerksamkeit für die Opfer des Attentats so viel geringer sind als bei den vorherigen – wo mutmaßliche islamistische Hintergründe vermutet wurden.

Der Großteil ist sich offenbar einig: Kein Lohndumping, wenn es um öffentliche Aufträge geht. Das geht aus einer Umfrage hervor, die von der europäischen Gewerkschaft UNI Europa in Auftrag gegeben wurde.
rnd.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Jule Scharun.
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