
Wir haben keinen Planeten B. Dieser Spruch prangte auf Plakaten auf vielen Klimaschutz-Demos. Lange her. Offenbar ist die Sorge um den Planeten A, also unsere Lebenswelt, nicht mehr so groß. Zumindest war die UN-Konferenz, die gestern in Bonn zu Ende ging, ernüchternd. Die USA – erwartbar – waren gar nicht erst da.
Das Treffen in Bonn sollte die nächste Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém vorbereiten. Meine Kollegin Katarina Huth aus unserer Klimaredaktion zieht folgende Bilanz:
„In Baku letztes Jahr wurden 300 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2035 für die Klimafinanzierung beschlossen. Die dringend benötigte „Roadmap”, wie diese Gelder tatsächlich mobilisiert und verteilt werden sollen, wurde in Bonn nicht entwickelt. Auch bei der Frage nach dem globalen Ausstieg aus fossilen Energien gab es keinen nennenswerten Fortschritt. Die Bonner Konferenz hat gezeigt, dass die Lücke zwischen der von der Wissenschaft vorgebrachten Dringlichkeit und politischer Wirklichkeit weiter wächst. Die EU wäre in der Lage, eine Führungsrolle zu übernehmen, wirkt aber gerade selbst blockiert, nicht zuletzt wegen eigener wackelnder Klimaziele.“
Klimaschutz wird weltweit heruntergedimmt – das hat auch mit einer fehlenden Lobbykraft zu tun. In der Bundespolitik zeigt sich gerade, wo die Weichen gestellt werden. Vor ein paar Wochen konnten alle träumen von den geplanten Milliarden – die Brückenbauer, die Panzerbauer, die Schulen, Kitas und auch die Klimaschützer. Jetzt zeigt sich langsam, wohin das Geld geht und wohin nicht.
Gasförderung ja, günstigerer Strom für Privatkunden nein; das war eine der Weichenstellungen diese Woche. Und sie führte gleich zu einem Koalitions-Knatsch, nur ums Klima ging es dabei nicht (dazu unten auch ein Blick meiner Kollegin Elena Kolb im CORRECTIV.Inside).
Gesellschaftlich sprechen wir gerade über Krieg und Frieden; auch über erlahmte Strukturen der Bürokratie und über epochale technologische Umwälzungen. Klimaschutz war lange (vor allem aufgrund der Klima-Initiativen) ein Topthema, steht nun aber deutlich hinter den anderen.
Vor den derzeitigen Bedrohungen ist das auch verständlich.
Jetzt wäre es für den Klimaschutz allerdings gut, wenn es effektive Strukturen gäbe, die das Interesse auf der politischen Ebene vertreten. Konzerne können das besonders gut, auch Gewerkschaften. Sie sind traditionell gut vernetzt und halten ihre Forderungen den Politikern immer wieder unter die Nase, auch wenn deren Themen gerade keine Aufmerksamkeitswelle erleben. Aber es gibt weder einen Klimaschutz-Konzern noch eine Klimaschutz-Gewerkschaft.
Eins ist auch klar: Bei weiteren drohenden Schäden durch die Erderhitzung werden sich die gesellschaftlichen Konflikte – auch auf globaler Ebene – verschärfen. Und damit wären wir wieder bei den Themen, die gerade ganz oben stehen. Krieg und Frieden.
Man kann die Ergebnisse der UN-Konferenz nun folgerichtig oder fatal finden, oder man versucht die Zusammenhänge zwischen den derzeitigen Debatten und den Anliegen der Klima-Demos der vergangenen Jahre zu begreifen.
Ihnen wünsche ich ein erholsames Wochenende, natürlich auch mit unseren kuratierten Empfehlungen der Woche!
Mit besten Grüßen,
Ihr
485 Millionen Jahre Klimageschichte
Das Jahr 2024 war das bisher wärmste Jahr, das jemals gemessen wurde. Seit 170 Jahren werden die Temperaturen weltweit mit Messstationen dokumentiert – so warm wie heute war es auf der Erde seit sehr langer Zeit nicht mehr. Gregor Aisch und Elena Erdmann haben in einem Artikel für die Zeit fast 500 Millionen Jahre Klimageschichte grafisch aufbereitet und erklären daran, in was für einer Ausnahmesituation sich das Klima heute befindet.
Scrollen Sie sich durch 485 Millionen Jahre Erdgeschichte (zeit.de, €)
Machtmissbrauch im Rudern
Ein Ruderverein in Münster bringt regelmäßig Toptalente hervor – sie bescherten dem deutschem Team immer wieder Erfolge bei den olympischen Spielen. Nun aber gibt es Zweifel an den Methoden: Der Cheftrainer des Vereins soll Jugendliche über Jahre hinweg angeschrien und gedemütigt haben. Die Dokumentation der ARD erzählt eine Geschichte von Machtmissbrauch und des zweifelhaften Umgangs von Verein und Verband mit den Vorwürfen der Betroffenen.
System der Angst – Machtmissbrauch im Rudern (youtube.com, Video)
Smartphone werden zu Spionagewerkzeugen
Der Podcast „Dark Agent“ vom Deutschlandfunk erzählt von einem Cyberangriff, der Smartphones in Spionagewerkzeuge verwandelt. Diese investigative Recherche führt in eine digitale Schattenwelt und fragt: Wie weit gehen Staaten, um Demokratie zu schützen – oder andere zu stürzen?
Dark Agent – Im Netz der Geheimdienste (ardaudiothek.de, Podcast)
Milliarden für Rüstungsdeals
100 Milliarden für ein sicheres Deutschland: Das ist das Versprechen hinter dem „Sondervermögen Bundeswehr“. Doch wohin ist das Geld geflossen – und sind wir damit sicherer geworden? Ein halbes Jahr lang recherchierte ein Team für das ZDF hinter den Kulissen der „Zeitenwende“. Bisher nicht öffentliche Dokumente zeigen, wie abhängig sich Deutschland von großen Rüstungskonzernen und ausländischer Industrie macht.
Die Zeitenwende-Deals (zdf.de, Video)

