
Vor ein paar Tagen haben wir ja einen Text zum Thema „Wasserstoff in Heizungen“ veröffentlicht. Dazu gab es einige Reaktionen, die mich zunächst wunderten, aber irgendwie auch verständlich waren.
Wir haben mit vielen Fachleuten gesprochen, die sehr klar gemacht haben, dass grüner Wasserstoff kein Ersatz für das Gas in den privaten Gasheizungen sein wird. Ein wichtiges Thema, immerhin heizen fast 50 Prozent der Bevölkerung mit Gas.
In die Kommentarspalte meines LinkedIn-Posts wurde ein Video verlinkt, in dem Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck davon sprach, dass er grünen Wasserstoff für notwendig halte – für grünen Stahl. Hat uns Habeck also was Falsches erzählt? Nein, denn es widerspricht gar nicht dem, was die Fachleute sagen: Dass grüner Wasserstoff für bestimmte Industrien wichtig sei, aber aus mehreren Gründen eben nicht durch die gut 500.000 Kilometer Gasleitungen fließen wird, die private Heizungen beliefern. Es ist vielmehr die Gasindustrie, die den Wasserstoff als Allheilmittel anpreist, denn so will sie ihre Leitungen weiter nutzen.
Und da liegt ein Problem für uns alle. Die Energiekonzerne, aber auch die Kommunen sitzen auf einer Riesen-Hypothek. Unter den Häusern und Wohnungen, in denen wir leben, liegt eine Röhren-Infrastruktur, die ab 2045 nutzlos sein wird, weil Deutschland dann C02-neutral sein soll. Wenn die Gasleitungen nicht mehr gebraucht werden, müssen die Eigentümer sie abschreiben und wahrscheinlich zurückbauen. Das ist ein echtes Dilemma.
Es wäre nun leicht zu sagen, das ist eben die Verantwortung der Netzbetreiber. Aber wer sind die Netzbetreiber? In vielen Fällen sind wir das selbst. Weil Netze oft den öffentlichen Stadtwerken gehören, also den Städten und Gemeinden. Also müssen wir die Debatte führen, wer das bezahlen soll und was alternative Infrastrukturen für Heizungen sein können, mit denen die Energiewende gelingt. Ohne Groll und Angst, sondern mit einem klaren Blick nach vorn.
Wir werden übrigens im Herbst ein großes Projekt starten, bei dem wir in einem Bundesland genau diese Fragen aufbohren und diskutieren wollen. Die Vorbereitungen laufen schon, bald können wir an dieser Stelle mehr dazu sagen.
Als ich in der Vorbereitung auf diesen Spotlight den Entwurf des heutigen Denkanstoßes (am Ende dieser Ausgabe) von meinem Kollegen Sergey Lukashevsky las, war ich beeindruckt von der Klarheit, wie er als russischer Staatsbürger über die derzeitigen Forderungen schreibt, die Putin allein mit Friedensangeboten entgegenkommen wollen. Er weist das mit den Worten des Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow deutlich zurück und hat einen anderen Vorschlag.
Übrigens möchte ich mich dank des freundlichen Hinweises einer Leserin korrigieren. Letztens habe ich Ihnen hier ein „sonniges Wochenende“ gewünscht. In Zeiten der Super-Hitze haben sich manche eher weniger Sonne gewünscht. Das kann ich gut verstehen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erholsames und wetter-angenehmes Wochenende. Dazu gehören natürlich auch die von uns kuratierten Recherchen der Woche!
Mit besten Grüßen,
Ihr
Gefährliches Opioid
Tramadol dient vor allem zur Linderung chronischer Rückenschmerzen. Ärzte verschreiben es millionenfach, obwohl es ein Opioid ist und süchtig machen kann. Seit Jahren warnen Experten vor den Risiken, doch die Tabletten fallen weiterhin nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Ein einfaches Rezept vom Hausarzt genügt. Frontal und Spiegel haben gemeinsam recherchiert, warum das so ist.
Tramadol – das gefährliche Opioid mit Suchtpotenzial (zdfheute.de, Video)
Rechts und bibeltreu
Evangelikale Christen aus dem rechten Spektrum lehnen Sex vor der Ehe, Klimaschutz und LGBTQ ab. Einige unterstützen die AfD. Hunderttausende folgen ihnen auf Instagram und YouTube, wo sie ein patriarchales Weltbild propagieren und die Unterordnung der Frau fordern. Mechthild Klein hat sich für den Deutschlandfunk den bemerkenswerten Trend und die bekanntesten Akteure angeschaut. Hier gibt es Überschneidungen zwischen bekannten rechten Influencern, über die CORRECTIV im vergangenen Jahr berichtet hatte.
Christfluencer und ihr erzkonservatives Familienbild (deutschlandfunk.de, Audio)
Was geschah mit Alexander Luchterhandt?
