Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

nur ein paar Stunden nach seinem Amtsantritt hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnet, dass es ab sofort intensive Kontrollen an Deutschlands Grenzen geben soll – und Zurückweisungen von Asylsuchenden.

Nun aber stellt sich heraus: Die Polizei hat überhaupt nicht genug Personal, um diese Kontrollen dauerhaft durchzuführen. Und was passiert jetzt? Heute unser Thema des Tages.

Außerdem im SPOTLIGHT: Es gibt einen neuen Höchststand bei politisch motivierten Straftaten – mehr dazu in der Grafik des Tages.

Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Tag – und freue mich wie immer über Ihre E-Mails: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Symbolpolitik mit Grenzkontrollen

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktenforum: Falsche Infos über Geflüchtete beim Zahnarzt – und unsere Fragen an Sie zu Desinformation im Alltag

Gute Sache(n): Russland-Sanktionen: Was sie sind, was sie bewirken und welche offiziell sind • Erste Blasentransplantation weltweit durchgeführt • Millionen tauschen ihr Smartphone gegen ein „Dumbphone“

CORRECTIV-Werkbank: Stimmt es, dass das AfD Gutachten nicht für ein Verbotsverfahren reicht, wie Dobrindt behauptet?

Grafik des Tages: Politische Kriminalität auf Höchstwert – pro Tag 4 Gewalttaten durch Rechtsextreme

„Aktuell sind die Vorgaben nur zu schaffen, weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten auf Eis liegen und der Abbau von Überstunden gestoppt ist.“
Andreas Roßkopf
Vorsitzender der Bundespolizei in der GdP

Unsere SPOTLIGHT-Reporterin Samira Joy Frauwallner hat deshalb das Bundesinnenministerium (BMI) gefragt: Wie genau stellt man sich dort vor, dass die strengen Grenzkontrollen auf Dauer weitergehen sollen? Und: Ist das jetzt nur ein Akt der Symbolpolitik – weil klar ist, dass die Polizisten bald wieder anderswo gebraucht werden?

Bundesinnenminister Dobrindt und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor fünf Tagen an der Grenzkontrollstelle im bayerischen Kiefersfelden. Quelle: picture alliance/dpa | Matthias Balk

Was das Innenministerium sagt:
Auf unsere Anfrage hat das Ministerium recht ausweichend reagiert: Am Telefon sagte ein Sprecher, es gebe jetzt nun eben diese Anweisung von Dobrindt und mehr könne man gerade nicht sagen.

Dann verwies er noch auf eine Pressekonferenz gestern, bei der diese Fragen auch zur Sprache kamen. Dort sagte ein BMI-Sprecher: 

Die Grenzkontrollen seien notwendig und würden so lange aufrechterhalten, wie es eben sein müsse. Und: Auch mit einem erhöhten Personaleinsatz an den Grenzen werde die Bundespolizei ihre weiteren gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfang weiter wahrnehmen.

Was sind diese anderen Aufgaben?
Die Bundespolizei ist dafür zuständig, die Sicherheit an Flughäfen und an Bahnhöfen zu gewährleisten. Sie schützt außerdem die sogenannten Verfassungsorgane des Bundes (zum Beispiel das Bundeskanzleramt). Und sie unterstützt die Landespolizeien in besonderen Lagen.

Wie viele Beamte sind an den Grenzen derzeit im Einsatz?
Etwa 11.000 – und es sollen laut Plänen des Ministeriums bald sogar 14.000 sein. Insgesamt gibt es 45.000 Bundespolizistinnen und -polizisten. Die Grenzkontrollen reißen also eine spürbar große Lücke. Wie das Bundesinnenministerium damit umgehen möchte? Darauf verweist es auf unsere Anfrage hin kurioserweise auf die Bundespolizei – wir sollten dort nachfragen.

