AfD-Parteitag: Tor in der Nachspielzeit
Der AfD-Parteitag in Köln endete mit einem taktischen Punktgewinn für die Bundesvorsitzende Frauke Petry. Die Nachwahl von vier Richtern, darunter der Rechtsanwalt Knuth Meyer-Soltau aus Bochum, macht einen Rauswurf von Parteirivale Björn Höcke möglich. Dazu haben vor allem die Delegierten aus NRW unter Petrys Ehemann Marcus Pretzell beigetragen.
Kurz vor Schluss wählte der AfD-Parteitag in Köln vier neue Richter für das Bundesschiedsgericht. Sie könnten einen Parteiausschluss des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke nach dessen berüchtigter Rede in Dresden wahrscheinlicher machen. Nach der Schmach und Demütigung des ersten Tages, doch noch ein kleiner Sieg für Parteichefin Frauke Petry.
Besonders die Wahl des Rechtsanwaltes aus Bochum Knuth Meyer-Soltau freut das Petry/Pretzell-Lager. Meyer-Soltau kommt aus dem AfD-Kreisverband Bochum. Dessen Vorstand gehört zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufes, der Höcke nach der Rede in Dresden die Rote Karte zeigte und ihn aufforderte, die Partei zu verlassen, da er „Millionen von Bürgen“ mit seinen Thesen „verprellen“ würde.
Höcke hatte in Dresden das Berliner Holocaust-Denkmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „erinnerungspolitische 180-Grad-Wende“ gefordert.
Der Richter aus Bochum
Im Vorstand des Kreisverbandes Bochum sitzt als stellvertretender Sprecher Wolfgang Demolsky, und er arbeitet mit Meyer-Soltau eng zusammen. Demolsky ist im Landesverband NRW Pretzells Mann fürs Grobe. Demolsky war maßgeblich an den Whatsapp-Gruppen beteiligt, mit dessen Hilfe das Pretzell-Lager die Wahl für die Landesliste der NRW-Landtagswahl manipulierte.
Vor der Wahl der Schiedsrichter warnten auf Facebook AfD-Mitglieder vor der Wahl Meyer-Soltaus. „Dieser erneute Versuch, durch massive Beeinflussung bzw. Manipulationen der Delegierten ein tendenziöses und P&P willfähriges Bundesschiedsgericht zu installieren, darf sich nicht durchsetzen“, heisst es im Aufruf der Mitglieder-Initiative: Die AfD wehrt sich in NRW.
Der völkische Flügel hatte am Tag zuvor mit Jubel die Demütigung der Parteivorsitzenden Frauke Petry durch den CO-Vorsitzenden Jörg Meuthen gefeiert.
Vergebliche Warnung des völkischen Lagers
Der Aufruf warnte explizit auch vor den AfD-Mitgliedern Ralf Bommermann, ebenfalls aus NRW, Ines Oppel und Germut Bielitz aus Bayern. Die Warnung war vergeblich. Auch die drei wurden von den Delegierten in das Schiedsgericht gewählt.
Bisher saßen fünf Schiedsrichter im Bundesschiedsgericht, die bisher oft gegen den Bundesvorstand unter Petry entschieden hatten und dem völkischen Lager zuzuordnen sind. Unter anderem hatte das Schiedsgereicht die Auflösung des Landesverbandes Saarland wegen NPD-Nähe kassiert und das Verbot zurückgenommen, dass AfD-Mitglieder nicht auf Pegida-Demos auftreten dürften.
Aufgrund dieser Entscheidungen galt das Parteiausschlussverfahren unter Federführung von Frauke Petry gegen Höcke als wenig aussichtsreich. Obwohl das Verfahren neben den Aussagen aus der Dresdener Rede auch den Vorwurf übernahm, Höcke hätte unter Pseudonym für NPD-Zeitungen geschrieben.
Dies könnte sich mit den vier neuen Richtern und vor allem mit Meyer-Soltau aus Bochum ändern.