Er galt als Legende der Berliner Medienwelt – bis er 2005 spurlos verschwand. Der Mord an Alexander Luchterhandt bleibt ein Rätsel. Doch ein Informant des Stern behauptet, die Wahrheit zu kennen. In „Luchterhandt“ schildert Host Matthias Bolsinger in einem Doku-Podcast in zwölf Folgen einen der rätselhaftesten Mordfälle Berlins. Bis heute ist der Fall ungelöst, weder Täter noch Leiche wurden je gefunden.
Luchterhandt (stern.de, Podcast)
„Da ist so ziemlich alles falsch, was nur falsch sein kann“
Das Schweizer Medium Izzy hat eine Doku über einen Casino-Betrug in einem Zürcher Casino veröffentlicht. Elf Trickbetrüger brachten das Casino um mehrere Hunderttausend Schweizer Franken. Im Anschluss veröffentlichte die Bild-Zeitung einen Artikel zum Thema. Doch die zentralen Punkte der Recherche von Izzy waren falsch wiedergegeben. Nun veröffentlicht Izzy ein neues Video, in dem sie dem Medienversagen auf die Spur gehen.
Wir haben die Bild Zeitung beim Lügen erwischt (youtube.de, Video)
Die europäische Sicherheit ist das dringlichste Thema der heutigen Zeit. Die Wiederherstellung der europäischen Verteidigungskapazitäten ist eine schwere Aufgabe und kostet eine Menge Geld. Der Wunsch, eine pazifistische Haltung zu bewahren, mag verlockend sein, wenn man bedenkt, dass es viele andere dringende Probleme gibt. Doch das ist eine gefährliche Versuchung. Angesichts der Ausbreitung autoritärer Regime könnte Europa die Fähigkeit verlieren, seine eigenen Werte und Grundlagen zu verteidigen. Das Vermächtnis des Nobelpreisträgers Andrej Sacharow zeigt, dass man stark sein muss, um Frieden und Stabilität zu erreichen.
Eine Gruppe angesehener SPD-Mitglieder hat vor Kurzem ein Manifest veröffentlicht, in dem Deutschland aufgefordert wird, zu einer internationalen Politik zurückzukehren, die auf den Prinzipien der OSZE-Schlussakte von Helsinki beruht. Bald sind es 50 Jahre seit der Unterzeichnung dieses unbestreitbar historischen Dokuments. Seine Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Zum ersten Mal wurden darin Sicherheitsfragen und Menschenrechte in einem einzigen internationalen Abkommen zusammengeführt.
Im selben Jahr, 1975, wurde zwei Monate später dem sowjetischen Dissidenten und Wasserstoffbombenerfinder, Andrej Sacharow, der Friedensnobelpreis verliehen. In seiner Nobelpreisrede erläuterte Sacharow die Idee, die den Helsinki-Vereinbarungen zugrunde liegt, mit den Worten:
„Frieden, Fortschritt, Menschenrechte – diese drei Ziele sind untrennbar miteinander verbunden: Es ist unmöglich, eines dieser Ziele zu erreichen, wenn die beiden anderen ignoriert werden.“

Die Woche bei CORRECTIV

Falsche Wasserstoff-Versprechen
Die Gaslobby preist Heizungen an, die irgendwann mit Wasserstoff laufen sollen. Doch immer mehr Fachleute zweifeln am Erfolg: Der grüne Wasserstoff fehlt und würde für Privathaushalte viel zu teuer sein.
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Regierung verspricht Milliarden für Infrastruktur – doch altes Geld wird neu verpackt
Das Verkehrsministerium scheint reguläre Haushaltsmittel für Infrastruktur durch Gelder aus dem Sondervermögen zu ersetzen. CORRECTIV liegt eine Auswertung vor, die zeigt: Die versprochenen Milliarden kommen kaum an. Das Ministerium verteidigt sich. Und Grünen-Politikerin Piechotta spricht von einem „Wortbruch“.
correctiv.org
USA sanktionieren IT-Dienstleister von russischer Propaganda-Kampagne
Die USA haben den russischen Hosting-Anbieter Aeza sanktioniert. Begründet wird der Schritt mit der Verwicklung in Cyberangriffe und Drogengeschäfte. Aeza war auch Schaltstelle in einer großflächigen Desinformations-Kampagne des Kreml, die unter anderem auf Deutschland abzielt.
correctiv.org
MDR streicht Kemferts Klima-Podcast – mit sofortiger Wirkung
Nach knapp vier Jahren nimmt der MDR den Podcast von Energie- und Klima-Ökonomin Claudia Kemfert aus dem Programm. Der Sender erklärt dies mit „Kompetenzbündelung“.
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Trotz Spionage-Risiko: Bundeswehr trainiert mit chinesischen Drohne
Die Truppe hat ein Problem: Es mangelt an deutschen Drohnensystemen. Und so setzt unter anderem die Litauen-Brigade der Bundeswehr beim Training auf chinesische Technik – trotz bekannter Ausspäh-Risiken.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Finn Schöneck.
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