Faktencheck

Versprochene Hilfe fürs Ahrtal: Sharepic verwendet alte Zahlen

Online verbreiten sich angebliche Zahlen zu Hilfsgeldern aus dem Aufbaufonds für das Ahrtal. Demnach sollen nur 0,8 der 15 Milliarden Euro versprochener Hilfsgelder ausgezahlt worden sein. Doch die Zahlen sind veraltet.

von Paulina Thom

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Vier Jahre nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 befindet sich das Ahrtal 2025 weiterhin im Wiederaufbau (Foto: Marc John / Bonn.digital / Picture Alliance)
Behauptung
Im Ahrtal seien von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfsgelder erst 1,6 Milliarden Euro bewilligt und nur 0,8 Milliarden Euro ausgezahlt worden.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Angaben sind aus 2023. Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium wurden bis Ende März 2025 mehr als 2,9 Milliarden Euro bewilligt, 1,9 Milliarden Euro davon sind ausgezahlt.

„Ahrtal: Das Geld kam nie an“, heißt es in einem Tiktok-Beitrag vom 24. April 2025. Darunter eine Auflistung: Von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfe seien erst 1,6 Milliarden Euro bewilligt und nur 0,8 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Dieselben Zahlen kursierten bereits im September 2023 auf einem Sharepic, das tausendfach auf Facebook geteilt wurde und ursprünglich von der AfD Nordrhein-Westfalen stammt. 

In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es im Juli 2021 zu einer Hochwasserkatastrophe. Das Ahrtal in Rheinland-Pfalz war besonders betroffen, 135 Menschen starben dort. Im September 2021 beschloss der Bundestag den Fonds „Aufbauhilfe 2021“, der insgesamt 30 Milliarden Euro zum Wiederaufbau umfasste.

Tiktok-Beitrag
In einem Tiktok-Beitrag aus April 2025 heißt es, nur 1,6 von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfsgelder seien für das Ahrtal bewilligt worden. Doch die Zahlen sind veraltet. (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zahlen zu Hilfsgeldern für das Ahrtal waren Mitte 2023 richtig 

Die Summe von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfe auf dem Sharepic ist korrekt, so steht es auch auf der Webseite der Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Laut der Aufbauhilfeverordnung waren 2 der bis zu 30 Milliarden Euro Sondervermögen für den Wiederaufbau der Bundesinfrastruktur gedacht, von den verbliebenen 28 Milliarden Euro erhielt das Bundesland etwa 55 Prozent zugewiesen.  

Doch woher stammen die anderen Zahlen auf dem Sharepic? Im März 2023 berichtete die ARD, dass auf Anfrage bei der Landesregierung erst fünf Prozent der versprochenen Hilfen, also circa 0,8 Milliarden Euro, ausgezahlt worden seien. Im Juli 2023 berichtete auch die Bild, dass erst fünf Prozent der Hilfen ausgezahlt worden seien, 1,6 Milliarden seien jedoch bewilligt worden. Die Zahlen aus dem Sharepic stammen vermutlich von dort. 

Sie decken sich grob mit Angaben aus einem Bericht der Landesregierung an den Landtag, der den Stand Ende Juni 2023 wiedergibt. Demnach waren etwas mehr als 1,6 Milliarden Euro bewilligt und knapp 1 Milliarde ausgezahlt worden – also etwa 6,5 Prozent der versprochenen Hilfen. 

Wie sich die Auszahlungen der Hilfsgelder seit 2023 entwickelt haben

Die Zahlen auf dem Sharepic geben also einen veralteten Stand wieder. Ende 2023 waren es bereits knapp 1,3 Milliarden Euro, im Mai 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro, wie aus einer Tabelle einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU hervorgeht. 

Wir haben die Landesregierung nach den aktuellen Werten gefragt. Aus dem Ministerium des Innern antwortete uns Pressesprecherin Sarah Heil: „Stand Ende März 2025 wurden über alle Förderbereiche 2,9 Milliarden Euro bewilligt. 1,9 Milliarden Euro davon sind ausgezahlt.“ Die Bewilligungsquote der bislang fast 20.000 Anträge betrage mehr als 95 Prozent, schreibt Heil.

Die Bewilligungsquote ist relevant, denn die Summe der ausgezahlten Hilfsgelder hängt davon ab, wie viele Menschen, Unternehmen und Kommunen überhaupt einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Heil ergänzt: Aktuell lasse sich nicht auf die voraussichtliche Gesamtsumme der Aufbauhilfen schließen, denn es sei nicht absehbar, wie viele Anträge noch gestellt werden, in welchem Ausmaß Versicherungen für den Schaden von Betroffenen aufkommen werden und inwiefern Schäden durch Spenden und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bereits abgedeckt worden seien.

Warum insgesamt wenig Hilfsgelder aus dem Aufbaufonds ausgezahlt wurden 

Im Hinblick auf Privatpersonen zeigt eine Umfrage des SWR von Juli 2024: 15 Prozent der Befragten im Ahrtal haben Aufbauhilfe erhalten, 8 Prozent haben sich erfolglos darum bemüht – 68 Prozent der betroffenen Befragten haben keinen Antrag auf Hilfe gestellt. Dennoch bewerten mehr als die Hälfte der Befragten den Fortschritt des Wiederaufbaus des privaten Eigentums als bereits abgeschlossen (45 Prozent) oder weit vorangekommen (19 Prozent). Aus der Umfrage geht auch hervor: 24 Prozent der Befragten haben Erstattungen durch ihre Versicherung erhalten, bei jedem zweiten von ihnen hat die Versicherung die Schadenssumme entweder zu großen Teilen oder komplett übernommen. 

Die Landesregierung verwies in Antworten auf kleine Anfragen 2022 und 2023 auf weitere Ursachen, warum bislang insgesamt wenig Hilfsgelder geflossen sind: So müssten Privatpersonen für weitere Mittelabrufe aus dem Fonds Baufortschritte nachweisen. Dies sei wegen der „anhaltenden Hochkonjunktur der Bauwirtschaft, des Personalmangels in Handwerksberufen sowie der regional stark erhöhten Sondernachfrage im Ahrtal“ schwierig. Für die Kommunen wiederum sei der Wiederaufbau eine komplexe Aufgabe, die Zeit brauche. Manche Kommunen hätten das Geld vorgestreckt und würden es erst im Nachhinein anfordern. Mehrere Medien berichteten zudem über hohe bürokratische Hürden und viele Auflagen bei den Anträgen für Privatpersonen und Kommunen sowie überlastete Verwaltungen. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Max Bernhard

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Verordnung über die Verteilung und Verwendung der Mittel des Fonds „Aufbauhilfe 2021“, 15. September 2021: Link (archiviert) 
  • Bericht an den Landtag über die Errichtung eines Sondervermögens, 30. Juni 2023: Link (PDF, archiviert)
  • Bericht an den Landtag über die Errichtung eines Sondervermögens, 31. Dezember 2023: Link (PDF, archiviert)
  • Bericht an den Landtag über die Errichtung eines Sondervermögens, 31. Dezember 2024: Link (PDF, archiviert)
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