
Liebe Leserinnen und Leser,
im Thema des Tages geht es heute um eine Klima-Klage gegen den Energiekonzern RWE, die weltweit Beachtung fand: Ein Bauer aus Peru hatte RWE verklagt – weil er befürchtet, durch das Abschmelzen eines Gletschers könne sein Hof überschwemmt werden.
Das Gericht hat aber zugunsten von RWE entschieden. Mehr dazu im Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: Heute besucht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Berlin. Aus diesem Anlass analysieren unsere Russland-Experten von CORRECTIV.Exile die derzeit drängendsten Fragen zur heiklen Lage im Beziehungsdreieck Ukraine – Russland – USA.
Und in der Grafik des Tages: Die Bundesregierung will den Familiennachzug für Geflüchtete mit „subsidiärem Schutz“ abschaffen. Sebastian Haupt zeigt, um wie viele Menschen es dabei tatsächlich geht.
Sie haben konkrete Hinweise auf gesellschaftliche Missstände, die sich vielleicht für eine CORRECTIV-Recherche eignen? Dann schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Klatsche fürs Klima?
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Denkanstoß: Europa an der Frontlinie: Navigieren durch das neue geopolitische Chaos
Faktencheck: Messerangriff in Hamburg: Verdächtige in Niedersachsen geboren
CORRECTIV-Werkbank: Ein Roman als „LSD-Rock-Show“
Grafik des Tages: Migration: Verschärfung beim Familiennachzug – so viele sind betroffen
Saúl Luciano Lliuya heißt der Mann, der dem deutschen Energieriesen RWE gehörig auf die Füße getreten ist. Der peruanische Bauer hatte RWE schon vor zehn Jahren verklagt. Ziel: Der Konzern solle den Bau von Schutzwällen rund um Lliuyas Haus und Hof mitbezahlen – weil er den Klimawandel mitverantworte, der Überschwemmungen auslösen könnte.
Es war ein international relevanter Musterprozess. Denn es ging um die Frage, ob Konzerne für die weltweiten Auswirkungen ihres Geschäfts zur Verantwortung gezogen werden können.
Heute entschied das Oberlandesgericht Hamm: Nein. Die Ursache-Wirkungs-Kette sei nicht klar genug zu erkennen.
Worum ging es genau?
Lliuya sieht seinen Hof bedroht, weil dieser nahe dem Gletscher Cordillera Blanca liegt – der seit Jahren rapide abschmilzt. Der Wasserpegel im benachbarten Stausee ist deshalb immer mehr angestiegen; Lliuya und andere Bewohner der Region befürchten, dass jederzeit die Dämme brechen könnten.
Mehr zu seinem Hintergrund steht in diesem ausführlichen Text bei stern.de.

Warum wurde das Ganze in Deutschland verhandelt?
Einfach, weil RWE ein deutsches Unternehmen ist. Zuständig wurde das Oberlandesgericht in Hamm, weil der Energiekonzern seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen hat.
Und warum ging es gerade gegen RWE?
Diese Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten – das ist auch der Grund, warum dieses Urteil eine weltweit so große Bedeutung hat:
RWE ist einer der größten Emittenten von CO2 weltweit und trägt insofern eine Mitverantwortung. So argumentieren jedenfalls der Kläger und die Umweltorganisation Germanwatch, die ihn bei seiner Klage unterstützte.
Es ging also darum, erstmals rechtlich klarzustellen, dass ein Energiekonzern für Klimafolgen mitverantwortlich gemacht werden kann – auch, wenn seine Verantwortung für den konkreten Fall nicht direkt eins zu eins nachgewiesen werden kann.
Ist das Urteil eine Klatsche fürs Klima?
Dass das Urteil jetzt gegen Lliuya ausfiel, finden seine Unterstützer bei Germanwatch allerdings gar nicht so tragisch. Denn immerhin sei die Diskussion über die Haftbarmachung für den Klimawandel nun ein für allemal angestoßen.
