
Liebe Leserinnen und Leser,
der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört im Grunde uns allen, die wir ihn mit unseren Rundfunkbeiträgen bezahlen. Deshalb dürfen wir Zuschauerinnen und Zuschauer ihn kontrollieren – indem wir Beschwerden einreichen, wenn wir Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms haben.
In den vergangenen Monaten ist dieses Kontrollinstrument aber offenbar aus dem Ruder gelaufen – und ARD und ZDF wurden mit Programmbeschwerden geradezu geflutet. Das zeigt unsere heute veröffentlichte Story von SPOTLIGHT-Reporterin Samira Joy Frauwallner. Sie zeigt auch, wer hinter einem Großteil der Beschwerden steckt. Mehr dazu im Thema des Tages.
Außerdem lesen Sie heute: In welchem Bundesland sitzen vergleichsweise viele Frauen in der Regierung – und in welchem sehr wenige? Das zeigt die Grafik des Tages von Sebastian Haupt.
Ich hoffe, Sie hatten einen guten Wochenstart, und schreiben Sie mir gern Themenideen: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Eine Flut überspült den ÖRR
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Koalitionspläne zu Strafen bei Gruppenvergewaltigungen werden missverstanden
CORRECTIV-Werkbank: Wie Comics Schülerinnen und Schülern das Lernen leichter machen
Grafik des Tages: Dieses Bundesland hat den geringsten Frauenanteil in der Landesregierung
Die Möglichkeit, sich über das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschweren, ist Teil unserer Demokratie – und grundsätzlich eine gute Sache. Denn so soll gewährleistet sein, dass nicht zugunsten einiger Parteien im demokratischen Spektrum berichtet wird. Also zum Beispiel, dass nicht eine Partei viel mehr Sendezeit erhält oder deutlich positiver wegkommt als andere.
Hier erklärt zum Beispiel das ZDF, was eine Programmbeschwerde ist und wie man sie einreicht.
In den letzten Monaten allerdings hat sich das Kontrollinstrument offenbar verselbstständigt – und der ÖRR wurde mit solchen Beschwerden geradezu geflutet. Das zeigt unsere heute veröffentlichte Recherche.

Die Zahlen:
Beim ZDF gingen 2024 innerhalb weniger Monate 17.000 Beschwerden ein – mehr als zehnmal so viel wie im Jahr 2023. Die ARD verzeichnete im selben Zeitraum 31.000 Beschwerden. Ob diese Beschwerden gerechtfertigt waren, darüber sagen die Zahlen erst einmal nichts aus.
Wer einen Großteil orchestriert:
Mitte 2024 – also genau zu der Zeit, in der die Zahl der Beschwerden explodierte – ging ein Internetportal namens Rundfunkalarm.de an den Start.
Dort werden Vorlagen angeboten, um Rundfunkbeschwerden einfach zu machen. Sprecherinnen und Sprecher von ARD und ZDF sagen: Viele Schreiben wurden über diese Plattform gestellt.
Es geht bei den massenhaften Schreiben immer wieder um dieselben Themen: angebliche mangelnde Ausgewogenheit oder „Propaganda“. Wir haben uns angeschaut, wer für die Internetseite verantwortlich ist. Es handelt sich um einen Unternehmer, der im Netz auch schon eine Reihe anderer Portale aufsetzte, die eine gewisse Nähe zu Verschwörungstheorien aufwiesen. Impfpflicht und Maskenpflicht waren große Themen bei ihm.
Und auf einer anderen Webseite bietet der Mann an (gegen Geld), Kunden bei der Befreiung vom Rundfunkbeitrag unterstützen zu können. Wir haben mit ihm über seine Motive gesprochen.

Wozu die Flut führt:
ARD und ZDF sprechen von einem „extrem hohen Arbeitsaufkommen“, das heißt, viele Leute sind damit beschäftigt, die Beschwerden zu sichten, sie zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob sie gerechtfertigt sind.
Es sind aber nicht nur Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter, deren Arbeitskraft dafür nötig ist – sondern oft auch Redaktionsleiterinnen und Redakteure, deren Zeit durch die vielen Antwortschreiben gebunden ist. Zeit, die sie sonst für journalistische Recherchen hätten.
Ich habe in den vergangenen Tagen mit zwei Leuten gesprochen, die investigative Redaktionen beim ÖRR leiten. Beide erzählten mir, welche kuriosen Blüten das Ganze treibe.
Einer sagte, zum Teil stammten die Beschwerden von anonymen E-Mail-Adressen wie „Joe Black“, und trotzdem müsse er sie ernsthaft beantworten – obwohl noch nicht einmal die wahre Identität des Beschwerdeführers genannt werde.
Trump kritisiert Putin nach Großangriff auf die Ukraine
Nach dem Großangriff Russlands auf die Ukraine mit fast 300 Drohnen äußert sich US-Präsident Donald Trump erstmals skeptisch über den Kremlchef Wladimir Putin. „Ich weiß nicht, was zur Hölle mit Putin los ist“, sagte Trump gegenüber Journalisten. Zuvor hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Amerika dazu aufgefordert, sich bezüglich der Angriffe zu äußern.
spiegel.de
SPD-Abgeordnete fordern Stopp der Waffenlieferung an Israel
Mehrere SPD-Abgeordnete kritisieren die Angriffe Israels im Gazastreifen. Deutsche Waffen „dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, äußerte ihr außenpolitischer Sprecher Adis Ahmetovic. Der Co-Vorsitzende der Grünen, Banaszak, ist gegen ein vollständiges Ende der Waffenlieferung an Israel. Israel müsse in der Lage sein, sich gegen mögliche Luftangriffe des Irans zu verteidigen, sagte Banaszak.
deutschlandfunk.de
Hamburg: 19-jähriger Syrer stoppte Angreiferin am Hauptbahnhof
Zusammen mit der Hilfe eines Tschetschenen brachte der 19-jährige Muhammad al-Muhammad die bewaffnete Frau zu Boden und hielt sie fest, danach riefen sie die Polizei. Dem NDR gegenüber sagte er, er wolle die Menschen beschützen, darum habe er eingegriffen.
ndr.de/abendblatt.de
Recherche: Aktivisten decken Verstoß gegen Tierschutzgesetz auf
Tierrechtsaktivisten steigen illegal in zwei Schweinezuchtanlagen in Thüringen und Sachsen-Anhalt ein, dort bringen sie versteckte Kamaras an und dokumentieren eine mögliche Straftat nach Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes. Auf den Aufnahmen, die dem MDR vorliegen, sind Nottötungen von Ferkeln zu sehen.
mdr.de

