Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Justus von Daniels

Dahinter verbirgt sich eine elementare Frage unseres Zusammenlebens: Beachtet eine Regierung ein Gerichtsurteil oder sind Richter lästige Spielverderber, die man öffentlich auch mal dissen kann (und die dann auch Drohungen erhielten).

Dobrindt beruft sich darauf, dass es nur drei einzelne Fälle betraf. Unser Faktencheck-Team hat hier verständlich aufgedröselt, ob das Ministerium über diese Fälle hinaus an der Praxis der Zurückweisung festhalten kann. Üblich ist eigentlich, dass sich Behörden an solche Entscheidungen im Asylrecht halten und in einen Dialog treten, wie in künftigen Fällen am besten zu verfahren ist. Nur: Einen Dialog mit dem Gericht gab es hier offenbar nicht.

Warum ist das wichtig?
Ich habe mich bei dem Gericht ein paar Tage später mal erkundigt. Man ist dort not amused. Und zwar, weil das Innenministerium an einer Schraube dreht, die durchaus gefährlich werden kann: Es geht um den gegenseitigen Respekt der staatlichen Gewalten

Was ist, wenn Behörden aus politischem Kalkül Gerichtsentscheidungen nicht mehr ernst nehmen würden. Sollten politische Extremisten in Verantwortungsposition kommen, können sie sich irgendwann darauf berufen: Dobrindt hat sich doch auch nicht so richtig um das Gericht geschert.

Die Extremform davon ist Recht, dass nur umgesetzt wird, wenn es den Herrschenden passt. Das ist auch die Kernaussage, die die Organisation „Brot für die Welt“ in ihrem Atlas der Zivilgesellschaft trifft, den sie diese Woche veröffentlicht hat: Weltweit sind Organisationen unter Druck, weil sich vor allem autokratisch populistische Regime nicht ans Recht halten. Bei der Vorstellung des Atlas durfte ich auf einem Podium zusammen mit einer Anwältin aus Costa Rica sprechen. Sie berichtete, dass es in einigen Ländern Südamerikas Alltag ist, dass Rechte von Verfolgten gar nicht mehr gelten. Warum sie in einer fast hoffnungslosen Lage weitermacht: Weil sie daran glaubt, dass eine Gesellschaft die Rechte, die sie sich schon mal erkämpft hat, nicht wieder hergeben kann.

Egal wie man zu den derzeitigen politischen Vorschlägen steht: Wir leben von der Reibung, vom Streit. Am Ende sollte aber doch gute Energie daraus entstehen. Allein wenn aus einem Verwaltungsgericht plötzlich so verständliche Worte wie Dialog und Respekt zu hören sind statt dem üblichen Juristen-Deutsch, ist das ein wichtiges Signal.

Am Ende dieses Spotlight gibt Ihnen meine Kollegin Marie Bröckling einen Einblick zu spannenden Reaktionen auf die jüngste Recherche zu Richtern, die eine AfD-Mitgliedschaft haben. Vielleicht können Sie sogar auf den Hinweis-Aufruf reagieren. 

Ihnen wünsche ich ein erholsames Pfingst-Wochenende, natürlich auch mit unseren Empfehlungen der Woche! 

Mit besten Grüßen,
Ihr 
Justus von Daniels

Rechte Parteien greifen den öffentlichen Rundfunk an
In der Schweiz hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) eine Volksinitiative angestoßen, um die Gebühren für den öffentlichen Rundfunk stark zu kürzen. Dahinter steckt eine Strategie, die auch andere rechte Parteien in Europa verfolgen, wie das Schweizer Magazin Republik berichtet: Sie diffamieren öffentlich-rechtliche Medien als parteiisch, kürzen deren Finanzierung und versuchen, sie politisch zu kontrollieren. Republik beobachtet diese Entwicklung in Ungarn, Polen, der Slowakei, Österreich und Deutschland.
Wie rechte Parteien in ganz Europa gegen öffentlich-rechtliche Medien vorgehen (republick.ch)

Bauen trotz Hochwassergefahr
Bund und Länder geben Milliarden für den Hochwasserschutz aus. Zur Vorsorge gehört auch die Regel, dass in Überschwemmungsgebieten nicht gebaut werden darf. Eigentlich. Denn es gibt Ausnahmegenehmigungen. Dass diese Ausnahme gar nicht so selten eintritt, hat der Bayerische Rundfunk recherchiert. In Bayern sind in den letzten fünf Jahren rund 3.500 solcher Genehmigungen erteilt worden. 
Bauen im Überschwemmungsgebiet (br.de)    

Mit Drohnen gegen russische Bomber 
Mit einem aufsehenerregenden Drohnenangriff hat die Ukraine vor wenigen Tagen zahlreiche russische Bomber zerstört, teilweise Tausende Kilometer hinter der Grenze. Wie ist ihr der spektakuläre Schlag gegen die russische Luftwaffe gelungen? Wie er geplant und ausgeführt wurde, hat die SZ recherchiert.  
Wie die Ukraine die Drohnen-Angriffe auf russische Flugplätze geschafft hat (sz.de)

Weitere Untersuchungen zur Bestechungsaffäre um AfD-Abgeordneten Krah
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wirft dem AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah vor, Bestechungsgeld aus China angenommen zu haben, Krah bestreitet jegliches Fehlverhalten. Der Fall könnte heikel für die gesamte AfD werden, schreiben die Kollegen von t-online.
Bestechungsaffäre um Krah (AfD): Durchsuchungen in Kanzlei und Unternehmen (t-online.de)


Mein Kollege Jean Peters und ich haben am Dienstag einen Artikel über den Umgang der Bundesländer mit AfD-nahen Richtern veröffentlicht – und damit offenbar einen Nerv getroffen. Viele, die ich auf dem Deutschen Anwaltstag in Berlin getroffen habe, beschäftigt dieses Thema.

Eine Ausbilderin der öffentlichen Verwaltung erzählte, dass angehende Beamte bereits jetzt vor Beginn der Ausbildung gefragt werden, ob sie Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Organisation sind. Sie führen persönliche Gespräche, prüfen Registerauszüge und achten auf auffällige Tattoos. Doch auch sie betont: Kein System ist perfekt. Es braucht deshalb vor allem wachsame Vorgesetzte und Kollegen.

Ein anderer Anwalt sagte mir, es sei wichtig, den Druck auf die Dienstherren zu erhöhen. Vorgesetzte müssten zwingend ermitteln, ob Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, wenn sie von der AfD-Mitgliedschaft eines Beamten erfahren. Der Anwalt betont, man könne rechtliche Schritte gegen Vorgesetzte einleiten, die dieser Pflicht nicht nachkommen.

Foto: Chris Gordon / istock

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Sebastian Haupt.