Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

heute war die Polizei bundesweit im Einsatz – gegen Hass und Hetze im Netz, konkret: gegen Trolle, die vor allem rechtsradikale Äußerungen verbreiten. Im Thema des Tages nehmen wir unter die Lupe, wozu die Aktion genau gedient hat.

Außerdem im SPOTLIGHT: In der „Werkbank“ schreibt Marcus Bensmann, warum das Gerichtsurteil, das dem rechten Magazin Compact das Weitermachen erlaubt, in Wahrheit keine Niederlage für den Rechtsstaat war.

Und wir haben heute zwei Nachrichten veröffentlicht: Eine dreht sich um eine Ausschreibung für die Anschaffung neuer Waffen – die offenbar ziemlich genau auf den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall zugeschnitten ist. Die andere um ein riesiges Neonazi-Konzert in Kroatien, bei dem unseren Recherchen zufolge auch ein deutsches Unternehmen unterstützt.

Thema des Tages: „Los Wochos“ gegen Hass und Hetze

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Nein, Giorgia Meloni hat keine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet

Gute Sache(n): Was ist eine Kulturhauptstadt? • Forschende in Hannover kämpfen gegen US-Zensur • Zeckenatlas

CORRECTIV-Werkbank: Was das Compact-Urteil wirklich aussagt

Grafik des Tages: Welchen Medienmarken die Deutschen am wenigsten trauen

Koordiniert hat das Ganze das Bundeskriminalamt (BKA), 65 Durchsuchungsbeschlüsse wurden umgesetzt. Das heißt, die Polizei war beispielsweise in den Privatwohnungen der Trolle und hat deren Rechner gesichert. Die Hinweise auf die strafbaren Hasspostings stammten laut Bundeskriminalamt von Bürgern oder Meldestellen – oder aus eigenen Ermittlungen der Polizeibehörden.

Wer anonyme Hasspostings ins Netz schreibt, rechnet in der Regel nicht mit Entdeckung. Die Polizei will das durch diese Aktionstage ändern. picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Welche Konsequenzen haben die Aktionstage für Trolle?
SPOTLIGHT-Reporterin Samira Joy Frauwallner hat heute das Bundeskriminalamt, alle 16 Landeskriminalämter und beteiligte Staatsanwaltschaften gefragt: 

Was wird aus den Ermittlungsverfahren, die gegen Hass und Hetze im Netz angestoßen wurden? Also: In wie vielen Fällen gab und gibt es Verurteilungen?

Die Polizei Bremen teilte hierzu auf unsere Anfrage ein aktuelles Beispiel: In einem Fall soll ein Beschuldigter auf der Plattform Youtube einen Beitrag mit dem Titel „Bist du Jude? Wenn ja, ruft Auschwitz“ veröffentlicht haben, was den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Die Ermittler suchten in Bremen am Morgen die Wohnung von Beschuldigten wie diesem auf und stellten Beweismittel wie Mobiltelefone und Datenträger sicher. 

Laut Angaben der Landeskriminalämter und der Staatsanwaltschaften gibt es Stand jetzt folgende Zahlen zum heutigen Aktionstag:  

  • In Bayern habe es zwölf beschuldigte Personen und infolge dessen Durchsuchungen gegeben, eine Vernehmung und Beschlagnahme von Beweismitteln wie Mobiltelefone und Laptops. 
  • Laut Staatsanwaltschaft Berlin gab es in der Hauptstadt keine Festnahmen, aber auch dort seien Beweismittel eingezogen worden. 
  • Brandenburg beteiligte sich mit sechs Maßnahmen.
  • Thüringen meldete 25 Einsätze. 
  • In Sachsen sollen es 16 Vernehmungen und eine Durchsuchung gewesen sein. 
  • In Bremen habe die Polizei fünf Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt.
  • Mecklenburg-Vorpommern hat nur eine Vernehmung in Neubrandenburg wegen eines mutmaßlichen Verstoßes ausgeführt: wegen Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens. 
  • In Niedersachsen soll ebenfalls ein einzelner 18-Jähriger Ziel einer Durchsuchungsmaßnahme gewesen sein. Grund sei der Verdacht, NS-Symbole über Instagram verbreitet zu haben. 
  • In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein habe es in Zusammenhang mit dem Aktionstag keine Festnahmen gegeben. 

Die restlichen Bundesländer haben bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. 

Was soll die Aktion bringen?
Wir haben die beteiligten Behörden auch gefragt, was sie sich von den Aktionstagen erhoffen: Geht es darum, allgemein abzuschrecken? Also die Angst davor zu schüren, dass vielleicht irgendwann die Polizei vor der Tür steht?

Das Bundeskriminalamt erklärte: „Dass Menschen durch die Aktionstage vom Posten strafbarer Inhalte abgehalten werden, kann positiv unterstellt werden, ist aber nicht messbar.“ 

Die Staatsanwaltschaft Göttingen erklärte hingegen: „Von den Aktionstagen versprechen wir uns den Effekt, dass es sich herumspricht, dass die Verbreitung strafbarer Inhalte im Internet nicht sanktionslos bleibt“.  Stattdessen solle klar werden, dass die Verfasser solcher Kommentare möglicherweise „aus der Anonymität des Netzes herausgeholt“ und „mit strafrechtlichen Mitteln verfolgt“ werden können. Auch Sachsen äußerte sich ähnlich: dass der Aktionstag ein „deutliches Zeichen gegen Gewalt und die Verbreitung von extremistischem Gedankengut“ sein soll, um deutlich zu machen, dass Täter „jederzeit mit einer konsequenten Strafverfolgung zu rechnen haben“.