Wer länger bleibt, gewinnt
Die Nachwahl der vier Richter fand am zweiten Tag des Parteitages statt, als über 100 Bundesdelegierte Köln schon verlassen hatten. Der Landesverband unter Pretzell stellt mit 100 Delegierten das größte Kontingent beim Kölner Parteitag. Die NRW-Delegierten blieben im eigenen Bundesland bis zum Schluss.
Am Tag zuvor hatte das völkische Lager um Alexander Gauland, den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen, Andre Poggenburg aus Sachsen Anhalt und Armin-Paul Hampel aus Niedersachsen die hochschwangere Frauke Petry auf offener Bühne vor den Augen ihres Ehemannes gedemütig. Zudem verweigerten die Delegierten die Befassung der strategischen Anträge der Parteivorsitzenden, die AfD auf einen realpolitischen Kurs festzulegen und im Grundsatzprogramm die Partei gegen „völkische“ und „nationalistische“ Positionen auszurichten.
Der völkische Flügel der AfD Hampel, Meuthen, Gauland und Poggenburg sind erklärte Gegner des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke. Mit der Wahl der vier neuen Schiedsrichter werden die Karten neu gemischt. Das verschafft der angeschlagenen Petry eine wichtige Atempause. Ein erfolgreiches Ausschlussverfahren könnte das Machtspiel in der AfD noch einmal drehen.
Der Rauswurf von Höcke ist nach Einschätzung von Beobachtern die notwendige Bedingung dafür, dass Pretzell und Petry weiterhin in der AfD verbleiben können.
Nach CORRECTIV-Informationen hatte das Lager um Pretzell und Petry eine kalkulierte Parteienspaltung nach der Wahl in NRW und im Bund geplant, sollte die Strategieausrichtung scheitern und Höcke in der Partei verbleiben.
Weidel tanzt mit den Völkischen
Für das Spitzenteam bestimmten die Delegierten die wirtschaftsliberale Alice Weidel aus Baden-Württemberg und Alexander Gauland aus Brandenburg. Auch hier hatten in letzter Minute noch Delegierte aus dem NRW-Landesverband versucht, die Wahl des Teams zu verschieben, waren aber damit gescheitert.
Anders als Pretzell und Petry hat die wirtschaftsliberale Weidel kein Problem mit Höcke. Sie unterstützt zwar das Parteiausschlussverfahren, aber Weidel ist bereit mit dem völkischen Flügel zu tanzen. Auf Nachfrage von CORRECTIV sagte Weidel, sie würde mit Höcke zusammen Wahlkampf machen und hätte auch kein Problem damit, wenn das Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingestellt würde.
Der eigene Kurs in NRW
Gleichwohl will Pretzell eigene Wege gehen. „Anders als die Delegierten hier haben wir uns in Nordrhein-Westfalen klar für einen realpolitischen Kurs inhaltlich wie personell entschieden“, sagt Pretzell gegenüber Phönix. „Ich weiß, dass die künftige Fraktion im Landtag einen klaren Kurs verfolgt, so wie ihn Frauke Petry oder ich für diese Partei auch gerne haben möchten.“
Petry und Pretzell haben am letzten Tag auf dem Parteitag einen wichtigen Punkt gemacht, das Ausschlussverfahren von Höcke bekommt neuen Wind unter den Flügeln, aber die Wähler in NRW wissen nicht, für welche AfD sie ihre Stimme abgeben sollen, und was mit den Mandaten nach der Wahl passieren wird.
Update vom 24.04.2017
In einer vorherigen Version stand in der Unterzeile des Artikels:, „Die vier nachgewählten Richter zum Schiedsgericht sind auf Petrys Linie.“ Die innerparteilichen Gegner von Perty hatten in einem Aufruf vor der Wahl vor den vier dann gewählten Richtern gewarnt. Nun hat sich Ralf Bommermann per Email gemeldet, und geschrieben, dass er sich keinem Lager zugehörig fühle und der Aussage widerspricht. „Ich bin seit 34 Jahre als Richter in NRW tätig und schon von daher neutral. Dies gedenke ich auch zu bleiben. Frau Petry kenne ich nicht einmal persönlich.“, schreibt Bommermann.
Wir haben die Unterzeile entsprechend geändert.