Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Justus von Daniels

Nun sollen weder Bäume gefällt, noch Tumore entfernt werden, sondern Musk entlässt Menschen in amerikanischen Behörden. So brutal, so normal ist das mittlerweile, dass wir die Zitate Trumps schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Aber es verändert auch den Ton bei uns.

Sie erinnern sich: Der ehemalige FDP-Minister Christian Lindner fand den argentinischen Präsidenten Milei gut, wollte aber weniger drastisch sein als mit der Kettensäge zu drohen. Er sagte, zumindest mit der Heckenschere müsse Bürokratie abgebaut werden.

Gewöhnen wir uns langsam an eine Sprache, die das Autoritäre liebt, auch wenn wir es etwas puppiger ausdrücken? Die Sprache beeinflusst das Handeln und senkt die Hürden.

Das Wort „Remigration“ beispielsweise hat es in den offiziellen Sprachgebrauch der AfD geschafft. Hinter dem Begriff steht vor allem die Idee Martin Sellners und einiger völkischer Vordenker, Millionen von Menschen aus dem Land zu treiben. Das meint die AfD offiziell (natürlich!) nicht. Aber sie lässt es zu.

Zur Zeit versucht Björn Höcke in Thüringen die Besetzung von Richterämtern zu torpedieren. Wir haben dazu in diesem Spotlight eine Recherche-Empfehlung. Mal sehen, wann das Wort „Skalpell“ bei uns in der Politik auftaucht. Die AfD ist ja bisher ziemlich verlässlich darin, Ideen und Sprachbilder von Autoritären zu übernehmen.

Das Beispiel Lindner zeigt, dass sich der politische Betrieb oft leichtfertig beeinflussen lässt. Ein bisschen Milei, eine Heckenschere, wie nett. Ein bisschen Trump ist doch auch ok, oder? 

Welche Gefahr darin liegt, erläuterte die bekannte Journalistin des US-Magazin Atlantic, Anne Applebaum letzte Woche bei einem Vortrag in Berlin. Applebaum hatte zuletzt das hervorragende Buch „Die Achse der Autokraten“ geschrieben (hier ein Interview im SRF dazu). Sie sagte, dass sie bestürzt sei über die Menge an „Mittätern“ in der Regierung Trumps. Vor allem über die, die Trump trotz früherer Kritik so devot folgen. Sie verteidigen dessen Politik und verharmlosen gleichzeitig seine Zerstörungswut.

Nur: Ein bisschen Autoritarismus gibt es nicht. Die Sprache ist der Gradmesser dafür auch bei uns, ob Parteien eigene Impulse entwickeln oder die Tür zu einer anderen politischen Kultur aufmachen, die wenig von offenem Diskurs hält.

Vielleicht hilft es schon, im Alltag aufmerksam zu sein, wenn jemand von Äxten oder Skalpellen in der Politik schwadroniert und sich dabei auf einen der Autokraten-Gang bezieht. Ein gutes Gespräch kann da helfen. 

Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende und lassen Sie sich von unseren Empfehlungen der Woche inspirieren. Haben Sie dazu Gedanken oder Fragen, schreiben Sie mir gern!

Ihr 

Abgründe der größten Unterhaltungsindustrie
Sexuelle Übergriffe, Mobbing und Burnout – die SWR– Doku „Crunch – Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie“ mit dem großartigen Host Khesrau Behroz schaut hinter die Fassade der globalen Gaming-Industrie. Eine Branche, die nach außen hin bunt und kreativ wirkt, die aber für viele Entwickler zur Tortur wird.
Crunch – Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie (ardmediathek.de, Video)

Wenn alle Handy-Daten weg sind
Daten weg, Panik groß – und dann eine saftige Rechnung, ohne dass die Festplatte überhaupt geöffnet wurde? Das Unternehmen ResQ Data aus Blieskastel steht im Verdacht, genau so zu arbeiten. Privatkunden kommen zum Daten-Dienstleister, um ihre Daten wiederherstellen zu lassen, wenn ihr Handy kaputt ist und sie nicht mehr an Fotos oder Kontakte kommen. Interne Dokumente zeigen: Viele Kunden zahlen hohe Summen für angebliche Rettungsversuche, die nie stattgefunden haben. Besonders brisant: Auch das Bundeskriminalamt hat Aufträge an das Unternehmen vergeben. Der Saarländische Rundfunk hat nachgehakt und den Dienstleister selbst getestet.
Dr. Bens Blackscreen-Business – Doku über fragwürdige Datenrettung (ardaudiothek.de, Audio)

Sellner bei Vernetzungstreffen in Rostock
Vor einer Woche traf sich die rechtsextreme Szene heimlich nahe Rostock, um dem österreichischen Aktivisten Martin Sellner zuzuhören. Unter den Teilnehmern waren AfD-Kommunalpolitiker und gewaltbereite Rechtsextreme. Sellner las aus seinem Buch „Remigration“. Die Veranstaltung diente nicht nur der Lesung, sondern auch der Vernetzung der rechtsextremen Szene. Katapult dokumentierte das rechtsextreme Vernetzungstreffen.
Geheimes Treffen der rechtsextremen Szene bei Rostock (katapult-mv.de)

Riesige Rüstungsdeals
Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall will mehr Waffen nach Indien liefern. Indien rüstet seine Armee seit Jahren auf und kauft bereits deutsche Waffensysteme. Seit 2006 wirbt die Bundesregierung in Indien öffentlich für deutsche Rüstungsgüter. Trotz der Konflikte mit Pakistan um Kaschmir unterlag Indien strengen Exportkontrollen, die von der Bundesregierung 2015 gelockert wurden. Ein Artikel der Zeit beleuchtet die Hintergründe dieser Entwicklung und Rheinmetalls Rolle dabei.
Die diskreten Geschäfte von Rheinmetall (zeit.de, €)

Patrick Sensburg im Interview
Der CDU-Verteidigungsexperte Patrick Sensburg ist Präsident des Reservistenverbands der Deutschen Bundeswehr. Er spricht mit uns über den Aufbau einer deutschen Massenarmee, die Notwendigkeit zur Verteidigung gegen Diktatoren, den Atomschild über Europa und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Sensburg sagt, Europa dürfe nicht unterschätzt werden. Der Kontinent sei durchaus in der Lage, seine Freiheit zu verteidigen. Es gelte nun, schnell eine wirksame Abschreckung aufzubauen, die auch ohne die Hilfe der USA bestehen kann.
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An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Marie Bröckling, Finn Schöneck und Gesa Steeger.