Wird der Hass im Netz denn weniger?
Wirkt die Abschreckung? Auch das haben wir gefragt. 

Fest steht: Die Zahl der rechtsradikalen Hasspostings im Netz ist zuletzt nicht etwa gesunken, sondern sogar gestiegen: Wie eine Sprecherin der Polizei Bremen mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 10.732 Straftaten in diesem Zusammenhang angezeigt. Das war fast ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.

Ein Grund für diesen Anstieg sei unter anderem, dass Meldungen eingehen können, weil es seit 2022 eine zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des BKA (ZMI BKA) gibt. Auch ein größerer Teil der Fälle des heutigen Aktionstages gehe darauf zurück. Nur zur Erfolgsquote vergangener Aktionstage selbst liegen laut Sprecher aus Thüringen keine belastbaren Zahlen vor. Es erfolge keine „statistische Erfassung über den Ausgang der durchgeführten Maßnahmen“.

Kritik an Haushaltsplan: Klimaschutz getauscht gegen Gas 
Trotz verfassungsrechtlicher Zugeständnisse an die Grünen bleibt die Haushaltsplanung der Großen Koalition beim Thema Klimaschutz wenig ambitioniert und schließt weitere Investitionen in fossile Projekte nicht aus. Umweltverbände kritisieren das. „So schaffen wir die Klimaneutralität bis 2045 nicht”, sagte etwa ein Vertreter von „Germanwatch“.
fr.de

CORRECTIV: Deutsche Firma baut Megakonzert von rechtsradikalem Musiker in Zagreb auf
Ein Sänger, der bekannt für den faschistischen Ustaša-Gruß ist. Ein Mega-Event, das mit 500.000 Tickets angeblich alle Rekorde bricht. Und mittendrin: ein deutsches Unternehmen.
correctiv.org

CORRECTIV: Deal mit Rheinmetall im Visier?
Es ist eine der ersten Ausschreibungen nach Beschluss des neuen Rüstungspakets: Die Geschütze deutscher Marineschiffe sollen ausgetauscht werden, um wirksamer gegen Drohnen zu werden. Für den Deal infrage kommt im Grunde nur ein Unternehmen: Rheinmetall. 

correctiv.org

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Palazzo Chigi in Rom, Italien, am 6. Juni 2025
Quelle: Massimo Valicchia/ NurPhoto / Picture Alliance

So geht’s auch
Wie rettet man die Wissenschaft vor der Zensur der US-Regierung? Vor allem im Bereich Klima- und Geschlechterforschung sorgt die Trump-Administration für äußerst problematische Einschränkungen. IT-Forschende in Hannover gehen dagegen vor und sichern Millionen Artikel und die darin enthaltenen Daten in einem Archiv. Verschwinden Inhalte aus dem Netz, stellen sie diese wieder online.  
ndr.de

Fundstück
Der Frühsommer ist leider auch Hochsaison für Zecken. Die Berliner Morgenpost stellt in ihrem Atlas dar, wo ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung an FSME oder Borelliose nach einem Stich besteht.  
interaktiv.morgenpost.de

Autor Box Marcus Bensmann

Manchmal ist die Begründung eines Urteils wichtiger als die Entscheidung selbst. Das trifft auf Leipzig zu. Die Aufhebung des Verbots von Compact ist hier nicht so überraschend. Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Doch die Richter schrieben auch, dass das „Remigrationskonzept“ von Martin Sellner, dem Kopf der Identitären Bewegung, „soweit es zwischen deutschen Staatsangehörigen mit oder ohne Migrationshintergrund unterscheidet“, gegen die „Menschenwürde“ und das „Demokratieprinzip“ verstößt. Damit erhält Sellners völkisches Konzept aus Leipzig den Stempel: verfassungswidrig.

Die Geheimplan-Recherche von CORRECTIV zeigte, wie Sellner unter anderem hochrangigen AfD-Funktionären unweit von Potsdam im November 2023 die „Remigration“ auch für „nicht-assimilierte Staatsbürger“ über „Anpassungsdruck“ und „maßgeschneiderte Gesetze“ als „Jahrzehnteprojekt“ vorschlug. Diese Recherche brachte damals Millionen Menschen auf die Straße. Unsere Artikel zeigen weiter, wie Sellner diese Idee in – nun nicht mehr öffentlichen – Videos bei Compact kurz nach der Veranstaltung in Potsdam wiederholte. „Remigration“ habe auch „nicht-assimilierte Staatsbürger im Fokus“ und Sellner schlug in einem Video vor, dass die Remigration bis zu 6 Millionen „nicht-assimilierte Staatsbürger“ betreffen könnte.

CORRECTIV zeigte, wie diese völkische Ideologie und Sellners Konzept tief in die AfD einsickerte.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.