AfD-Abgeordneter bei Mercedes: Mitarbeiter beschweren sich
Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß erlangte mit einem „Abschiebekalender“ zweifelhafte Bekanntheit. Innerhalb seiner Partei gilt er als Hardliner. Neben seinem Mandat ist er bei Mercedes in Sindelfingen als Einkäufer beschäftigt. Unter den Mitarbeitern regt sich Widerstand: Sein Verhalten passe nicht zu den Leitlinien des Unternehmens.

Der schwäbische Autohersteller Mercedes positioniert sich seit Jahren als besonders umweltbewusstes Unternehmen: „Nachhaltigkeit und Klimaschutz bilden einen wesentlichen Eckpfeiler unserer Unternehmensstrategie“, schreibt der Konzern auf seiner Webseite. Die gesamte Fahrzeugflotte soll bis 2039 CO2-neutral werden.
Diese Leitlinie wird aber offensichtlich nicht von allen Mitarbeitenden mitgetragen. Einer von ihnen ist Miguel Klauß aus dem baden-württembergischen Nagold. Klauß ist bei Mercedes im Aluminiumeinkauf tätig, in Teilzeit. Neben seiner Tätigkeit beim Autobauer bekleidet er ein politisches Mandat, er ist Landtagsabgeordneter und Teil der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg.
Klauß macht kein Geheimnis aus seiner Haltung. So sagt er öffentlich: „Manager, die linker grüner Politik hinterherlaufen und überrascht sind von den Konsequenzen, sind Totalversager.“ Umweltfreundliche Baumaßnahmen, etwa Fassadendämmung oder Solaranlagen, nennt er „Klimawahn“.
Mitarbeitende bei Mercedes fragen sich zunehmend, wie solche Aussagen zur Ausrichtung des Unternehmens passen. „Wir machen ja mit nachhaltigem Aluminium Werbung. Klauß war lange die Person, die da mitverantwortlich war. Mich hat das total gewundert, solche Positionen abzugeben“, sagt einer gegenüber CORRECTIV. „Dann ist die Frage, meinen wir das ernst oder nicht?“
Beschwerde gegen Klauß im internen Whistleblowing-Tool
Im Oktober vergangenen Jahres traf sich Klauß mit Vertretern des Vereins „Zentrum – Die alternative Gewerkschaft e.V.“ im Landtag. Die angebliche Gewerkschaft, bei der Klauß nach eigenen Angaben Mitglied sei, stand bis 2022 noch auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. In einem Post auf der Plattform Instagram schreibt er zum Besuch, der Verein stelle sich gegen das Verbrenner-Aus.
In Gesprächen am Arbeitsplatz habe sich Klauß laut des Mitarbeitenden teils klimawandelleugnerisch geäußert oder gegen Elektrofahrzeuge gewettert. Aufgefallen sei er zudem mit entsprechenden Kommentaren im internen Kommunikationstool. Unter einem Eintrag im Intranet schießt Klauß etwa gegen die E-Auto-Pläne bei Mercedes: Die Strategie hätte keinen Mehrwert, „außer dass mir manche Spinner einreden mit einem E-Auto würde ich es verhindern, dass es in Zukunft Hochwasser in Bangladesch gibt“. Weiterhin schreibt er „CO2-Steuer ist schon Abzocke genug“.
„Da verschwimmen für mich immer die Grenzen. Tritt er jetzt als Mitarbeiter oder als Politiker auf? Das ist doch auch eine Art Einflussnahme“, sagt der Mitarbeitende.
Mercedes wirbt damit, Erstunterzeichnerin der „Charta für Vielfalt“ zu sein. Mit dieser Selbsterklärung fördere das Unternehmen Internationalität, ein inklusives Arbeitsumfeld und Diversity. Auch in einer Grundsatzerklärung stellt sich Mercedes gegen Diskriminierung beispielsweise aufgrund von Religion oder Herkunft.
CORRECTIV liegt eine formelle Beschwerde gegen Klauß aus dem internen Whistleblowing-Tool von Mercedes vor. Ein Mitarbeitender schreibt darin, Klauß äußere sich in der Öffentlichkeit und in sozialen Medien regelmäßig diskriminierend gegen Minderheiten.

Der Mitarbeitende bezieht sich unter anderem auf einen Instagram-Beitrag von Klauß, in dem er das sogenannte „Abschiebeticket“ bewirbt, mit dem die AfD Anfang Januar für Empörung sorgte – und das Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung nach sich zog.
Klauß’ Aussagen erregen regelmäßig öffentliches Aufsehen. 2022 bezeichnete er etwa den amtierenden Bundespräsidenten als „Spalter“. Der AfD-Politiker steht zudem hinter dem sogenannten „Abschiebekalender“, der im vergangenen Jahr zu Empörung führte. Klauß stellte darin „die 12 schönsten Abschiebeflieger“ vor. Den Kalender bewarb er mit der Forderung nach millionenfacher Remigration. Auf Tiktok gehört Klauß zu den erfolgreichsten Politikern seiner Partei, dort fordert er zum Beispiel: „Wir müssen abschieben, bis die Startbahnen anfangen zu glühen.“
„Diese Äußerungen haben nach meiner Wahrnehmung Auswirkungen auf unser Arbeitsumfeld, da sie gegen die Grundsätze des respektvollen und diskriminierungsfreien Miteinanders in unserem Unternehmen verstoßen.“ Klauß’ Verhalten, so schreibt der Mitarbeitende, führten zu Verunsicherung und einem gestörten Betriebsklima. Seine Aussagen könnten „dem Ruf unseres multikulturellen Unternehmens schaden, insbesondere wenn seine politischen Aktivitäten öffentlich mit seiner beruflichen Tätigkeit in Verbindung gebracht werden“.
So ähnlich formuliert auch ein anderer Mitarbeitender: „Das ist ein schmaler Grad, auch wenn er die Meinung vertritt im Namen seiner Tätigkeit bei der AfD. Ich glaube, ein Lieferant unterscheidet da nicht.“
Mercedes sagt: Politisches Engagement sei „Privatsache“ der Beschäftigten
In seiner Beschwerde im Whistleblowing-Tool rief der Mitarbeiter die Konzernführung auf, „diesen Sachverhalt zu prüfen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“.
Mercedes antwortete auf Anfrage von CORRECTIV, dass politisches Engagement Privatsache der Beschäftigten sei. Sollte es dabei „arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevantes Verhalten“ geben, werde dies geprüft und die notwendigen Konsequenzen gezogen. Das könne, wenn nötig, „bis zur sofortigen, außerordentlichen Kündigung führen“.
Eine Sprecherin des Unternehmens betont weiterhin, die „AfD vertritt wirtschaftspolitische und Teile der Partei sogar verfassungs- und fremdenfeindliche Positionen, die mit den Werten von Mercedes-Benz nicht vereinbar sind.“
CORRECTIV bat Klauß vor Veröffentlichung dieses Artikels um eine Stellungnahme zum Sachverhalt. Per E-Mail teilt der Landtagsabgeordnete mit: „Bevor ich (…) antworte, gefriert eher die Hölle zu.“
Redaktion: Justus von Daniels
Faktencheck: Bianca Poersch