Was die Bundespolizei sagt:
Sie drückt sich auf unsere Anfrage hin sehr vorsichtig und verklausuliert aus – und schreibt: 

Russland erklärt Menschenrechtsorganisation als unerwünscht 
Die Generalstaatsanwaltschaft von Moskau sieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International als „Zentrum zur Vorbereitung globaler russophober Projekte, bezahlt von Handlangern des Kiewer Regimes“. Amnesty International macht seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf Russlands Kriegsverbrechen aufmerksam. 
zeit.de

Bielefeld: Polizei bestätigt Identität des Messerangreifers 
Vor einer Bar in Bielefeld griff ein Mann mehrere Menschen an, diese wurden bei der Tat teils schwer verletzt. Nach der Tat war der Mann bis zum gestrigen Abend auf der Flucht, doch die Polizei konnte den Mann nun festnehmen. Genaue Hintergründe zu seinem Motiv sind noch unklar. 
nw.de/zdf.de

Recherche: Russland baut Militärstützpunkte an Nato-Ostflanke aus 
Die russische Armee verstärkt derzeit offenbar ihre Militärpräsenz an der Grenze zu Finnland. Das legen die neuesten Satellitenbilder nahe, die von der finnischen Zeitung Helsinki Times veröffentlicht wurden. 
tagesspiegel.de

Bild: Rolf Vennenbernd / Picture Alliance / dpa

So geht’s auch
Ein Ärzteteam zweier Universitäten in Kalifornien hat erstmals erfolgreich eine menschliche Blase transplantiert. Die Operation war das Ergebnis jahrelanger Forschung. Der Patient hatte infolge einer Tumorentfernung nahezu keine funktionsfähige Blase mehr. Seit Jahren war er dialysepflichtig. Er bekam im Rahmen einer klinischen Studie eine Blase (und eine Niere). Beide Organe funktionieren. 
UCLAhealth.org

Fundstück
Weltweit kehren Millionen Menschen zurück zum Einfachen. Im Zuge dessen liegen sogenannte „Dumbphones“ wieder im Trend. Simple Tastenhandys sollen für mehr Fokus, Ruhe und Privatsphäre sorgen: ohne Apps von sozialen Netzwerken, aber dafür mit 2000er-Charme. Forscherinnen wie Dr. Maya Sharma von der Stanford University sprechen von einer „kulturellen Korrektur im digitalen Überfluss“. Nutzer der „einfachen Handys“ schlafen angeblich besser, sind weniger gestresst und produktiver.
journee-mondiale.com


Innenminister Alexander Dobrindt hat bei der Pressekonferenz heute Vormittag zwei Dinge gesagt: 1. Das Verfassungsschutz-Gutachten würde sich nicht mit Angriffen der AfD auf den Rechtsstaat und die Demokratie befassen. 2. Für ein Verbot wäre es jedoch „wesentlich“ nachzuweisen, dass die AfD den Rechtsstaat und die Demokratie angreift (etwa ab Minute 32).

Ich habe das gesamte Gutachten gelesen und kann sagen: Auf über 1.000 Seiten beschreibt der Verfassungsschutz ausführlich Demokratiefeindlichkeit und belegt auch Angriffe auf den Rechtsstaat. Sie zitieren etwa Björn Höcke, der behauptet, die Gerichte seien „fest in der Hand der machthabenden Kartellparteien“. Die Verfassungsschützer haben also einen Verdacht, aber sind sich nicht hundertprozentig sicher, ob bereits die gesamte AfD etwa die Unabhängigkeit der Gerichte angreift. Anders bei Angriffen auf die Menschenwürde: Muslimfeindlichkeit ist laut Gutachten klar – auf allen Ebenen der Partei – belegt.

Bleibt die Frage: Muss man, wie Dobrindt behauptet, auch nachweisen, dass die AfD Misstrauen in den Rechtsstaat sät, um sie zu verbieten? Ich habe heute mit dem Direktor des Instituts für Öffentliches Recht an der Universität Köln, Markus Ogorek, telefoniert. Er sagt: „Das stimmt so nicht.“

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.