Faktencheck

Eine Passage im Koalitionsvertrag von Union und SPD zur Bestrafung von Gruppenvergewaltigungen sorgt online für Empörung: Die Koalition wolle Täter künftig nur dann härter bestrafen, wenn das Opfer schwanger werde, wird behauptet. Wir erklären, warum das so nicht stimmt und warum es trotzdem Kritik an den Plänen gibt.
correctiv.org
Endlich verständlich
Leitpfosten am Straßenrand geben Autofahrern wichtige Hinweise: Blaue Reflektoren warnen zum Beispiel vor Wildwechsel – sie reflektieren das Licht in den Wald, um Tiere abzuschrecken. Orange Streifen zeigen nahende Abfahrt oder Einmündung an. Schwarze Pfeile weisen auf die Richtung zur nächsten Notrufsäule hin.
t-online.de
So geht’s auch
Paris stellt interaktive Umfrage-Aschenbecher auf, um Rauchende spielerisch dazu zu bringen, ihre Kippen nicht auf die Straße zu werfen. Zusätzlich werden 400.000 Taschenaschenbecher verteilt und Verstöße mit 135 Euro geahndet. Laut Stadtverwaltung landen nämlich 60 Prozent der draußen gerauchten Zigaretten als Müll auf der Straße, was jährlich rund zehn Millionen Euro an Reinigungskosten verursache.
stern.de
Fundstück
Zu schade für den Müll: Wer Bio-Zitronen nutzt oder selbst einen Zitronenbaum zieht, kann die Schalen vielseitig verwerten: als aromatische Eiswürfel, natürlichen Reiniger oder selbstgemachtes Zitronensalz. Alternativ lassen sich die Schalen auch kompostieren: Sie liefern beim Zersetzen wertvolle Nährstoffe für neue Zitronen.
Waste Free Planet
Der Grund für die Comic-Bibliothek sei ganz einfach, erklärt mir Christopher Staab: „Der Mensch will Dinge sehen, um sie besser zu verstehen.“ Außerdem sei die Motivation bei Jugendlichen echt gering, noch irgendetwas zu lesen, das man nicht swipen kann. „Da muss man schon etwas bieten.“
Staab unterrichtet Ethik und Geschichte an der Max-Klinger-Schule in Leipzig. Seit November 2024 baut er an dem Gymnasium eine Graphic-Novel-Bibliothek auf. Auf der Leipziger Buchmesse sprach Staab mich an unserem Verlagsstand an und bat um eine Bücherspende. Comics als Unterrichtsmaterial? Ich war begeistert. Seit 2015 verfolgen wir mit dem CORRECTIV.Verlag den Ansatz, neue Erzählformen und Stimmen für journalistische Inhalte zu finden – etwa als grafisch aufbereitete Sachbücher oder Graphic Novels.
Kaum ein anderes Medium hätte etwa „Weisse Wölfe“, unsere Reportage über rechten Terror, so eindringlich erzählen können wie eine Graphic Novel. Bei unserer „Erdogan“-Biographie haben wir das Format Comic extra gewählt, um auch Menschen zu erreichen, die kein klassisches Buch zur Hand nehmen.
Komplexe Themen niedrigschwellig anbieten, darum geht es auch Staab mit der Comic-Bibliothek. Und das Konzept funktioniere. Die Jugendlichen schätzten die kreative Freiheit zwischen den Buchdeckeln. „Graphic Novels sind wie transportable Lernvideos mit Haptik.“
Wenn Sie auch für Schulklassen oder Bildungsprojekte spannende Lektüren zu wichtigen gesellschaftlichen Themen suchen, schauen Sie bei uns auf der Verlagsseite vorbei oder schreiben Sie uns direkt: verlag@correctiv.org.

Hat Kanzler Merz ein Frauenproblem? Diese Frage diskutiert seit einigen Tagen die Öffentlichkeit. Der Hintergrund: Im direkten Umfeld von Friedrich Merz sind ausschließlich Männer tätig, auch bei den wichtigsten Schlüsselpositionen in zentralen Ministerien und der Partei fehlen Frauen.
Wir haben aus diesem Anlass nachgeschaut: Wie sieht es eigentlich in den Bundesländern aus? Wie ist die Frauenquote unter den Ministerinnen und Ministern? Das Ergebnis sehen Sie in der Grafik des Tages.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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