Klimawandel

MDR streicht Kemferts Klima-Podcast – mit sofortiger Wirkung

Nach knapp vier Jahren nimmt der MDR den Podcast von Energie- und Klima-Ökonomin Claudia Kemfert aus dem Programm. Der Sender erklärt dies mit „Kompetenzbündelung“.

von Anette Dowideit

Briefkopf von ARD ZDF und Deutschlandradio mit Kugelschreiber
Der Rundfunkbeitrag ist ein politisch heikles Thema – damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, werden derzeit Formate auf den Prüfstand gestellt.

In „Kemferts Klima-Podcast“ im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) geht es um Politik: zum Beispiel darum, wie sich der Klimawandel auf unsere Lebensgrundlagen auswirkt und wie die handelnden Politiker darauf reagieren sollten. Oder um die Frage, wie sich Westeuropa bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland machen könnte. Seit knapp vier Jahren diskutiert die Energie- und Klima-Ökonomin Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), regelmäßig diese Fragen.

Der Podcast soll übereinstimmenden Angaben mehrerer Beteiligter zufolge ungewöhnlich viele Hörerinnen und Hörer haben: Bis zu 40.000 Menschen hörten sich demnach manche der Folgen an.

Nun aber hat der MDR dem Podcast den Stecker gezogen. Informationen von CORRECTIV zufolge teilte er Kemfert und dem Moderatorenteam Anfang vergangener Woche mit, das Projekt werde mit sofortiger Wirkung beendet – also noch während der Sommermonate.

Weniger Programm, weniger Kosten

Offenbar steht das Aus von Kemferts Podcast im Zusammenhang mit dem laufenden Sparprogramm beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Schon seit mehreren Monaten arbeiten die Sender – nach einem Beschluss der Bundesländer – daran, ihr Angebot weniger redundant und damit weniger kostenintensiv zu gestalten: Die zum ARD-Verbund gehörenden Rundfunkanstalten streichen Sparten-Radiosender, TV- und Digitalangebote.

Auch bei den Klima-Podcasts wurde offenbar Sparpotenzial erkannt: Bislang gab es einen NDR-, einen SWR-, und eben jenen MDR-Podcast. Drei vergleichsweise ähnliche Angebote im ARD-Verbund seien einer zu viel – so soll die interne Begründung für das abrupte Ende des MDR-Podcasts gelautet haben.

MDR erklärt Einstellung mit Kompetenzbündelung

Auf Anfrage von CORRECTIV bestätigt der MDR dies. Der Podcast werde abgesetzt, weil die ARD ihre Angebote zum Thema Klima in einem Kompetenzcenter bündele. „Im Ergebnis der Befassung zum publizistischen Angebot wurde entschieden, das Podcast-Angebot zu überarbeiten. MDR und NDR wurden mit der Entwicklung eines gemeinsamen Podcasts beauftragt, der Entwicklungsprozess dauert an.“

Weshalb nun aber ausgerechnet der reichweitenstarke Kemfert-Podcast daran glauben musste? CORRECTIV hat den MDR gefragt. Die Antwort: Zwar veröffentliche man keine konkreten Zahlen, es stimme aber, dass der Podcast im internen Vergleich konstant unter den „Top 15-Angeboten des Senders“ rangiert habe. Weitere Angaben zur Frage, warum dennoch diese Entscheidung getroffen wurde, machte der Sender nicht.

Spekulationen über Motive in den Sendeanstalten

Informationen von CORRECTIV zufolge wird die Frage, weshalb der Kemfert-Podcast gestrichen wurde, derzeit auch unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ARD-Anstalten hitzig diskutiert.

Mehrere Beteiligte formulierten gegenüber CORRECTIV die Vermutung, die Sendeanstalten würden womöglich aus vorauseilendem Gehorsam agieren – um politischem Gegenwind zunehmend konservativer Strömungen in der Politik vorzubeugen. Und zwar insbesondere deshalb, weil Forscherin Kemfert vor allem im rechtskonservativen Bereich des demokratischen Spektrums und bei Klimawandel-Leugnern als Hassfigur gilt. Auch konservative Medien wie die NZZ nehmen ihre Forschungsarbeit regelmäßig kritisch unter die Lupe – zum Beispiel hier.

Hinzu kommt, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Fokus derselben Kritikergruppen steht: Ende Mai hatte eine CORRECTIV-Recherche gezeigt, dass ARD und ZDF im vergangenen Jahr von einer konzertierten Welle an Programmbeschwerden überflutet wurden. Ein Großteil der insgesamt rund 48.000 Beschwerden stammte demnach von einer Plattform, deren Betreiber unter anderem aus dem Spektrum der Corona-Leugner kommt.

Zwar sind die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in ihrer Programmgestaltung und redaktionellen Entscheidungen unabhängig von der Politik. Über die Besetzung der Kontrollgremien und Finanzierungsentscheidungen kann die Landesregierung dennoch Einfluss nehmen. Das MDR-Sendegebiet deckt Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab.

In allen drei Ländern stellt die CDU die Ministerpräsidenten, und diese üben häufiger Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk – etwa der Sachsen-anhaltinische Landeschef Reiner Haseloff. Im Mai kritisierte er im Gastbeitrag bei der Welt eine „Unwucht im Programm zugunsten linker und grüner Positionen“. 2021 blockierte er eine Beitragserhöhung, die dann vom Bundesverfassungsgericht angeordnet wurde.

„Nicht aktivistisch!“

Auffällig ist in diesem Zusammenhang noch dies: Der MDR hat kürzlich einen Aufruf für neue Sendekonzepte für seine Klimaberichterstattung gestartet. Darin heißt es, die Vorschläge sollten „nicht aktivistisch!“ sein. CORRECTIV hat den MDR gefragt, ob dieser Aufruf im Zusammenhang mit dem abgesetzten Kemfert-Podcast steht und ob die Forscherin dem Sender als zu aktivistisch sei.

Die Antwort: Es gebe keinen Zusammenhang. „Das Kompetenzcenter Klima hat entschieden, diese angeführte Produktion auszuschreiben, um neben einem journalistischen Podcast auch eine alternative publizistische Form anzubieten – im Sinne einer Verbreiterung des Portfolios und damit dem Erreichen weiterer Zielgruppen.“ Es sei sogar „beabsichtigt, auch bei dem gemeinsamen Podcast mit Frau Prof. Kemfert zusammen zu arbeiten“.

CORRECTIV im Postfach
Lesen Sie von Macht und Missbrauch. Aber auch von Menschen und Momenten, die zeigen, dass wir es als Gesellschaft besser können. Täglich im CORRECTIV Spotlight.