Verschärfungen in der Migrationspolitik geplant
Das Kabinett beschließt Verschärfungen im Migrationsbereich. Die Vorhaben müssen noch vom Bundestag beschlossen werden, bevor sie in Kraft treten können. Dabei geht es zum einen um den Familiennachzug von Schutzberechtigten (siehe Grafik des Tages). Zum anderen will das Kabinett die beschleunigte Einbürgerung für besonders integrierte Zuwanderer wieder kippen.
welt.de
Visa-Stopp für Studenten, Austauschschüler und Au-pairs in den USA
Das US-Außenministerium hat Botschaften und Konsulate dazu angewiesen, keine weiteren Termine zu Visaanträgen zu vergeben. Hintergrund sei eine genauere Prüfung der Visa-Anträger und ihrer Äußerungen in Sozialen Netzwerken.
spiegel.de
Berlin: Räumungsklage gegen AfD-Bundesgeschäftsstelle
Am Landesgericht in Berlin ist eine Räumungsklage eingereicht worden, diese richtet sich gegen die AfD-Bundesgeschäftsstelle. Der Grund für die Klage sei eine Partei-Party der AfD zum Wahlkampf im Februar gewesen. Bei dieser wurde die Erlaubnis der Vermieterin für die Nutzung des Innenhofes nicht eingeholt.
tagesspiegel.de
Recherche: Politiker verhindern statt die Partei zu verbieten?
Die Bundesregierung plant eine fünfjährige Politiksperre für Volksverhetzer. Wer gegen Teile der Bevölkerung hetzt und deshalb mehrfach verurteilt wurde, soll zeitweise nicht mehr ins Parlament gewählt werden können. Kann das funktionieren?
correctiv.org
Derzeit ist der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj in Berlin zu Gast, der deutsche Außenminister Johann Wadephul trifft sich mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen in Washington. Wie geht es weiter in der Ukraine – und Europa? Es sieht ganz danach aus, als befinden wir uns geopolitisch in einer Sackgasse. Europa muss sich auf ungemütliche Szenarien einstellen – und zwar schnell.
Die Rolle Donald Trumps
Der von Donald Trump vorgeschlagene Friedens-Deal, von vielen auch „Pro-Putin-Friedensabkommen“ genannt, stellte sich nicht nur gegen internationale Normen. Er hätte auch für Europa eine potenziell destabilisierende Wirkung gehabt, weil er die militärische Aggression Putins belohnen würde. In der Folge wären auch NATO-Grenzstaaten wie Finnland künftig stärker bedroht.
Allerdings hat Trumps Strategie bisher keinen Erfolg. Er hat es nicht geschafft, Putin zu echten Verhandlungen zu bewegen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass er die Gegenseite nicht verstanden hat. Trumps Vorschlag für einen Deal – so ungerecht er für die Ukraine sein mag – würde Putin zwar erlauben, eroberte Gebiete zu behalten; aber auch seine Grenzen aufzeigen. Vier Fünftel der Ukraine blieben unabhängig. Für Putin wäre das letztlich eine Niederlage. Genau deshalb schwankt er zwischen Kriegsrhetorik und Gesprächsangeboten – um Stärke zu symbolisieren und Zeit zu gewinnen.
Trumps Angebote scheitern an Putins langfristigen Zielen
Die ideologische Rechtfertigung für Putins Expansionsdrang ist die Idee, ein Groß-Russland wiederherzustellen (hallo, Trump). Putin will niemandes Juniorpartner sein; er möchte ein unabhängiges Machtzentrum. Russland ist jedoch relativ klein: nur 140 Millionen Einwohner, zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Und es ist geopolitisch verwundbar – das ist die Kehrseite eines riesigen, aber dünn besiedelten Gebietes. Daher ist Putins Ziel die politische und wirtschaftliche Kontrolle der Ukraine – quasi ein zweites Belarus.
Trump ist zwar bereit, Putin viel zu geben, aber kein weiteres Gebiet für eine Expansion. Und Putin vertraut keinen langfristigen Versprechen. Russland hat wenig Interesse am US-Markt – der Handel ist im Vergleich zur EU oder China gering. Trumps Energiepolitik („Drill, Baby, drill“) bedeutet direkte Konkurrenz mit Russland.
