Klimawandel

Lars Klingbeil erfindet 20 Klima-Milliarden

Das Sondervermögen der Bundesregierung soll eigentlich große Investitionen ermöglichen. CORRECTIV enthüllt einen neuen Trick des Finanzministeriums: Er befeuert die Sorge, dass viele der Milliarden nur Löcher im Haushalt stopfen.

von Elena Kolb

Bundeskabinett
SPD-Finanzminister Lars Klingbeil scheint sich den Bundeshaushalt so zusammen zu rechnen, wie es gerade passt (Foto: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)

Deutschland macht Schulden. Was lange tabu war, liegt unter Kanzler Friedrich Merz plötzlich wieder im Trend: In den nächsten Jahren sollen 500 Milliarden in Infrastruktur, Klimaschutz und die Unterstützung der Länder gesteckt werden.

Das Geld wird dringend gebraucht, ob bei den kaputtgesparten Brücken, den unterbesetzten Kitas oder in den schlecht sanierten deutschen Häusern. Seit die ersten Entwürfe zum Sondervermögen an die Öffentlichkeit dringen, wachsen jedoch Zweifel daran, dass sie auch an den richtigen Stellen ankommen werden. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass das Finanzministerium mit Geldern aus dem Sondervermögen auch Löcher im Haushalt stopfen will.

Einnahmen, wo keine Einnahmen sind 

CORRECTIV enthüllt nun einen Rechentrick des Finanzministeriums, der diesen Verdacht bestärkt: Finanzminister Klingbeil schiebt 20 Milliarden auf dem Papier in den Klimatopf des Sondervermögens – obwohl sie dort schon drin liegen. Das geht aus Dokumenten hervor, die CORRECTIV vorliegen.

Der Trick des Finanzministeriums hat mit Christian Lindner zu tun und funktioniert so: Im Klima- und Transformationsfonds (KTF) liegen mehrere Milliarden. Der KTF ist der Geldtopf, über den die Regierung Ausgaben für Klimaschutz-Maßnahmen regelt. Der damalige FDP-Finanzminister Lindner wollte aus diesem Topf Klima-Milliarden in den ordentlichen Bundeshaushalt verschieben, um das Geld für andere Zwecke zu nutzen. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagt, dass man damals 20 Milliarden abführen wollte. Final bestätigt wurde das aber nie, denn der Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition ging nicht durch den Bundestag. Die 20 Milliarden liegen also immer noch im KTF.

Extramilliarden könnten über Kürzungen hinwegtäuschen 

Im zweiten Schritt will nun das SPD-Finanzministerium die fiktiven 20 Milliarden wieder zurück an den KTF geben. Geld also, das nie weg war. Am Ende sieht es so aus, als ob 20 zusätzliche Milliarden an den KTF fließen würden. Dabei lässt das Finanzministerium unter den Tisch fallen, dass man sich auf einen nicht beschlossenen Haushaltsentwurf bezieht. Womöglich sollen die fiktiven Extramilliarden darüber hinwegtäuschen, dass Klingbeils Plan auch vorsieht, 7,5 Milliarden aus dem KTF abzuziehen – um Haushaltslöcher zu stopfen.

Ob die Milliarden aus dem Sondervermögen also wirklich dort landen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, ist fraglich. Am 24. Juni sollen die Pläne vom Kabinett beschlossen werden.

Auf Nachfrage von CORRECTIV sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums: Das vorherige Kabinett habe im August 2024 beschlossen, ab 2027 „Abführungen des KTF an den Kernhaushalt” vorzunehmen. Diese sollten sich im Planungszeitraum auf 20 Milliarden Euro belaufen, so die Sprecherin. Von Rechentricks will man im Finanzministerium nichts wissen. Regierungsentwurf und Wirtschaftsplan des KTF seien vom vorherigen Kabinett beschlossen worden und würden daher „wie üblich die Grundlage für weitere Haushaltsplanung bilden“, so die Sprecherin. Das Finanzministerium beruft sich also auf Pläne der Vorgänger-Regierung, die über genau diese schließlich zerbrochen ist.

Betrug an der kommenden Generation

Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, war beteiligt an den Verhandlungen zum Sondervermögen. Er sagt, Lars Klingbeil würde bei seinen Haushaltstricks „vor kaum einem Manöver zurückschrecken.“ Es würden „absurdeste Christian-Lindner-Phantasien als Vergleichsgröße herangezogen. Nur um eigene Zahlen schön zu rechnen“. So würden Kürzungen bei Klimaschutzprogrammen „als Strohmann aufgestellt, um dann heroisch Lücken zu schließen, die es nie gab. Tricks ohne jeden positiven Effekt für das Klima.“

Klingbeil und Friedrich Merz arbeiteten daran, „im Bundeshaushalt den größten Verschiebebahnhof der Nachkriegsgeschichte zu organisieren“, so Audretsch. In den Verhandlungen sei für alle klar gewesen, „wir brauchen zusätzliche Investitionen in Klimaschutz, in Brücken, Schienen und Zukunftstechnologien. Klingbeil ignoriert den Geist dieser Verhandlungen.“ Seine Methode sei „Betrug an der kommenden Generation und schadet unserer Zukunft“, so Audretsch.

Redaktion und Faktencheck: Frida Thurm

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