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Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie auch in den vergangenen Tagen mal in die rund 1.100 Seiten reingelesen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz über die AfD zusammengetragen hat? Ich habe mich durch etwa 150 gewühlt und hatte dann das Gefühl, es reicht und ich habe verstanden, worum es geht: 

Zitat um Zitat um Zitat von AfD’lern, eingesammelt aus Facebook-Posts, Interviews in rechtsgerichteten Zeitungen, auf Youtube gespeicherten Reden – und am Ende ist es die Wucht der schieren Masse an Aussagen völkischen Inhalts, die aus Sicht der Verfassungsschützer deren Einstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ begründet.

Unser Reporterteam Marie Bröckling, Jean Peters und Marcus Bensmann hat das gesamte Gutachten gelesen und seziert – und daraus einen Text gemacht, den ich Ihnen und allen aus Ihrem Bekanntenkreis empfehlen möchte. Wer ihn gelesen hat, weiß alles, was man über das Gutachten und seine möglichen politischen Folgen wissen muss.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – und gegebenenfalls neue Erkenntnisse bei der Lektüre. Wenn Sie mögen, lassen Sie mich wissen, was Sie über das Gutachten denken – und was daraus nun politisch folgen könnte: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: AfD-Gutachten: Das steht drin

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

CORRECTIV Events: Live-Faktencheck und Lesung in Bremen

Leserfrage der Woche: Gibt es Strafen für unangemessenes Verhalten im Bundestag?

Faktencheck: Doch, der Meeresspiegel in Venedig steigt

Gute Sache(n): Erklärt: Richtungswahlen in Rumänien und Polen • Veränderte Frauenbilder in der Werbung • Diese Männer versuchten einst, die NSDAP zu verbieten

CORRECTIV-Werkbank: Erdoğans Spiel mit den autoritären Führern aus Russland und den USA

Grafik des Tages: Aufrüstungsdebatte – künftig fünf Prozent des BIP für die Verteidigung?

Foto: Sören Stache/picture alliance/dpa/dpa-Pool
Im Gutachten geht es um die gesamte AfD: Von kleinen Ortsgruppen bis zur Parteispitze.

Fülle an Belegen:
Das Gutachten zitiert etwa 350 AfD-Abgeordnete, plus Personen aus dem Umfeld der Partei: Es geht zum Beispiel um die Politikerin Erika Steinbach, die sich in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts bewegt hat; dann natürlich um Martin Sellner von der „Identitären Bewegung“ – und jeweils die Verbindung dieser Personen zur AfD.

Immer weniger Zweifel an völkischem Kern:
Eine der wichtigsten Feststellungen des Gutachtens ist: Die Partei sei heute insgesamt „homogener“ als vor ein paar Jahren. Das heißt: Das völkische und muslimfeindliche Gedankengut sei insgesamt verbreiteter; es werde in der Partei weniger kontrovers darüber diskutiert.

Und es gebe keine nennenswerten Kräfte mehr, die eine Rückkehr der Partei zum rechtskonservativen Kurs fordern.

Was nicht im Gutachten steht:
Es geht darin erstaunlich wenig um Gewalt- und Umsturzphantasien – obwohl bekannt ist, dass es diese in der AfD gibt. Siehe zum Beispiel hier:

Mario Müller, ein mehrfach wegen Körperverletzung verurteilter Rechtsextremer und Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, am 25. November 2023 im Landhaus Adlon in Potsdam. (Fotos und Collage: CORRECTIV)

Auch um die engen Verbindungen zu Russland und China geht es nicht. Über sie hatten wir zum Beispiel hier berichtet:

Die Collage zeigt einen Bruderkuss zwischen Putin und dem AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Im Hintergrund ist das Gemälde des Bruderkusses zwischen Breschnew und Honecker zu sehen.

Warum das nicht im Gutachten vorkommt, ist nicht unmittelbar klar. Wir gehen dieser Frage weiter nach.

Folgen für ein mögliches AfD-Verbot:
Die Einstufung der Partei für den Verfassungsschutz führt nicht automatisch zu einem Verbot der Partei. Auch nicht zu einem Verbotsverfahren. Ein solches müssten entweder Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beantragen.

Was, wenn es tatsächlich zum Verbotsverfahren käme?
Auch für diesen Fall lässt das Gutachten nicht unbedingt einen Schluss darüber zu, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde.