Europa und Deutschland kommt in dieser Lage eine zentrale Position zu – auf welche möglichen Szenarien wir uns einstellen müssen, lesen Sie in der vollständigen und ungekürzten Version des Denkanstoßes hier.

Faktencheck

Die Frau, die mutmaßlich am Hamburger Hauptbahnhof auf Passanten einstach, soll angeblich eine 2016 zugewanderte Palästinenserin sein – das wird in Beiträgen auf X und Facebook behauptet. Doch das stimmt nicht. Laut Angaben des zuständigen Innenministeriums wurde sie in Niedersachsen geboren.
correctiv.org
Endlich verständlich
Unsere Jugendredaktion Salon5 zeigt auf, wie der Konsum von Instagram, Facebook und Co. die Gesundheit positiv und negativ beeinflussen kann. Außerdem erfahren Sie, was einen „gesunden Konsum“ Sozialer Netzwerke ausmacht.
Instagram (Salon5)
So geht’s auch
Ein Forschungsteam im Hamburger Hafen testet aktuell, wie autonome Boote künftig Müll aus dem Meer fischen könnten. Die Tätigkeit soll für Menschen (zu) gefährlich sein.
faz.net
Fundstück
Ein Österreicher hat Anfang 2025 Klagen eingereicht, um die Markenrechte an „James Bond“ anzufechten. Inhaber der Franchise forderten jetzt mehr Zeit, um ihre Verteidigung vorzubereiten.
süddeutsche.de (€) / theguardian.com (€)
Wie bringt man einen Roman wie die „Lila Eule“ auf die Bühne, der vor allem durch seinen Sound lebt, einen Roman, in dem es viel um Musik geht und eine Zeit, die auch durch Musik die Gesellschaft veränderte?
Herausgekommen ist eine LSD-Rock-Show: Das Theater Bremen stellte die Schauspielerinnen und Schauspieler; Dan Lucas und Band lieferten die Songs, Filine Volkmann und der Viktor Braun setzten die Songs tänzerisch um. Die über 700 Zuschauerinnen und Zuschauer zeigten durch die Begeisterung, mit der sie Songs wie „Sympathy For The Devil“ oder „Helter Skelter“ mitsangen, dass das Konzept aufging: Sie verwandelten das ganze Theater in einen Beat Club.
Nach der Veranstaltung sprachen mich viele beim Signieren meines Romans darauf an, wie sehr sie genossen hätten, einem Abend lang dem Zeitgeist jener Ära zu begegnen, in der Deutschland liberaler und weltoffener wurde. Und warum es wichtig ist, sich gegen den Rollback zu wehren, der die Republik wieder nationalistischer und illiberaler machen möchte. Seit dieser Woche ist übrigens die Hörbuchfassung von „Lila Eule“ auf allen Plattformen erhältlich, jede und jeder kann sich also wie mit einer Zeitmaschine in einer Vergangenheit umhören, die hochaktuell ist. TV-Star Klaas Heufer-Umlauf erlebt es so: „Virtuos erzählte Zeitgeschichte – zum ersten Mal bereue ich, ein paar Jahre zu spät geboren zu sein.“

Die Bundesregierung hat sich heute auf Verschärfungen beim Migrationsrecht geeinigt. Unter anderem soll der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte abgeschafft werden. Das betrifft demnach Geflüchtete, die zwar kein Asyl oder Flüchtlingsstatus bekommen, denen aber beispielsweise durch Bürgerkriege Gefahr von Folter oder Tod in ihrer Heimat droht. Wie viele Einreisen das Gesetzesvorhaben verhindern soll, zeigt die Grafik des Tages: 2024 konnten etwa 12.000 Personen über den Familiennachzug nach Deutschland einreisen.
Geflüchtetenorganisationen wie Pro Asyl kritisieren den Kabinettsbeschluss, der noch vom Parlament verabschiedet werden muss. Sie sehen Familie als wichtigen Integrationsfaktor. Zudem würden durch das Vorhaben legale und sichere Fluchtwege versperrt und Menschen auf gefährlichere Routen gezwungen.
zeit.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.
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