CORRECTIV Inside
Schon vor einigen Wochen hatten wir bei CORRECTIV davor gewarnt – nun haben wir es Schwarz auf Weiß: Die Regierung macht beim Klimaschutz mehrere Salti rückwärts.
Konkret will sie mit Geldern aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) die sogenannte Gasspeicherumlage finanzieren. Das ging aus einem geleakten Referentenentwurf hervor, den ich letzte Woche einsehen konnte. Mit ihrer Idee will die Regierung diejenigen entlasten, die mit Gas heizen. Selbst wenn man solche Energiesubventionen zur sozialen Absicherung kurzfristig unterstützen will, ist dieser Geldtopf genau der falsche.
Das Geld aus dem KTF ist dafür vorgesehen, Klimaschutz anzuschieben und richtungsweisende Investitionen für die Zukunft zu tätigen. Damit Energie in Zukunft auch billiger werden kann. Klimaschädliches Gas zu subventionieren, schafft aber gegenteilige Anreize.Die Regierung verzögert damit den notwendigen Gasausstieg, weil die Preise künstlich niedrig gehalten werden. Und es straft indirekt auch Menschen ab, die schon auf klimafreundliche Technologien wie eine Wärmepumpe setzen. Denn für Strom soll es gerade für private Haushalte keine finanzielle Hilfe geben.

Die Woche bei CORRECTIV

Diese Kreise haben die höchste Solarleistung in Deutschland
Die Solarenergie in Deutschland boomt. CORRECTIV zeigt, welche Landkreise seit 2021 Solaranlagen am stärksten ausgebaut haben. Doch schon bald könnte der dringend notwendige Ausbau gebremst werden.
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Neues Marinegeschütz: Deal mit Rheinmetall im Visier?
Es ist eine der ersten Ausschreibungen nach Beschluss des neuen Rüstungspakets: Die Geschütze deutscher Marineschiffe sollen ausgetauscht werden, um wirksamer gegen Drohnen zu werden. Für den Deal infrage kommt im Grunde nur ein Unternehmen: Rheinmetall.
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Rechtsrock: Deutsche Firma baut Megakonzert von Musiker Thompson in Zagreb auf
Ein Sänger, der bekannt für den faschistischen Ustaša-Gruß ist. Ein Mega-Event, das mit 500.000 Tickets angeblich alle Rekorde bricht. Und mittendrin: ein deutsches Unternehmen.
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Kern der Berichterstattung über einen Priester im Bistum Passau ist zulässig
Der Verdacht des „geistlichen Missbrauchs“ eines Priesters sorgte in Passau für Wirbel. Anlass dafür war eine Presseanfrage zu einem vertraulichen Bericht des Bistums. Der Priester wehrte sich vor Gericht – mit gemischtem Erfolg.
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Überzogene Heizkosten: Geprellte Kunden können sich auf neues Urteil beziehen
Ein neues Gerichtsurteil stärkt die Position von Wärmekunden gegenüber Energieversorgern. CORRECTIV hatte bereits aufgedeckt, dass vermutlich Hunderttausende Menschen in Deutschland überhöhte Heizkosten zahlen. Jetzt fordert die Linksfraktion im Bundestag gesetzliche Änderungen. Der Deutsche Mieterbund drängt auf besseren Schutz für Mieterinnen und Mieter.
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An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Stella Hesch, Katarina Huth und Finn Schöneck.
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