1,4 Billionen Dollar für die USA von den Vereinigten Arabischen Emiraten 
Die Vereinigten Arabischen Emirate kündigen langjährige Investitionen in den USA an. Diese sollen vor allem in den Energiesektor und den Bereich der Künstlichen Intelligenz fließen. Der Hintergrund: US- Präsident Donald Trump ist für Geschäftsgespräche in den Nahen Osten gereist. 
zeit.de 

Berlin: Polizist nach Nakba-Demo im Krankenhaus 
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, eine pro-palästinensische Demo nicht stattfinden zu lassen, kam es zu einer Kundgebung am Südstern in Kreuzberg. Diese lief aus dem Ruder, einer der Polizisten musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Mehr als 30 Demonstranten sollen wegen verschiedener Delikte festgenommen worden sein. 
morgenpost.de

Geplante EU-Sanktionen zielen auch auf pro-russische Propagandisten in Deutschland
Das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland soll am 20. Mai verabschiedet werden. CORRECTIV konnte einen Entwurf vorab einsehen: Er zielt auch gegen deutsche Staatsbürger und in Deutschland tätige Propaganda-Akteure. 
correctiv.org

Symbolbild Leserfrage der Woche

Wir haben bei der Bundestagsverwaltung nachgefragt: Wenn eine  Debatte im Bundestag durch unangemessene Beiträge gestört wird, sind die Präsidentinnen oder Präsidenten dazu bemächtigt, die Störung als unparlamentarisch zu ahnden. Das ist jedoch eine Ermessensentscheidung und wird daher je nach Situation unterschiedlich behandelt. Mögliche Sanktionen sind ein Ordnungsruf, Ordnungsgeld oder sogar der Sitzungsausschluss. Wie und ob diese Ordnungsmittel angewendet werden, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalles ab. Jeder Verstoß gegen die parlamentarische Ordnung wird also separat gewertet und bestraft. 

Kürzlich wurde ein Politiker der Linken aus einer Bundestagssitzung ausgeschlossen, da er sich weigerte, seine Baskenmütze abzunehmen. Laut SWR gibt es zwar keine offizielle Kleiderordnung im Bundestag, doch vor einigen Jahren wurde auch der bereits verstorbene Abgeordnete Hans-Christian Ströbele ebenfalls gebeten, im Plenarsaal seine Kopfbedeckung abzusetzen.

Mädchen steht bei Hochwasser in Gummistiefeln auf einem Platz in Venedig
(Symbolbild: Antonio Gravante / Shotshop / Picture Alliance)

So geht’s auch
Die Frauenbilder in der Werbung ändern sich – und werden vielfältiger und weniger stereotyp. Frauen werden zum Beispiel inzwischen öfter berufstätig dargestellt, zeigt eine Studie der HTW Berlin.
htw-berlin.de 

Fundstück
97 Seiten, um die Weimarer Republik vor ihren Feinden zu schützen: 1930 verfassten preußische Beamte um den Juristen Robert Kemper eine Zitatsammlung, welche die Staats- und Demokratiefeindlichkeit der NSDAP belegen sollten. Das Ziel: ein Parteiverbot. Doch die Reichsregierung weigerte sich damals, juristisch gegen die Partei vorzugehen. Ausgang bekannt. 
geo.de 




Seit Ausbruch des Krieges pflegt die Türkei den Dialog mit beiden Seiten, was Hoffnungen auf ein Treffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj schürt und Erdoğans regionalen Einfluss stärken könnte. Der angekündigte Gipfel in Istanbul und die historische Feuerpause mit der PKK schienen zunächst vielversprechend. Doch Putins Abwesenheit und Trumps Aussage, „es wird ohne mich nicht passieren“, schwächten diese Aussichten und ließen Erdoğans Ambitionen unerfüllt. Dennoch könnte die Präsenz von autoritären Führern wie Putin und Trump Erdoğan eine Chance bieten, seinen Einfluss weiter auszubauen.

Gleichzeitig bleibt die Lage Russlands fragil. Putin hält seine Kontrolle im Inland aufrecht, um jegliche Zugeständnisse zu vermeiden, was zu einer verhärteten Verhandlungsposition führt. Trotz begrenzter Gebietsgewinne – etwa 4.168 km² in der Ukraine seit 2022 – hat Russland einen hohen Preis gezahlt: Über 100.000 Soldaten sind gefallen, das Militär ist ausgelastet, und die Wirtschaft ist durch Sanktionen stark belastet. Die große Abhängigkeit von Öl, fallende Ölpreise und hohe Militärausgaben (etwa 40 Prozent des Bundeshaushalts) gefährden die politische Stabilität.

Putins Strategie ist es, die Kosten für Zugeständnisse zu maximieren, das westliche Zögern auszunutzen und Unterstützung aus China sowie seinem Regime zu erhalten. Sein Vorgehen ist riskant, weil seine Weigerung, ernsthafte Verhandlungen zu führen, und die Eskalation militärischer Aktionen die Wahrscheinlichkeit eines langen Konflikts erhöhen – mit noch gravierenderen humanitären und wirtschaftlichen Folgen für Russland. Das Vermeiden hochrangiger Treffen und das Verzögern von Friedensbemühungen können die Instabilität verstärken und Russland sowohl politisch als auch wirtschaftlich isolieren.

Die Grafik zeigt: 5% entsprechen 225 Mrd. Euro, das ist fast die Hälfte des aktuellen Bundeshaushaltes.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.